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Aluminium-Teile halten besser mit Alu-Schrauben

Aluminium-Schrauben: Kaum Vorspannkraft-Verlust in Leichtmetallen
Aluminium-Teile halten besser mit Alu-Schrauben

In Leichtmetall-Bauteilen sind Aluminium-Schrauben die stärkeren Verbindungselemente: Sie halten ihre Vorspannkräfte wesentlich besser aufrecht als Stahlschrauben, die durch Relaxationseffekte schon nach kurzer Zeit stark nachlassen.

Wolfgang Heidrich ist Referent für Verkehr und Maschinenbau beim Gesamtverband der Aluminiumindustrie (GDA) in Düsseldorf

Noch liegt der Anteil von Aluminium-Schrauben an der Schraubenproduktion unter 1 %, so schätzen Experten. Doch das kleine Segment wächst. Denn Alu-Schrauben können eine Reihe von Problemen lösen, die sich mit Stahlschrauben stellen: Sie verzeichnen geringere Vorspannkraft-Verluste in Leichtmetall-Bauteilen und passen sich durch ihren höheren thermischen Ausdehnungskoeffizienten besser in leichtmetallische Umgebungen ein. Außerdem erleichtern sie das Recyceln von Aluminium-Gussteilen. Und sie leisten einen Beitrag zur Gewichtseinsparung in bewegten Anlagenteilen wie etwa in Robotern oder Handhabungssystemen. In Kontakt mit Magnesium entschärfen Alu-Schrauben das Korrosionsproblem.
Bei ihrem Einsatz geht es nicht einfach darum, Stahl werkstofflich zu ersetzen. Vielmehr entsteht durch den Einsatz von Schrauben aus Aluminium eine neue Verschraubungstechnologie, deren Einsatzmöglichkeiten durch technologische Fortschritte noch erweitert werden. So weisen neu entwickelte Aluminium-Schrauben große Festigkeiten bei zugleich guten Korrosionseigenschaften auf, wobei die Auswahl der Werkstofflegierung mit einer geeigneten Wärmebehandlung der Schraube eine wichtige Rolle spielt. Zum Verschrauben von Magnesium-Komponenten unter korrosiven und thermischen Belastungen hat sich beispielsweise die Aluminium-Legierung Al 6056 bewährt. Sie ermöglicht Schrauben, die eine Zugfestigkeit von 400 MPa aufbringen, bei gleichzeitig hohem Widerstand gegen Kontaktkorrosion. Hinzu kommt die gute Temperaturbeständigkeit: Bis zu etwa 150 °C sind die mechanischen Eigenschaften der Schrauben bei Langzeitbelastung annähernd stabil. Und kurzzeitig gelten selbst Temperaturen bis rund 180 °C als unkritisch. Somit sind die Bedingungen für den Einsatz in Fahrzeugmotoren und -getrieben erfüllt.
70 Prozent Restvorspannkraft in Magnesium
Kontaktkorrosion tritt vor allem dann auf, wenn Schrauben aus Vergütungsstählen mit Bauteilen aus Magnesium-Legierungen zusammentreffen. Verantwortlich dafür sind die großen Abstände zwischen beiden Werkstoffen in der elektrochemischen Spannungsreihe. Die üblichen Beschichtungssysteme helfen hier nicht oder nur bedingt weiter. Bei galvanischen Zink- und Zinklegierungsschichten beispielsweise lässt sich Porosität nur schwer vermeiden und gefährdet die Schutzwirkung ebenso wie potenzielle Umwelteinflüsse. Ähnliches gilt einschlägigen Untersuchungen zufolge für elektrolytisch abgeschiedene Aluminium-Magnesium-Schichten.
Alu-Schrauben jedoch können Kontaktkorrosion praktisch vollständig unterbinden. Schon blanke Schrauben aus Alu-Legierungen der Reihe 6000 mit geringem Kupfergehalt sind speziell geschützten Stahlausführungen überlegen. Aufwendige Beschichtungen werden in der Regel überflüssig. Für besonders hohe Anforderungen sind sogenannte Kopfkapselungen entwickelt worden, um auch das Restrisiko von Kontaktkorrosion auszuschließen.
Das wichtigste Einsatzfeld für Aluminium-Schrauben ist das Verbinden von Bauteilen aus Leichtbau-Werkstoffen. Denn die unterschiedlichen thermischen Ausdehnungskoeffizienten von Stahl und Leichtmetallen bereiten häufig Schwierigkeiten: Der Längenausdehnungskoeffizient von Aluminium-Legierungen ist mehr als doppelt so groß wie der von Stahl. Bei typischen Magnesium-Legierungen liegt dieser Wert noch einmal rund 30 % höher. Bei Temperaturerhöhungen am verschraubten System können je nach Werkstoffpaarung deutliche Flächenpressungen unter dem Schraubenkopf auftreten, die die Druckfließgrenze der verspannten Teile überschreiten, so dass es zur Relaxation kommt. Unter Relaxation ist der Verlust an Vorspannkraft durch Plastifizierung der Werkstoffe zu verstehen. Vorspannkraft-Verluste können Undichtigkeiten und damit Korrosion hervorrufen, sich aber auch akustisch durch Klappern, Knistern oder Quietschen bemerkbar machen. Im schlimmsten Fall führen zu geringe Vorspannkräfte zum vollständigen Versagen der Verbindung.
