Startseite » Allgemein »

Das Werkzeug kontrolliert den Werker

Schraubverbindungen: In fünf Stufen zur Null-Fehler-Montage
Das Werkzeug kontrolliert den Werker

Die Sicherheit von Schraubverbindungen lässt sich in fünf Stufen gliedern – von der reinen Drehmomentgenauigkeit bis zur Null-Fehler-Montage. Der Anwender muss entscheiden, welche Stufe er benötigt.

Arnold G. Stapel ist Journalist in Hückelhoven

Auf dem Weg zur Null-Fehler-Montage hat der Industriewerkzeughersteller Atlas Copco Tools Central Europe GmbH, Essen, fünf Stufen der Prozesssicherheit beim Schrauben ausgemacht. Dabei heißt „null Fehler“ nicht, dass keine Fehler gemacht werden, sondern dass kein fehlerhaftes Produkt die Werkshalle verlässt. Welche Stufe jeweils nötig ist, entscheidet der Anwender.
Prozesssicherheit senkt die Kosten. Mit jeder Fertigungsstufe, in der man einen Fehler später entdeckt, wird er um das Zehnfache teurer. Ganz zu schweigen von dem Imageverlust, wenn ein Montagefehler erst beim Kunden auffällt.
Die Automobilindustrie arbeitet nur mit drei Schraubklassen: sicherheits-, funktions- und kundenkritischen Verbindungen. Kritisch also ist jede. Einige Autobauer unterscheiden gar nur zwischen Schraubverbindungen, die – wegen der Produkthaftung – dokumentiert werden, und solchen, die nicht dokumentiert werden.
Stufe 1
Die erste Stufe in der Prozessabsicherung ist ein genau anziehender, selbsttätig abschaltender Schrauber – in der Regel ein Druckluft-Drehschrauber oder ein Impulsschrauber. Praktisch alle marktgängigen Produkte bieten eine ausreichend hohe Anziehgenauigkeit. Damit ist allerdings nur das Anziehmoment unter Kontrolle, nicht jedoch der komplette Schraubprozess.
Stufe 2
Wer mit Druckluft-Abschaltschraubern montiert und eine einfache Prozesskontrolle wünscht, der kann mit einem so genannten Schraubcontroller den Abschaltvorgang überwachen. In Kombination mit einem Winkel-, Pistolen- oder Stabschrauber überwacht dieser neben dem Drehmoment auch, ob wirklich alle Schrauben angezogen wurden. Einige Controller warnen sogar, wenn der Luftdruck im Leitungsnetz unter den Sollwert abfallen sollte, bei dem die Anziehgenauigkeit gewährleistet ist.
Stufe 3
Die dritte Stufe setzt gesteuerte Elektroschrauber voraus. Doch müssen es noch keine mit extra Messwertgebern für Drehmoment und Drehwinkel sein. Hier genügt beispielsweise die neue Gattung stromgesteuerter Elektroschrauber, welche digital über einen Algorithmus aus Strom, Spannung, Drehzahl und Temperatur ihres Servomotors gesteuert werden. Solche Schrauber überwachen den Anziehvorgang – bis zur Kopfauflage sogar drehwinkelkontrolliert – sowie Mann und Werkstück. Eine vergessene Schraube gibt es nicht. Auch ein fehlerhaftes Gewinde wird vom Schrauber entlarvt.
Nur, wenn alle Schrauben korrekt angezogen sind, gibt die Schraubersteuerung in Abstimmung mit der SPS der Bandsteuerung das Werkstück frei und nur dann kann der Werker oder die Maschine einen neuen Schraubzyklus beginnen.
Stufe 4
Für wirklich kritische Schraubverbindungen ist mindestens die Prozesssicherheit der Stufe 4 nötig. Hier genügt nicht mehr, dass alle N.i.O.-Verschraubungen entdeckt werden. Auch die Zykluskontrolle, also das Zählen der I.O.-Verschraubungen, reicht nicht aus. Heute ist es selbstverständlich, alle sicherheitskritischen Schraubfälle mit ihren Anziehwerten – Moment und Winkel – zu dokumentieren.
Neben der 100%igen Dokumentation der Anziehwerte ist zur Prozesssicherung auch wichtig, dass der Werker ein optimales Feedback bekommt. Dazu dienen LED am Schrauber selbst. Sie zeigen an, ob die Verschraubung innerhalb der Soll-Werte erfolgte (in Ordnung = i. O.) oder fehlerhaft ist (nicht in Ordnung = n. i. O.). Moderne Schraubelektroniken bieten dazu etliche Möglichkeiten des akustischen und optischen Feedbacks zum Werker. Wann welche Nuss zu nehmen ist, erfährt er beispielsweise über einen elektronischen Steckschlüssel-Selektor. Barcode-Leser vermeiden Fehler bei der Dateneingabe.
