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Damit der Zerspaner zum Troubleshooter wird

Kinkele: Investition ins Fertigungspersonal senkt Kosten
Damit der Zerspaner zum Troubleshooter wird

Hohe Personalkosten, Fachkräftemangel, technologischer Wandel: In der Industrie verschärft sich der Zwang, systematisch das Mitarbeiterpotenzial zu entwickeln. Das Beispiel Kinkele in Ochsenfurt zeigt, wie ein Mittelständler im Fertigungsbereich gezielt in sein Personal investiert.

Wilhelm Pfeuffer ist Fachjournalist in Würzburg

Ein differenziertes System mit internen und externen Schulungen, On-the-job-Training und Lern-Events: So sichert der Maschinenbauer Fritz Kinkele aus Ochsenfurt die Qualifikation seiner Mitarbeiter. Über eine halbe Million Mark fließen jährlich an außerbetriebliche Bildungsträger. Außerdem leisten Abteilungsleiter, Meister und Vorarbeiter mehr als 5000 Instruktionsstunden. Die Personalinvestitionen erreichen rund ein Drittel der Ausrüstungsinvestionen – eine hohe Kennzahl für einen technologieintensiven Betrieb.
„Die Amortisation stimmt“, resümiert Firmenchef Fritz Kinkele zufrieden. „Das gesamte Kostengerüst der Fertigung – von Maschinenzeiten bis zu Werkzeugverschleiß und Instandhaltungsbedarf – profitiert nachweislich vom hohen Personalstandard.“ Folgerichtig schreibt er die jährliche Stückkostensenkung von etwa 5 %, die bereits über eine längere Phase hinweg anhält, vorwiegend dem strikten Qualifizierungssystem zugute. Der Chef des 420-Mann-Betriebes verdeutlicht die Notwendigkeit von Topleistungen in der Fertigung so: Das Risiko von Arbeitsfehlern wächst mit anspruchsvoller Technologie und hochwertigen Werkstücken und nicht zuletzt mit der Einzelfertigung selbst, die bei Kinkele üblich ist. Schlecht-Teile können nicht über größere Auflagen amortisiert werden – der erste Griff muss sitzen.
Die Personalförderung rückte bei dem Ochsenfurter Betrieb in den Brennpunkt, als er 1980 ein neues Unternehmenskonzept aufgriff und einen nachhaltigen Wachstumskurs einschlug, wie sich der Unternehmer erinnert. Der Firmenchef hatte die Outsourcing-Welle als Chance erkannt und leitete den Wandel von der herkömmlich strukturierten Maschinenschlosserei mit 50 Mitarbeitern zum international ausgerichteten Zulieferer für den Maschinen- und Anlagenbau ein.
„Trotz aller Technologie-Orientierung, die auf EDV-Unterstützung und Automation setzte, haben wir nie am entscheidenden Beitrag eines kompetenten, loyalen Mitarbeiterstamms gezweifelt“, stellt Kinkele heute fest. Er verweist auf das hohe Anspruchsprofil für die Fertigung, das aus der Nischenpolitik des Unternehmens resultiert. Kinkele steht in direkter Preiskonkurrenz zu Anbietern rund um den Globus, und deshalb ist hohe Kosteneffizienz gefordert. Kinkele: „Diese Anforderung kann nun mal nur eine erstklassige Produktions-Crew bewältigen.“
Ein Großteil der Ausbildungsaktivität gilt neuen Mitarbeitern. Wer sich als Facharbeiter bei dem Mittelständler bewirbt, ist gewöhnlich Mitte zwanzig und kann eine Metalllehre sowie etliche Berufsjahre Erfahrung vorweisen. Im Vorstellungsgespräch kommt neben dem Fähigkeitsprofil die professionelle Einstellung zur Sprache, auf die der Inhaber besonders Wert legt. Kinkele: „Die Frage ist, ob der Bewerber mit unserer spezifischen Leistungskultur klarkommt.“ Denn nur wer seinen produktiven Beitrag als persönlichen Erfolg erlebe, werde sich auf Dauer wohl fühlen, in den Kollegenkreis integrieren und seinen Arbeitsplatz ausfüllen.
Auf die Einstellung folgt die gründliche Einarbeitungsphase. In der Zerspanungswerkstatt der Fertigungsabteilung dauert sie ein halbes bis dreiviertel Jahr. Als Coach fungiert ein erfahrener Zerspanungstechniker. Durch Beobachtung und Assistenzarbeiten entwickelt der Neuling schrittweise die Kenntnisse und praktischen Fertigkeiten, die er zu eigenständiger CNC-Bedienung benötigt. „Lernbereitschaft und Interesse auf der einen und partnerorientierter, einprägsamer Erklärungsstil auf der anderen Seite sind unabdingbar“, erklärt Kinkele das Prinzip der Einarbeitung.