Versuche bei Schraubenherstellern haben gezeigt, dass sich mit Aluminium-Schrauben deutlich höhere Rest-Vorspannkräfte einstellen lassen als mit Stahlschrauben. Die anfänglichen Montage-Vorspannkräfte sind zwar niedriger, halten sich aber besser, während die Vorspannkraft mit Stahlschrauben schon nach kurzer Zeit stark abfällt. Der Grund: Infolge des niedrigen E-Moduls und des hohen Wärmeausdehnungskoeffizienten passt sich Aluminium sehr gut an Aluminium-, Magnesium- und Kunststoffkomponenten an. Alu-Schrauben dehnen sich thermisch mit den Bauteilen, so dass weniger plastische Verformungen im System entstehen, die zu Vorspannkraft-Verlusten führen können. Die Relaxation verringert sich besonders beim Verbinden von Magnesium-Bauteilen, die bei 120 °C oder höheren Temperaturen betrieben werden.
Die höheren Zugfestigkeiten von Stahlschrauben können bei Leichtmetallbauteilen also gar nicht genutzt werden: Auf Grund der besseren thermischen Anpassung liefert die Schraube mit kleinerer Ausgangsfestigkeit die höhere Rest-Vorspannkraft. Ein großer Getriebehersteller stellte entsprechende Vergleiche an. Mit Stahlschrauben ergab sich eine Rest-Vorspannkraft in Aluminium von 50 %, bei Magnesium-Bauteilen sogar nur von 10 %. Dagegen wiesen Alu-Schrauben in Aluminium-Bauteilen eine Rest-Vorspannkraft von 85 % und in Magnesium-Bauteilen von 70 % auf.
Andere Untersuchungen bei einem Schraubenproduzenten dokumentieren den zeitlichen Verlauf der Relaxation. Sie zeigen, dass die Verbindungen mit Aluminium-Schrauben trotz geringerer Montage-Vorspannkraft bereits nach 100 h Temperaturbelastung eine höhere Rest-Vorspannkraft aufweisen. Nach etwa 200 h ist ein konstantes Vorspannkraft-Niveau erreicht, während bei Verbindungen mit Stahlschrauben selbst nach 500 h die Relaxationsvorgänge nicht abgeschlossen sind, obwohl sich die Rest-Vorspannkräfte dann schon nahe Null bewegen.
Natürlich tragen Aluminium-Schrauben auch zur Gewichtseinsparung bei. Gerade im Automobilbau zählt heute jedes Gramm. Bei einem Magnesium-Schaltgetriebe, dessen Gehäuse mit 20 Schrauben montiert ist, bringt die reine Substitution eine Gewichtsersparnis von 240 g (da die Alu-Schrauben nur 6 g statt 18 g Masse besitzen). Bei einem neuen stufenlosen CVT-Automatikgetriebe können sogar 400 g allein mit Aluminium-Schrauben eingespart werden.
Halbe Einschraubtiefe reicht aus
Dieses Einsparpotenzial lässt sich sogar noch vergrößern. Greifen Konstrukteure zu Verbindungselementen und Bauteilen mit demselben thermischen Ausdehnungskoeffizienten, können sie die tragende Länge der Schraubenverbindung deutlich kleiner dimensionieren als bei stark voneinander abweichenden Werten. Die Mindest-Einschraubtiefe soll sich um bis zu 50 % reduzieren lassen, wenn ein Schraubenwerkstoff mit einer Zugfestigkeit von rund 400 MPa verwendet wird. Für das Verhältnis von tragender Länge zu Gewindedurchmesser gilt bei Stahlschrauben in Aluminium- oder Magnesiumbauteilen der Faktor 3 bis 4. Bei Alu-Schrauben ist dagegen nur der Faktor 1,5 bis 2 anzusetzen. Daraus ergibt sich ein doppelter Gewichtsvorteil: Zum einen ist die Aluminium-Schraube kürzer und leichter, zum anderen lässt sich die Gewindebohrung kleiner und damit das Bauteil schlanker auslegen.
Nicht zuletzt erleichtern Alu-Schrauben auch das Recyceln von Aluminium-Produkten. In dem kürzlich abgeschlossenen Forschungsvorhaben Nr. AiF 12574 B der Arbeitsgemeinschaften Industrieller Forschungsvereinigungen „Otto von Guericke“ und der Forschungsgesellschaft Stahlumformung (FSV) heißt es: „Unter Recyclingaspekten sind Stahlschrauben in Aluminiumbauteilen eine ungünstige Lösung, weil sie beim Shreddern abbrechen und damit als ‘metallurgisches Gift’ in die Aluminiumschmelze gelangen.“ Tatsächlich zählen Verunreinigungen durch Eisen zu den Hauptgründen, weshalb Sekundäraluminium heute vorwiegend für Gussteile verwendet wird, nicht jedoch für Walz- oder Schmiedeprodukte.
Industrieanzeiger
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