Für seine Dissertation zum Thema „Beschaffung deutscher Maschinenbauunternehmen in der VR China“ hat Dr. Li Song einen Sonderpreis des BME erhalten. Im Industrieanzeiger erläutert er, wie die Rahmenbedingungen im Reich der Mitte aussehen.
Von unseren Redaktionsmitgliedern Susanne Schwab und Jens-Peter Knauer
Dr. Li Song, warum haben Sie sich ein China-Thema für Ihre Dissertation ausgesucht, obwohl über das Engagement deutscher Firmen auf dem chinesischen Markt schon viel veröffentlicht wurde?
Die meisten Untersuchungen beschäftigen sich bisher mit den Bereichen Absatz und Produktion. Dagegen fehlen immer noch Erkenntnisse zum Beschaffungsmarkt sowie zur Entwicklung und Implementierung von Beschaffungsstrategien in China. Dieses Defizit ist auch bei deutschen Maschinenbauern festzustellen, die mit ihren Produkten eine Spitzenposition auf dem Markt einnehmen.
Was ist das Besondere an Ihrer Arbeit?
Ich habe Angebot und Nachfrage beider Märkte untersucht. Die Datenerhebung bei deutschen Maschinenbauern als auch bei den chinesischen Lieferanten und die anschließende Analyse überwindet die bislang isolierte Betrachtung beider Länder im Rahmen einer internationalen Beschaffungsstudie.
Woran liegt es, dass sich deutsche Firmen auf dem chinesischen Markt schwer tun?
Die geographische Distanz, die fremde Kultur und fehlende Marktkenntnisse spielen eine wichtige Rolle. Den meisten Mittelständlern mangelt es an Kapazitäten im Management. Die Angst vor politischen Risiken steht jedoch nicht im Vordergrund. Immerhin können sich nur 6,5 Prozent der von mir befragten Maschinenbauer überhaupt nicht vorstellen, in den chinesischen Markt einzutreten.
Was macht den Markt so interessant?
Die Welt hat die Wettbewerbsfähigkeit Chinas erkannt – schneller, billiger und immer öfter auch besser. Außerdem bietet China wirtschaftliche Rahmenbedingungen, die Unternehmerherzen höher schlagen lassen: niedrige Löhne, lernfähige Arbeitskräfte, viele gut ausgebildete Wissenschaftler und Ingenieure, Sozialaufwendung nur soviel wie nötig sowie Steuervergünstigungen als Verhandlungssache.
Wie sollten Unternehmen vorgehen, wenn sie die Beschaffung verlagern?
Häufig öffnen andere Bereiche die Türen, beispielsweise Absatz und Fertigung.
Selektives Local Sourcing für die lokale Fertigung ist oft der erste Schritt, und zwar nicht direkt, sondern indirekt über einen seit langem im Markt tätigen Händler. Auf diesem Weg lassen sich erste Kontakte zu chinesischen Lieferanten und Behörden knüpfen und die besonderen Anforderungen eines China-Engagements kennen lernen.
Welche Anforderungen meinen Sie?
Gefordert ist vor allem Geduld. Kein Geschäftspartner in China mag es, wenn man ihn zu irgendetwas drängt. Das Gras wächst auch nicht schneller, wenn man daran zieht. Wichtig ist, die Gepflogenheiten vor Ort zu respektieren und zu befolgen. Aber auch Guanxi, das chinesische Vitamin B, spielt bei einem erfolgreichen Engagement in China eine bedeutende Rolle. Guanxi ist das Schmieröl, mit dem alles besser, schneller und einfacher läuft. Guanxi ist nicht alles, aber ohne Guanxi funktioniert in China nichts.
In welchen Regionen sehen Sie die besten Chancen?
Das Fertigungsniveau ist regional sehr unterschiedlich. Allgemein sollte der Schwerpunkt nicht auf hochtechnischen Sonderanfertigungen liegen, sondern auf der Erfüllung der getroffenen Qualitätsvereinbarungen, großer Fertigungstiefe sowie Lieferbereitschaft und -flexibilität durch die enge Zusammenarbeit mit lokalen Lieferanten.
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