Startseite » Allgemein »

Die Branche hat technisch wie organisatorisch Defizite

Special Tooling in Deutschland: Doppelte Durchlaufzeit, halbe Qualität?
Die Branche hat technisch wie organisatorisch Defizite

Deutsche Formenbauer sind langsam geworden. Die Euromold zeigt Technik und Innovation, die die Betriebe wieder auf den Stand bringt.

Von Chefreporter Wolfgang Fili chefreporter@fili.net

Wer die Durchlaufzeiten kurz halten will, sollte sich vorher die Zeit für ausgiebiges Planen nehmen. Wie eine im Oktober auf dem Aachener Kolloquium für Werkzeug- und Formenbau vorgestellte Studie zeigt, sind deutsche Special Tooler nicht zwingend die Schnellsten. Die Untersuchung hatte vier US-amerikanische Betriebe zwei japanischen und einem deutschen Unternehmen gegenübergestellt. Während die Japaner im Schnitt nach 20 Wochen liefern konnten, ließen sich die Amerikaner 35 und der Wettbewerber aus Deutschland gar 67 Wochen Zeit.
So isoliert die Betrachtung sicher ist, und so verzerrt das Ergebnis sein mag, ist der Blick auf das unterschiedliche Handling der Aufträge dennoch interessant. So lag das deutsche Unternehmen gegenüber den Japanern rund 25 Wochen mit der Bearbeitung und Montage zurück, sowie weitere 20 Wochen mit Versuchen und dem Einfahren der Werkzeuge. Hingegen waren die Abläufe für die Konstruktion und Vorbereitung in etwa vergleichbar. Trotzdem ist das Ergebnis unter dem Strich vernichtend.
Peter Meyer, Einkaufsleiter des Geschäftsbereichs AE bei Bosch in Reutlingen, sieht dies ähnlich: „Ein Vergleich mit europäischen und asiatischen Lieferanten von Guss- und Stanzwerkzeugen hat ergeben, dass die Durchlaufzeiten in Deutschland gut doppelt so lang sind.“ Während die Werkzeuge in Japan im Schnitt nach 16 Wochen fertig seien, brauchten die Deutschen Kollegen derzeit um die 36 Wochen. Die Konsequenz in der Auftragsvergabe ist ebenso hart wie logisch. Meyer: „Angesichts der ohnehin knappen Entwicklungszeiten, die uns heute zur Verfügung stehen, sind diese 20 Wochen ein entscheidender Vorteil.“
Die Gründe für den deutschen Time-Lag sind strukturell und haben nur indirekt mit dem oft zitierten Mangel an qualifiziertem Fachkräften zu tun. So hatte die Benchmarking-Analyse der Reutlinger gezeigt, dass in fernöstlichen Betrieben unmittelbar nach Eingang des Auftrags mit der Konzeption und Konstruktion begonnen wird. In Deutschland dagegen bleibt die Order zunächst zwischen vier und acht Wochen liegen. Schuld daran sei meist die interne Kapazitätsplanung.
Aufträge bleiben erst einmal mehrere Wochen liegen
Hinzu kommt, das Nippons Söhne den kompletten Konstruktions- und Fertigungsprozess über PPS-Systeme sowie anschließend mit Software für die Werkstattebene so geschickt durchplanen, dass kaum noch Liegezeiten entstehen. Der standardisierte, weitgehend modulare Aufbau der Werkzeuge und ein schlüssiger Bearbeitungsprozess hilft, weitere Zeit zu sparen.
Ein weiteres, grundsätzliches Handicap deutscher Unternehmen ist, dass sie Werkzeuge für Kleinserienproduktion durchweg nach den gleichen Regeln auslegen wie solche für große Teilemassen. Wenn eine Form für 60 000 Teile Jahresausstoß genau so dimensioniert ist, wie ein Tool für 600 000, stützt dies zwar den Mythos von der deutschen Wertarbeit, ist für den Kunden jedoch preislich uninteressant. Die asiatischen Special Tooler – so hat Bosch-Mann Meyer festgestellt – arbeiteten demgegenüber mit wechselnden Konzepten und können dadurch nicht nur billiger liefern, sondern auch schneller und teils in besserer Qualität.
Der Lernauftrag aus solchen Vergleichen kann nur lauten: Kopieren, sich messen und technisch wie organisatorisch wieder auf den Stand der Besten kommen. Prof. Günter Schuh, Direktor des Werkzeugmaschinenlabors an der RWTH Aachen, bringt das Defizit vieler deutscher Werkzeug- und Formenbauer auf den Punkt: Viele von ihnen lieferten zwar High-Tech-Produkte, arbeiteten selbst jedoch immer noch mit konventioneller Technik und wenig innovativen Methoden.
Sicher: Inmitten wirtschaftlicher Flauten sind Investitionen ein betriebswirtschaftlich wie strategisch heißes Eisen. Dennoch lohnt ein Studium der auf der Euromold vorgestellten Innovationen unbedingt. Jede von ihnen hilft, die Prozesskette und damit die Durchlaufzeiten ein weiteres Stück abzukürzen.
