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Besser Verstand vor Ort als Expertise aus der Ferne

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Besser Verstand vor Ort als Expertise aus der Ferne

Asean-Märkte: Produktion in Südostasien – Serie, Teil 3

Der Aufbau einer neuen Produktion zählt zu den größten Herausforderungen für technische Unternehmen im Mittelstand. Nicht nur der Einsatz des Kapitals ist beträchtlich, es verlangt auch die volle Konzentration wertvoller Management Ressourcen auf das Projekt.

Viele Unternehmen haben in den Boom-Jahren vor der Weltwirtschaftskrise in die Bric-Länder investiert – als die First- und Second-Mover-Chancen lange passiert waren und die Arbeitskosten bereits deutlich stiegen. Heute stellt sich für stärkere Mittelständler nicht selten die Frage nach der kleinen, aber feinen Alternative zu den Weltfabriken Indien und China.
Die Asean-Länder können für einige Unternehmen genau diese Chance bieten. Hier treffen niedrige Arbeitskosten und überschaubare Strukturen mit verhältnismäßig geringen IP-Risiken zusammen. Durch die hohe Vielfalt innerhalb des Staatenverbundes lässt sich in einem der Länder für das jeweilige Unternehmen oder das jeweilige Produkt mit etwas Geschick genau der richtige Mix aus Kosten, Technologie und Struktur vor Ort finden.
Es lohnt also, die möglichen Ziele, wichtigsten Entscheidungen und Erfolgsfaktoren für einen Produktionsaufbau in einem der Asean-Länder näher zu untersuchen. Exemplarisch stehen hier drei Länder im Fokus, die für mittelständische Investoren geeignet scheinen, jedoch sehr unterschiedliche Chancen und Bedingungen bieten: Vietnam, Thailand und Malaysia.
Im Gegensatz zu angelsächsischen Unternehmen und vor allem solchen aus entwickelten asiatischen Ländern wie Korea oder Taiwan sind die Europäer in aller Regel vorsichtiger mit Produktionsentscheidungen. Dennoch werden diese nicht selten getroffen, ohne sich der Ziele wirklich bewusst zu machen. Für eine Produktion in den Asean-Ländern kommen verschiedene Ziele in Frage. Hier Klarheit zu gewinnen, schafft jedoch meist bereits die wichtigsten Grundlagen, um das Ob, Wann und vor allem Wo zu entscheiden.
  • Kostenvorteile gegen andere Standorten in Asien: Für den technischen Mittelstand ein schwer zu realisierendes Ziel. Die Märkte vor Ort verlangen hohe Investitionen in Technologie und Know-how, bevor auch nur annähernd das in Europa erwartete Produktniveau erreicht werden kann. Die zweifache Verschiffung von technischen Komponenten und danach fertigen Produkten verschlingt viele nominelle Kostenvorteile.
  • Bedienen des Marktes vor Ort: Besonders für Hersteller „kleinerer“ technischer Produkte eine interessante Alternative zum Export. Bei effizienter Verschiffung der Teile in Kombination mit lokalem Sourcing kann zum Beispiel eine Montage vor Ort sowohl die Bedienung des Marktes als auch die Kostenposition verbessern. Ein entsprechendes Absatzpotenzial ist vorausgesetzt.
  • Ein zweites Standbein in Asien: Nicht wenige Unternehmen, die bereits vor einigen Jahren in Asien erste Produktionsschritte unternommen haben, sehen die Asean-Länder unter dem Gesichtspunkt der Diversifikation. Für die richtigen Produkte oder an den richtigen Standorten lassen sich mit den Erfahrungen aus China oder Taiwan ähnliche Kosten-/Qualitätsergebnisse erreichen.
Eine gute und nachhaltige Entscheidung zur Produktion in Asean setzt vor allem zwei schmerzhafte Erkenntnisse voraus: Erstens gibt es keinen perfekten Standort, und auch den jetzigen – insbesondere China – kein zweites Mal. Zweitens braucht die Realisierung der angestrebten Vorteile Zeit und setzt neben der richtigen Standortentscheidung ein bewusstes und vor allem anhaltendes Hinarbeiten voraus, um das Potenzial zu realisieren.
