Robotik | Klassische Industrieroboter und Werker sind durch Sicherheitszäune voneinander getrennt – und das muss auch so sein. Die Roboter der nächsten Generation sind allerdings für die Zusammenarbeit mit dem Menschen konstruiert. Experten finden diese Entwicklung richtig gut. ❧ Uwe Böttger
Als die ersten Roboter in den 70er-Jahren bei den großen Autobauern installiert wurden, stiegen Mitarbeiter nachts in die Fabrik ein und kappten die Versorgungskabel der stählernen Konkurrenz. Die Werker hatten Angst, dass mit den neuen Maschinen ihre Jobs wegrationalisiert werden. Erst später haben die Arbeiter erkannt, dass es besser ist, wenn eine Maschine die schweren Schweißzangen herumwirbelt. Und der Mensch kann für Dinge eingesetzt werden, die weniger auf die Knochen gehen.
Das Schweißen ist bis heute ein Haupteinsatzgebiet des klassischen Industrieroboters. Die starren und schweren Roboter sind allerdings nicht für die Zusammenarbeit mit dem Menschen entwickelt worden, denn sie sind sehr starke und potenziell gefährliche Maschinen.
Die Roboter der nächsten Generation wurden von Anfang an für die Zusammenarbeit mit dem Werker entworfen und sind ungleich sicherer. Die Modelle sind leicht gebaut, können fühlen und sind nachgiebig gegenüber ihrer Umgebung. Es müssen aber noch andere Probleme gelöst werden, bevor jegliche Gefahr ausgeschlossen werden kann. Eine besondere Rolle spielen dabei die Endeffektoren des Roboters und das Werkstück, dass bearbeitet werden soll. Gibt es hier zum Beispiel scharfe Kanten, dann müssen zusätzliche Schutzmaßnahmen getroffen werden. Die Entwickler sind auf einem guten Weg, diese Probleme in den Griff zu bekommen.
Die künftige Zusammenarbeit zwischen Mensch und Roboter hat viele Vorteile für die mittelständische Produktion. Natürlich muss so ein technischer Wandel entsprechend kommuniziert und den Arbeitern die Vorteile dieser neuen Möglichkeiten aufgezeigt werden. Beispiele aus der Industrie zeigen, dass heutige Belegschaften bereits sehr aufgeschlossen sind. Vermutlich auch wegen der allgemeinen Technisierung des Alltags. Die potenziellen Chancen werden klar erkannt und sogar geschätzt.
Doch warum sollen eigentlich Mensch und Roboter zusammenarbeiten? Welche Vorteile ergeben sich daraus? Grundsätzlich können mit dem neuen Team Arbeiten wieder in Deutschland stattfinden, die schon vor langer Zeit in Billiglohn-Länder ausgelagert wurden. Generell werden die Kosten in der Fertigung gesenkt und der Produktionsstandort Deutschland dadurch gestärkt. Durch die Kombination von feinfühligen Robotern und dem Expertenwissen des Menschen ist eine völlig neue Art der Automatisierung denkbar, die flexibler, schneller und hochwertiger ist als die bisherige. Außerdem können Roboter durchaus die Arbeitsplatzqualität steigern, indem sie ergonomisch schwierige Aufgaben übernehmen. Der Mitarbeiter wiederum kann sich mit höherwertigen Aufgabenstellungen beschäftigen wie zum Beispiel der Prozessüberwachung. Langfristig wäre es sogar möglich, in Kleinstbetrieben auf diese Weise zu arbeiten, da Roboter ohne Schutzzaun erschwinglich sind.
Arbeitsabläufe, die eine hohe Flexibilität erfordern, würden stark von der Zusammenarbeit profitieren. Dort lässt sich die Interaktionsfähigkeit des Roboters optimal mit den Fähigkeiten des Menschen kombinieren. Immer wiederkehrende Prozessschritte, die ermüdend und dadurch fehleranfällig sind, übernimmt der Roboter. Und Arbeitsschritte, die mehr Expertenwissen erfordern und das der Roboter nicht hat, übernimmt der Mensch. Im Grunde gibt der Mensch dem Roboter den Arbeitsplan vor, der dann gemeinsam ausgeführt wird. Je nach Tätigkeit arbeitet der Roboter dem Menschen direkt zu. Alternativ kann ein Arbeiter eine ganze Zelle mit mehreren Robotern überwachen und nur im Fehlerfall sicher eingreifen. Es muss nicht wie bisher die gesamte Anlage abgestellt werden. Die Anwendungsfelder sind vielfältig. Sie reichen von der Montage in der Großindustrie bis hin zur professionellen Servicerobotik im Krankenhaus.
Die Kooperation zwischen Mensch und Roboter ist in jedem Fall ein Zukunftsthema. Die bisherigen Ansätze und Applikationen sind erst der Anfang. Interagierende Roboter werden als alltägliche Helfer im engen Kontakt mit den Menschen und in vielen Lebenslagen unterstützend tätig sein. Sicher auch in Bereichen, die heute noch gar nicht abzusehen sind. Wichtig ist dabei die Frage, wie wir gesellschaftlich und rechtlich mit der steigenden Autonomie von Robotern umgehen.
Aus wissenschaftlicher Sicht ist die flächendeckende Kooperation zwischen Mensch und Roboter auch die einmalige Möglichkeit, dass Roboter vom Menschen im großen Stil lernen und so immer komplexere Fähigkeiten entwickeln können. Der Mensch wiederum profitiert langfristig von den neuen Anwendungen und Lösungsansätzen. Generell wird das Thema nicht nur die Automatisierung revolutionieren, sondern auch den Durchbruch in der aufkommenden Servicerobotik befeuern.
Derzeit wird in der Robotik-Forschung insbesondere die Lernfähigkeit von Robotern bei der Zusammenarbeit mit dem Menschen verfolgt. Die daraus resultierenden Methoden werden in Zukunft komplexe Anwendungen ermöglichen, die heute noch nicht machbar sind. Roboter werden akkumuliertes Wissen aus vergangenen Prozessen nutzen, um ihre eigene Leistungsfähigkeit zu verbessern. Sie werden durch neue, automatische Planungsmöglichkeiten viel intuitiver und proaktiver mit dem Menschen interagieren können. Derzeit ist das eher ein iterativer Prozess, der vom Menschen getrieben wird.
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