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Die kleinen Weltmeister

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Die kleinen Weltmeister

bild der wissenschaft und der Industrieanzeiger starten eine gemeinsame Rubrik. Sie beleuchtet Technologien und Unternehmen, die weniger bekannt sind, aber auf dem Weltmarkt oftmals führend.

Airbag, Fernseher, Zündkerze und das MP3-Format – eine Fülle von Produkten, die aus dem Alltag nicht wegzudenken sind, haben Deutsche erfunden. In Deutschland werden nach den USA und Japan die meisten Patente pro Jahr angemeldet. Im Vergleich zu Großbritannien oder den USA steht der Produzierende Sektor in der deutschen Volkswirtschaft eindeutig am besten da. Bei Premiumautomobilen, bei der Nutzung erneuerbarer Energiequellen sowie auf vielen Gebieten des Maschinenbaus ist die Bundesrepublik Nummer eins in der Welt. Viele Innovationen kommen dabei nicht aus großen Konzernen, sondern aus kleinen oder mittelgroßen Unternehmen. Bei der Nutzung der Windkraft, der Entwicklung der Photovoltaik und der energetischen Umwandlung von Biomasse waren es vor allem kleinere Unternehmen, die Deutschland an die Weltspitze geführt haben. Auch bei Spezialteilen für Anlagen und Maschinen, neuen Werkstoffen, Verfahren für den Werkzeugbau sowie Sicherheitstechnologien tüfteln diese – oft mit sehr knappen finanziellen Ressourcen – wieder und wieder Produkte aus, die ihnen der Weltmarkt aus den Händen reißt.

So stellt das Unternehmen Carl Stahl aus Süßen Feinseile her, die in vielen Druckern und Kopierern stecken. Außerdem sind sie in Millionen Autos Teil des Türschlosses. Invent in Braunschweig entwickelt Faserverbundwerkstoffe etwa für Raumfahrtsysteme. Und das Schwanauer Unternehmen Herrenknecht baut riesige Tunnelbohrmaschinen, manche davon 70 Meter lang, mit denen in der ganzen Welt Tunnelröhren gebohrt werden – auch für den neuen 25 Kilometer langen Gotthardtunnel in der Schweiz. Hand aufs Herz: Hätten Sie eines dieser Unternehmen gekannt?
In der Rubrik „Hidden Champions“ stellen wir Produkte, Verfahren und Technologien vor, die überraschende Perspektiven an Innovationskraft zeigen. Wir präsentieren die Unternehmen dahinter. Die Beiträge entstehen in Zusammenarbeit mit der Zeitschrift „bild der wissenschaft“ mit einer verkauften Auflage von knapp 110 000 Exemplaren. bdw informiert monatlich über das Wichtigste aus Wissenschaft und Technik.
Ralf Butscher Redakteur bild der wissenschaft

Flaschen und Herzmassagen

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Spektakuläre Maschinen funktionieren nur, weil sie aus vielen, oft unscheinbaren Elementen zusammengesetzt sind. Kunststoffgleitlager von Igus sind ein Beispiel.
Im Sekundentakt fallen die kleinen, hohlen Plastikzylinder aus der Spritzgießmaschine in eine Box. Manche sind schwarz, andere weiß, manche so groß wie ein Tennisball, andere schlanker als eine Kugelschreibermine. Allen gemein ist: Spektakulär sehen sie nicht aus. Doch für unzählige Maschinen auf der ganzen Welt sind die Kunststoffgleitlager, die im Kölner Werk der Igus GmbH hergestellt werden, unersetzlich. So auch für den Dortmunder Hersteller von Verpackungs- und Abfüllanlagen KHS. Bis zu 1000 Kunststoffgleitlager sind in jeder Abfüllanlage verbaut. Sie sorgen dafür, dass sich Metallstangen und -zylinder wie geschmiert in einer Lagerung drehen oder hin- und herbewegen können – etwa der Zylinder, der die leeren PET-Flaschen zum Füllstutzen nach oben hebt. Die Lager müssen Reinigungsmitteln widerstehen, Temperaturen bis zu 140° C aushalten und über 6000 Stunden Dauerbetrieb überstehen. Und vor allem: Sie müssen ohne zusätzliches Fetten auskommen – also wartungsfrei sein. Diese Anforderungen erfüllen Gleitlager aus Metall nicht. Dazu braucht man speziell präparierten Kunststoff.
„Die Rezepturen für die Kunststoffgleitlager sind das Kapital unserer Firma“, sagt Igus-Produktmanager René Achnitz. Sie sind so geheim, dass sie von dem Unternehmen nicht einmal zum Patent angemeldet werden, weil sie dann offen gelegt und auch für Nachahmer dokumentiert werden müssten. Mehr noch: Kein anderes Unternehmen hat so viele unterschiedliche Gleitlager im Programm wie Igus. Und diese Produkte sind in Losgrößen von eins bis in die Tausende innerhalb eines Tages lieferbar.
Kunststoffgleitlager helfen sogar, Leben zu retten – etwa in dem Reanimationsgerät „Animax“, das der Ingenieur und Rote-Kreuz-Helfer Stefan Seßler aus dem schwäbischen Albstadt entwickelt hat. Animax erleichtert die Herz-Lungen-Wiederbelebung. Bisher mussten Rettungshelfer bei einer Herzmassage kräftig zupacken. Die regelmäßigen Druckhübe auf den Brustkorb, die mit bloßen Händen erfolgen, ermüden die Helfer nach wenigen Minuten. Nicht zuletzt deshalb überleben bei außerklinischen Reanimationen nur fünf Prozent der Patienten. Animax soll diese Quote steigern – auch dank der darin enthaltenen 25 Kunststoffgleitlager. Nach einem einfachen Hebeldruck führt das Gerät 30 Hübe auf den Brustkorb und zwei Beatmungen aus – so wie es eine EU-Richtlinie empfiehlt. „Wir haben zuerst metallische Lager mit Gleitschicht ausprobiert“, berichtet Erfinder Seßler, „doch deren Abrieb war zu groß.“ Die Lager aus Kunststoff waren dem Metall überlegen – was beweist, dass Kunststoff eben doch mehr als Plastik ist.
Konstantin Zurawski Ehemaliger Praktikant bdw, Student des Technikjournalismus in Bonn