Insbesondere gilt es, den Blick für Problemfälle zu schärfen. Vielfach muss sich der Zerspaner als Troubleshooter betätigen: Fehler, die sich auf der internen Vorleistungsstrecke einschleichen, werden erst an seiner Arbeitsstation fertigungstechnisch relevant. Dann sind Urteilsvermögen und Entschlusskraft gefragt. Das setzt voraus, dass der Zerspaner die Abläufe der Produktionsstufen durchschaut und auf die Fehler vorbereitet ist. Zudem muss sein Fachwissen ausreichen, um sich mit Kollegen in anderen Abteilungen, beispielsweise dem Schweißbau oder der Arbeitsvorbereitung oder der CNC-Programmierung zu verständigen.
Ebenso systematisch wie die Einweisung der Facharbeiter erfolgt die Lehrlingsausbildung. 60 Auszubildende hat das Unternehmen derzeit. Der angehende Maschinenbau-Mechaniker durchläuft mehrere gewerblich-technische Kurse bei einem überbetrieblichen Bildungsträger. Intern erhält er Unterricht in der betriebseigenen Lehrwerkstatt und Sonderinstruktionen vom Abteilungsmeister. Reihum durchläuft er sechs Fertigungsbereiche, von der Blechbearbeitung bis zur Montage. Nach dreieinhalbjähriger Lehrzeit kennt die Nachwuchskraft den Produktionsablauf in der Firma und ist nach Abschluss der Ausbildung an der ersten Arbeitsstelle schon ein selbstbewusster Fachmann.
Basis des Schulungssystems ist die ständige Bedarfsanalyse, um die sich Personalleitung und Fertigungsmeister kümmern. Zum einen erfordern technische Neuerungen zusätzliche Qualifikationsinhalte, etwa neue Werkstoffe oder Maschinen. Darüber hinaus werden Schwachstellen des Betriebsalltags umgehend im Fortbildungsprogramm berücksichtigt und ausgemerzt.
Neben der Fachkompetenz soll der „mentale Kick“ der zweite Tragpfeiler persönlicher Leistungen sein, fordert Kinkele, „denn erst Verantwortungsbewusstsein und engagiertes Mitdenken bringen erworbenes Können voll zur Geltung“. Auch die Teilnahme am Kontinuierlichen Verbesserungsprozess setzt beim Mitarbeiter Engagement voraus. „Kreativität lässt sich nun mal nicht per Arbeitsrichtlinie einfordern“, weiß der Chef. Sollen Ideen sprudeln, muss der Mitarbeiter sein Wirkungsfeld kennen, Schwachpunkte wahrnehmen und sich mit ihnen auseinandersetzen.
Ein Motivationsimpuls entspringt der fachlichen Schulung, die das Selbstwertgefühl stärkt. Nicht nur, dass die regelmäßigen Seminarbesuche dem Mitarbeiter die Bedeutung seines Leistungsvermögens demonstrieren – er weiß auch jederzeit, dass er sich auf dem Stand der Technik befindet.
Als Beitrag zu kollegialem Zusammenhalt und Innovationsklima gilt zudem der gemeinsame Besuch von Haus- und Fachmessen. „Das ist ein wirksames Mittel gegen die Gefahr der Betriebsblindheit“, weiß der Firmeninhaber aus Erfahrung. Das Rezept: Die Messe konfrontiert die Mitarbeiter mit neuen technischen Fragen. Auf der Rückreise im Charter-Bus entzünden sich die Fachdiskussionen – und oft werden schon am Folgetag konkrete Projekte auf den Weg gebracht.
Ein weiteres, für einen Mittelständler ungewöhnliches Motivationsmodul hat Kinkele erst vor kurzem installiert: einheitliche Firmenkleidung, die farblich nach Fertigungsabteilungen differenziert ist. Die Belegschaft weiß die finanzielle Entlastung zu schätzen. Im Betriebsalltag steht aber der Identifikations-Effekt an erster Stelle: Die augenfällige Zuordnung zu Berufsgruppe und Unternehmen stärkt das Selbstverständnis und den Teamgeist. Dieser Pluspunkt hat seinen Preis: Die Anschaffung belief sich auf rund 150 000 DM, Folgekosten fallen für Reinigung und Instandsetzung der Kleidung an.
In noch höherer Größenordnung bewegt sich der Aufwand, den das Unternehmen für die kürzlich eingeführte Betriebsrente geschultert hat. Die Vorzüge lohnen den Einsatz, betont Fritz Kinkele: „Jeder Beschäftigte erkennt den Einfluss der betrieblichen Ertragsfähigkeit auf seinen künftigen Lebensstandard. Außerdem zeigt sich, dass die Firma den Mitarbeitern ihr Engagement auch nach der Berufsphase honoriert.“
Steckbrief: Kinkele
Unternehmen:
Kinkele GmbH & Co. KG, gegründet 1885 in Ochsenfurt
Leistungsspektrum:
Maschinenbau, Apparatebau, Stahl- bau, Fertigungskapazitäten
Mitarbeiter:
350 Mitarbeiter, rund 60 Auszubildende
Standort:
Firmengebäude in Ochsenfurt erbaut 1980, Schweißerei, Fräserei, Bohrwerk mit eigenen Hallen (rund 20 000 m² Hallenfläche)
Jahresumsatz:
rund 60 Mio. DM
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