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CE-Kennzeichnung oder nicht, das ist hier die Frage

Haftung und Gefährdungsbeurteilung von Spritzgießwerkzeugen ist umstritten
CE-Kennzeichnung oder nicht, das ist hier die Frage

Benötigen Werkzeuge und Formen für den Einsatz in Spritz- oder Druckgussmaschinen entsprechend der Maschinenrichtlinie 2006/42/EG eine CE-Kennzeichnung? Zwei Verbände vertreten in dieser Frage unterschiedliche Auffassungen. Bei Werkzeugbauern sorgt dies für Irritationen.

Werkzeuge und Formen, die in Pressen oder Spritz- beziehungsweise Druckgussmaschinen eingebaut werden, sind hochkomplex und können bis zu 60 t wiegen. „Löst sich dieses Teil bei der Reinigung beispielsweise und fällt einem Mitarbeiter auf den Fuß, ist das kein Kavaliersdelikt. Die Berufsgenossenschaft wird sich auf die Suche nach dem Schuldigen begeben“, ist Heiko Semrau überzeugt, Leiter der Geschäftsstelle des Verbands Deutscher Werkzeug- und Formenbauer (VDWF) e.V. in Schwendi.

„Findet die Berufsgenossenschaft heraus, dass dem Werkzeug die von der Maschinenrichtlinie 2006/42/EG geforderte CE-Kennzeichnung fehlt, wird der Werkzeughersteller in die Pflicht genommen. Dies kann je nach Schwere der Verletzung des Mitarbeiters und der mit der Behandlung verbundenen Kosten bis zum Konkurs des Herstellers führen. Deshalb sollte man entsprechende Vorkehrungen treffen.“
Somit empfiehlt der VDWF aus Haftungsgründen eine CE-Kennzeichnung. Seine Argumentation: Werkzeuge und Formen, die in Pressen oder Spritz- beziehungsweise Druckgussmaschinen eingebaut werden, erfüllen die Bedingungen der Definition von „auswechselbaren Ausrüstungen“ gemäß der seit Ende 2009 geltenden Maschinenrichtlinie. Kennzeichnend sei, dass sie dazu bestimmt seien – auch nach der Inbetriebnahme und vom Bediener selbst – an einer Maschine angebracht zu werden. Und dass sie die Funktion der Presse oder der Spritz- beziehungsweise Druckgießmaschine zwar nicht ändern, aber erweitern.
Der Verband Technische Kunststoff-Produkte (Tecpart) e.V. mit Sitz in Frankfurt/M. kontert: „Bei Werkzeugen handelt es sich nicht um auswechselbare Einrichtungen. Damit fallen sie nicht unter die CE-Kennzeichnungspflicht“, sagt Michael Weigelt, Sprecher der Geschäftsführung – und bezieht sich auf die Position des VDMA vom Januar 2010. Die Spritzgießmaschine habe den Zweck, ein Spritzgießwerkzeug aufzunehmen und mit diesem zu arbeiten. Gemäß der Maschinenrichtlinie müsse der Hersteller einer Spritzgießmaschine auch die wesentlichen Merkmale der Werkzeuge angeben, die an der Maschine angebracht werden können.
„Deshalb ist bereits in der CE-Kennzeichnung der Spritzgießmaschine dieser Einsatz mit abgedeckt“, so Weigelt. Lediglich bei Werkzeugen, die den Charakter einer Maschine oder deren Schutzeinrichtung verändern oder aus dieser heraus stehen, empfiehlt Tecpart eine CE-Kennzeichnung. Tecpart argumentiert außerdem, dass der englische Begriff „Tools“ ein weites Feld an Werkzeugen abdecke. Die Maschinenrichtlinie biete hierfür nur eine vereinfachte, keine abschließende Aufzählung. Auf alle Fälle seien Spritzgießwerkzeuge als Werkzeuge im Sinne der Maschinenrichtlinie zu betrachten. Somit bestehe hier absolut kein Handlungsbedarf. Mehr noch: „Die Verwendung der CE-Kennzeichnung ist nicht zulässig. Auch darf keine EG-Konformitäts- oder Einbauerklärung ausgestellt werden“, heißt es beim VDMA.
Der VDWF hingegen hält das CE-Kennzeichen für sinnvoll: „Die Maschinenrichtlinie wird fälschlicherweise oft als verkaufshemmend betrachtet oder auch als reiner Bürokratismus abgetan. Dabei ist sie aber vielmehr eine Chance. Der Werkzeug- und Formenbauer wird nämlich angehalten, systematisch zu arbeiten und dabei Risiken ganz neu abzuwägen“, argumentiert Hans-Joachim Ostermann, Experte für das europäische Maschinenrecht, in einem VDWF-Fachmagazin. Außerdem könne das CE-Kennzeichen vor Billiganbietern schützen. Werkzeuge, die die Sicherheitsauflagen nicht erfüllen, können nämlich von den nationalen Überwachungsbehörden vom Markt genommen werden.
Außerdem hält der VDWF den Aufwand für die Hersteller für durchaus vertretbar. Um das Prozedere zu beschleunigen, hat er einen Leitfaden sowie Dokumentenvorlagen erarbeitet, mit denen Anbieter die für die CE-Kennzeichnung notwendige Dokumentation einschließlich Bildmaterial innerhalb von nur einem halben Tag erarbeiten können.
Die entsprechenden Kenntnisse vermittelt der VDWF in so genannten CE-Workshops, für die er regen Zulauf verzeichnet. „Das Interesse und die Unsicherheit sind groß“, sagt Semrau. Genau dies sorgt für Irritationen auf Seiten von Tecpart. Weigelt: „Es kommt der Eindruck auf, dass man über die Diskussion ein entsprechendes Dienstleistungspaket gleich mit an den Mann bringen will. Das halten wir nicht für richtig.“
Sabine Koll Journalistin in Böblingen
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