Hidden Champions

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nennt man sie auch – Unternehmen, die mit unscheinbaren Produkten den Weltmarkt dominieren. Diese Doppelseite präsentiert Ihnen ein Beispiel in drei Segmenten: die Anwendung, die Technologie, das Unternehmen.
Eine gemeinsame Rubrik von

Wie geschmiert: Kunststoffgleitlager

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Gleitlager kommen meist dann zum Einsatz, wenn sich eine Stange oder ein Zylinder, im Fachjargon Welle genannt, entweder dreht (radiale Bewegung) oder vor- und zurückschiebt (lineare Bewegung). Die Welle steckt in einem Loch, der Bohrung. Damit sie sich dort möglichst reibungsfrei bewegen kann, ist sie nicht direkt auf dem Material der Bohrung gelagert, sondern in einem Gleitlager. Das ist so beschaffen, dass bei der Bewegung nur wenig Abrieb und Wärme entstehen. Neben Gleitlagern gibt es auch Wälzlager – Kugellager, wie man sie vom Fahrrad oder von Inline-Skates kennt. Für schnelle Bewegungen sind sie zwar besser geeignet als Gleitlager. Aber sie nehmen mehr Platz ein, sind teurer, anfälliger für Schmutz und erlauben keine linearen Bewegungen.
Die Lager von Igus bestehen aus einem Spezial-Polymer sowie einem Verbundmaterial und festen Schmierstoffen. Welche Kunststoffe verwendet werden, verrät das Unternehmen nicht. Die beigemischten Festschmierstoffe sorgen dafür, dass sich die Gleitlager selber schmieren. Das funktioniert so: Nachdem die Rohmasse gemischt ist, wird sie in einer Spritzgießmaschine aufgearbeitet. Dabei schmelzen die Bestandteile der Materialmischung. Es entsteht eine homogene Masse. Der Festschmierstoff ist nach dem Aufbereiten gleichmäßig im Gleitlager verteilt. Er verschafft dem Gleitlager einen sehr niedrigen Reibungswert. Reibt in einer Maschine eine Welle auf dem Lager, wirkt das so, als ob sie mit Fett geschmiert wäre.

Igus kurz und knapp…

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Die Geschichte der Igus GmbH begann in einer Doppelgarage im Kölner Vorort Mülheim. Dort fabrizierte das Ehepaar Günter und Margret Blase Zubehör für komplexe technische Kunststoffteile. Erst rund 20 Jahre später begann das Unternehmen – mit Frank Blase, dem Sohn der beiden Firmengründer, an der Spitze –, sich auf die Fertigung eigener Produkte zu konzentrieren: Energieführungssysteme und Kunststoffgleitlager. Die Energieführungssysteme – bewegliche Führungsschienen, in denen beispielsweise Stromkabel verlegt sind – tragen rund 70 % zum Umsatz bei. Die Fertigung von Kunststoffgleitlagern macht den kleineren Teil des Geschäfts aus. Doch sie wird zunehmend wichtiger, da es immer mehr Anwendungen für die Plastikzylinder gibt. Die Ingenieure des Unternehmens entwickeln Jahr für Jahr über 100 neue Kunststoffverbindungen und testen sie in einem eigenen Versuchslabor unter verschiedensten Bedingungen. Für die jährlich rund 8000 Experimente steht den Igus-Ingenieuren auch eine Klimakammer zur Verfügung. Darin lassen sich selbst arktische oder tropische Bedingungen simulieren.
Das Geschäft läuft gut: Seit 2002 hat sich der Umsatz verdoppelt. Das Unternehmen stellt ständig neue Mitarbeiter ein.
  • Gründung: 15.10.1964
  • Unternehmensleitung: Frank Blase (Geschäftsführer) Harald Nehring Gerhard Baus
  • Mitarbeiter: 1450
  • Umsatz 2006: 230 Mio. Euro, weltweit 26 Niederlassungen und 50 Stützpunkte in 21 Ländern
  • Internet: www.igus.de
  • E-Mail: info@igus.de
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