So werde die Leistungsfähigkeit der Steuerung als Mensch-Maschine-Schnittstelle mit der Einführung des Prozessor-Typs Risc Power PC beträchtlich erhöht, versichert Frank Schneider. Der Verkaufsleiter der Dreieich-Sprendlinger Fidia GmbH (Halle 8, Stand O10) berichtet, dass alle CNC der neuen Produktlinie mit dieser CPU ausgerüstet sind. Außerdem sei die Reihe der C-Steuerungen um ein neues Modell erweitert worden. Die C10 hat ein neues Front-End, das auf der Euromold Premiere feiert. Die Hardware der neuen Steuerun-gen arbeitet mit einem einen Pentium-4-Prozessor mit 1,7 GHz und 512 MB Arbeitspeicher, einer Grafikkarte mit mindestens 32 MB Speicherkapazität sowie einer 100-MB/s-Netzwerkkarte. Softwareseitig basiert das Benutzer-Interface der Steuerungen auf Windows XP und bietet eine verbesserte Programmierumgebung wie etwa das Importieren von Files im DWG/DXF-Format, der Simulation ganzer Prozeduren sowie die automatische Erkennung von Restmaterial. Auch bei der Integration der CNC- und CAM-Umgebung zeigt Fidia Technik, die die Durchlaufzeiten in kleinen Schritten senken könnte. So müssen die Parameter für die Berechnung der Werkzeugbahn nicht mehr manuell festgelegt werden. Vielmehr erledigt dies jetzt automatisch die CNC-Steuerung.
Rolf Röhm, Marketing-Chef bei der Denkendorfer F. Zimmermann GmbH (Halle 8.0, Stand K84) kennt das Dilemma insbesondere der deutschen Werkzeug- und Formenbauer: auf der einen Seite ein davontrabender Wettbewerb, auf der anderen keine Auftragsphantasie, die eine grundlegende Erneuerung der Fertigungstechnik erleichtern würde. Vor diesem Hintergrund sei die neue Portalfräsmaschine FZ 32 denn auch eine vernünftige technische Lösung zum günstigen Preis. Sie komme zum rechten Zeitpunkt auf einen unsicheren Markt, sagt Röhm: „Schlussendlich zählen nur die Stückkosten pro Bauteil.“ Lediglich ein günstiger Maschinenstundensatz in Verbindung mit exzellenten Oberflächengenauigkeiten führe zu Neu- oder Folgeaufträgen. Die Maschine wird erstmals auf der Euromold vorgestellt und anschließend an den Endkunden – einen schwäbischen Modell- und Formenbauer – ausgeliefert.
Große Zentren sind für viele Jobs zu teuer
Konzipiert ist die FZ32 zum schnellen, fünfseitigen Schruppen und Schlichten von Aluminium und dem Schlichten von Stahl. Die Leistungsfähigkeit liegt zwischen der der Schwesternmaschinen FZ30 und FZ 37. Trotz hoher Struktursteifigkeit hielten die Techniker die bewegten Massen gering. Den technischen Rückhalt dazu bekamen sie auch diesmal vom Institut für Statik und Dynamik an der Universität Stuttgart.
Das Herzstück der Maschine ist der zweiachsige Fräskopf AC2A mit 1000 Nm Antriebsmoment in beiden Rundachsen, Frässpindel-Drehzahlen bis 28 000 min-1 und einer HSK-63A-Werkzeugaufnahme. In allen fünf Achsen werden direkte Messsysteme verwendet. Die bewegten Massen wurden so ausgelegt, dass hohe Beschleunigungen innerhalb einer wirtschaftlichen Gesamtlösung möglich sind. Zu Deutsch: Die Maschine soll hohen Nutzen bei den geringst möglichen Kosten bringen – die Kundschaft wird’s nicht ungern hören. Die Maschine ist komplett umhaust. Zugang bietet sie über zwei Schiebetore an der Stirnseite. Sicherheitsfenster geben Einblick in den Arbeitsraum. Optionen sind Minimalmengenschmierung und Kühlmitteleinrichtung extern oder durch das Werkzeug, sowie Späneförderer, Werkzeugwechsler und -vermessung. Als Steuerung sind CNC von Fidia, Heidenhain oder Siemens vorgesehen.
Andreas Lindner vom Limburger Vertriebs- und Servicehaus Danobat Bimatec GmbH nennt ein weiteres Problem vieler Formenbauer: Große Fräsmaschinen und Zentren bearbeiten oft Teile, für deren Format sie schlicht überdimensioniert sind. Damit sei zum einen die Bearbeitung weiterer Großteile blockiert – insofern ergibt sich für die Betriebe ein Kapazitätsproblem –, zum anderen seien die Maschinen mit ihrem Stundensatz aber auch zu teuer, um mit kleineren Anlagen konkurrieren zu können. Als klassischen Fall nennt der Limburger Verkaufschef die Fertigung überschaubar großer Teile wie die Formen von Pkw-Stoßfängern.
Mit der Bettfräsmaschine TA-20 nimmt sich sein ebenfalls zur spanischen Danobat-Gruppe gehörender Lieferant Soraluce dieses Problems nun an. Mit 2000 mm x 800 mm Tischmaß, X-, Y- und Z-Verfahrwegen von 2000, 800 und 800 mm und 22 kW Antriebsleistung bringt Danobat Bimatec erstmals ein System unter 1,5 m³ Arbeitsraum auf den Markt. Die Arbeitsspindel der Maschine tourt mit 20 bis 3000 min-1, die Eilgangsgeschwindigkeit in den drei linearen Achsen liegt bei 20 m/min. Damit ist sie nicht die schnellste ihrer Klasse. Aber das soll sie laut Lindner auch gar nicht sein: „Das große Plus der TA-20 sind ihr robuster Aufbau und ihre Dynamik. Damit sind sowohl die Schwerzerspanung möglich, als auch Schlichtvorgänge mit hoher Genauigkeit.“
Unsere Webinar-Empfehlung
Industrieanzeiger
Titelbild Industrieanzeiger 6
Ausgabe
6.2024
LESEN
ABO
Newsletter

Jetzt unseren Newsletter abonnieren

Webinare & Webcasts

Technisches Wissen aus erster Hand

Whitepaper

Aktuelle Whitepaper aus der Industrie

Unsere Partner

Starke Zeitschrift – starke Partner


Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de