Die Schraubersteuerungen der neuen Generation verfügen zur intelligenten Prozessüberwachung über integrierte SPC-Werkzeuge für statistische Auswertungen, Prozessdiagramme, Schraubkurven und Schraubfallanalysen. All das ist per Knopfdruck abrufbar und gilt für die Steuerungen von handgehaltenen Schraubern und Schraubautomaten gleichermaßen.
Schraubkurven und Analysen auf Knopfdruck abrufbar
Stufe 5
Schon in Stufe 4 ist ein 100 % sicherer Prozessablauf gewährleistet. Der Schritt in die Stufe 5, die höchste Stufe der Prozesssicherheit, macht die Schraubtechnik zum integralen Bestandteil des Fertigungsprozesses und des gesamten Business-Systems. Hier sind alle Schrauber, egal ob an Handarbeitsplätzen oder automatischen Montagestationen, eingebettet in den ständigen Datenaustausch mit einem übergeordneten Produktionsleit- und -steuersystem.
Eine Prozesssicherheit der Stufe 5, die Null-Fehler-Montage, ist kein Traum der Fertigungsingenieure mehr. Sie wird im Automobilbau als Leitindustrie schon praktiziert. Bei der Mercedes-A-Klasse zum Beispiel kommuniziert das DaimlerChrysler-Produktionsleit- und–steuersystem Plus im Werk Rastatt direkt mit allen Schraubern und stellt sicher, dass Fehlverschraubungen spätestens bis zum „Null-Fehler-Tor“ behoben sind.
In der gläsernen Fabrik der Volkswagen AG in Dresden kennt jeder Schrauber seine zu montierenden Bauteile. Er weiß genau, was er zu tun hat – auch wenn der künftige Phaeton-Besitzer noch kurz vorher ein Ausstattungsdetail geändert hat. Dazu ist das Tools-Net-Netzwerkprogramm von Atlas Copco in den SDOK-Server mit seiner Schraubdatendokumentation (SDOK) und den Fahrzeugdaten integriert. Es steht im permanenten Dialog mit dem Fahrzeuginformationssystem und dem Fehler-Informations-System Qualität (FIS-Q) von Volkswagen. Dieser Informationsfluss stellt sicher, dass der Werker immer den richtigen Schrauber nimmt. Sollte er sich vertun, wird er das umgehend vom SDOK-System erfahren. Dem übergeordneten Qualitätssicherungssystem berichtet der Schrauber auch, ob i. O. oder n. i. O. verschraubt wurde. So verlässt kein Fahrzeug mit Fehlern, und sei es auch nur einem, das Werk.
Ohne es zu ahnen, nimmt bereits der Autokäufer Einfluss auf die Schraubwerkzeuge, die sein Auto montieren werden. Sie wissen, welche Fahrzeugvariante er bestellt hat, mit Rechts- oder Linkssteuerung, mit Klimaanlage oder Schiebedach, welche Felgenart, Innenausstattung, Airbag-Konfiguration oder Motorvariante.
Die Werkzeuge erfahren das spätestens dann, wenn das Fahrzeug in Produktion geht. Hat sich der Autokäufer beispielsweise für Felgen mit Diebstahlsicherung entschieden, dann erfährt der Radschrauber das vom Leitsystem und verhindert, dass der Werker nur normale Radmuttern nimmt und die eine mit Schloss vergisst. Er wird auch nicht vergessen, den passenden Steckschlüssel zu wählen; das System würde es bemerken und ihn stoppen.
Die voll vernetzte Montage erlaubt eine prozesssichere Werkerführung. Durch eine ins Netz integrierte Mensch-Maschine-Schnittstelle wird der Werker am Phaeton von Verschraubung zu Verschraubung geführt und weiß immer genau, was zu tun ist. Ansonsten sähe er auch auf dem Monitorbild der Schraubersteuerung, welche Verbindungen als nächste anzuziehen sind. In Zeiten der Job-Rotation ist das eine feine Sache.
Industrieanzeiger
Titelbild Industrieanzeiger 5
Ausgabe
5.2024
LESEN
ABO
Newsletter

Jetzt unseren Newsletter abonnieren

Webinare & Webcasts

Technisches Wissen aus erster Hand

Whitepaper

Aktuelle Whitepaper aus der Industrie

Unsere Partner

Starke Zeitschrift – starke Partner


Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de