Junge und mit niedrigen Löhnen reizende Arbeitsmärkte sind ein entscheidender Faktor für die Verlagerung der Produktion – meist sind diese das Resultat einer günstigen demographischen Lage und eines niedrigen Entwicklungsstandes. Die Demographie ist ein entscheidender Treiber für die strategische Entwicklung, für die mittelfristige Entwicklung zählt jedoch nicht die Größe der Workforce an sich, sondern natürlich die Zahl der verfügbaren und ausgebildeten Arbeitskräfte – und diese spiegelt sich auch in den Löhnen wieder. In Asean sind jene Firmen erfolgreich, die auf die richtige Kombination von vorhandenen Humanressourcen und eigener Entwicklung der selbigen setzen. Einen „Supermarkt“ für Arbeitskräfte gibt es in keinem Land der Welt.
Ein niedriger Entwicklungsstand als prägender Faktor des Arbeitsmarktes hat natürlich noch weitere Kehrseiten – nicht nur aus humanitärer, sondern auch aus rational betriebswirtschaftlicher Sicht. Mangel an Infrastruktur, Intransparenz, eine schwierige Lieferkette vor Ort sind die häufigsten Hürden für den reibungslosen und kosteneffizienten Betrieb vor Ort. Zusammen mit den oben genannten sekundären Faktoren des Arbeitsmarktes bilden Sie einen Cluster von Herausforderungen, die zum Teil als externe Risiken oder Kostenfaktoren in den Businessplan mit aufgenommen werden müssen und zum Teil jedoch durch ein fokussiertes und gut ausgebildetes Management vor Ort überwunden oder minimiert werden können.
Die Kenntnis dieser hintergründigen Faktoren und ihre Angreifbarkeit gilt es, bereits in den ersten Planungsphasen zu berücksichtigen. Häufig begegnet einem in der Praxis der Offshore-Produktion jedoch leider das Gegenteil – dass Unternehmen etwa kulturelle Reibungsverluste lamentierend vorwegnehmen nach dem Motto: „…die verstehen es einfach nicht…“, während strukturelle Risiko- und Kostenfaktoren in der Planung als handhabbar abgetan werden: „…holen wir die Zusätze erstmal per Luftfracht, später finden wir dann eine Lösung.“
Die Grundregeln des Produktionsaufbaus sind auf der ganzen Welt vergleichbar – an erster Stelle stehen die Auswahl eines geeigneten lokalen Standortes (etwa ein Industriepark) sowie die Akquisition der Lizenzen und damit verbundenen Förderungen. Spätestens hier – so wissen viele aus schmerzlicher Erfahrung – sollte auch über die Führungsmannschaft nachgedacht werden, denn wenn die Produktionsräume und Büros errichtet sind, muss das Team aus lokalen Fachkräften und ausländischen Managern bereits mehr als eingespielt sein.
Für Mittelständler bedeutet der Aufbau jedoch vor allem eine Projektführung unter Unsicherheit. Denn um alle Eventualitäten auszuschließen, fehlt es sowohl an Zeit wie an Mitteln. Hier spielen die Strukturen sowie die Geschäftskultur vor Ort eine wichtige Rolle – ein Stimmungswechsel in der Provinzregierung kann die Förderungen in Frage stellen oder der Grundbesitzer mag in letzter Minute nachverhandeln wollen. Erfahrungsgemäß überwinden vor allem solche Unternehmen diese Herausforderung, die drei einfache Prinzipien in ihren Aufbauprojekten verankern.
  • 1. Persönliche Vorbereitung ist besser als umfangreiche Planung. Das oft mühsame Lesen von Erfahrungsberichten und Gesetzestexten sowie die aufwendigen Besuche vor Ort machen weitaus handlungsfähiger als ein bis ins letzte Detail gestrickter Business Plan.
  • 2. Kein Taktieren, sondern Entscheiden.Gerade bei den in der Region oft widersprüchlichen lokalen Informationen zahlt es sich aus, nicht zu zögern, sondern deutliche Bedingungen zu stellen oder deutlich und nachvollziehbar zu entscheiden. Glaubwürdigkeit ist in Asien ein knappes Gut.
  • 3. Präsenz ist wichtiger als Planung. Spätestens nach der Entscheidung für einen spezifischen Industriepark sollte über die Entsendung einer Führungskraft vor Ort nachgedacht werden. Dies strafft nicht nur die Kommunikation mit den Partnern, sondern erhöht vor allem die Reaktionsfähigkeit.
Fabian Bögershausen, Principal Manager, BDG Vietnam, Ho Chi Minh City/Vietnam fabian.boegershausen@bdg-vietnam.com
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