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Die Maschinen rüsten sich selbst

Spelsberg reduziert Rüstzeiten durch den Einsatz eines ERP-Systems
Die Maschinen rüsten sich selbst

Industrie 4.0 | Die Vision einer smarten Produktion nimmt bei vielen Unternehmen konkrete Züge an. Wie der Einstieg am besten gelingt, zeigt Spelsberg. In einem Pilotprojekt vernetzte der Hersteller seine Produktion schon früh mit einem ERP-System und reduzierte so die Rüstzeiten um ein Sechstel.

„Industrie 4.0 ist machbar und hat einen hohen Nutzwert – man muss den Weg nur konsequent gehen“, ist Karsten Dettmers, IT-Leiter bei Günther Spelsberg, überzeugt. Das nordrhein-westfälische Unternehmen produziert Lösungen im Bereich der Elektroinstallations- und Gehäusetechnik. Um die hohen Qualitätsansprüche der Photovoltaik- (PV) Kunden einhalten zu können, hat das Unternehmen bereits 2007 eine erste Form der Verknüpfung von einem Enterprise Ressource Planning- (ERP) System und der Maschine geschaffen. Während der Fertigung von PV-Anschlussdosen flossen alle Messdaten und Bilder aus dieser Produktionslinie in das ERP-System von Proalpha und wurden dort direkt beim zugehörigen Produktionsauftrag hinterlegt. Damit konnte der Hersteller für jede Anschlussdose belegen, dass sie fehlerfrei ausgeliefert wurde.

Heute stellt das Unternehmen in seinen Werken täglich 150 000 Kunststoffgehäuse für die Elektrotechnik und Industrie her. Während im thüringischen Buttstädt die Serienproduktion erfolgt, orientiert sich das Hauptwerk in Schalksmühle zunehmend an individuellen Kundenwünschen – etwa aus dem Maschinenbau. Dort sind kleinere Losgrößen, mehr Auftragswechsel und steigende Rüstzeiten gefragt – und damit wächst der Druck auf die Produktivität.
Um dem entgegenzuwirken, setzte sich das Unternehmen zum Ziel, die Automatisierung in der Fertigung für alle Bereiche voranzutreiben. Im ersten Schritt wollten die Verantwortlichen das ERP-System so mit den Anlagen kommunizieren lassen, dass sich die Maschinen auftragsspezifisch selbst rüsten, sobald die Bediener den Auftrag gestartet haben. Hierfür galt es zunächst, die Möglichkeiten der smarten Fertigung zu prüfen und Erfahrungen zu sammeln.
Den konkreten Anlass für ein Pilotprojekt gab eine neue Montagelinie, die seriell Gehäuse für Sicherungsautomaten fertigt. Die Gehäuse unterscheiden sich durch ihre Größe und verfügen entweder über eine offene oder eine geschlossene Stirnseite, in die Doppelmembranstutzen eingesetzt werden. Ein integriertes Belüftungssystem vervollständigt die Kästen.
Montage wird zum Industrie-4.0-Piloten
Erreichen die Automatengehäuse die Endmontage, übermittelt die Software die Auftragsdaten direkt an die Maschine. Für die Qualitätssicherung prüft eine integrierte Kamera zunächst die Größe des eingelegten Kastens. Die Maschine meldet einen Fehler, wenn sie nicht dem aktuellen Auftrag entspricht. Stimmt alles, wird eine Rückmeldenummer eingedruckt, um die Rückverfolgbarkeit zu gewährleisten. Je nach Kastentyp erfolgt dann der Einbau der Doppelmembranstutzen und die Montage des Belüftungselements an den Handarbeitsplätzen sowie die Ergänzung des Zubehörbeutels.
Im Pilotprojekt lief der Informationsaustausch über RFID-Chips, die auf Gehäusen und Deckeln angebracht wurden. Per RFID-Reader nahmen die Maschinen die Auftragsdaten entgegen. So „wusste“ die Maschine für die Deckelmontage beispielsweise, wie viele Schrauben sie in welcher Position am Deckel anbringen muss und justierte sich automatisch.
Allerdings ging das nicht ohne Hürden – die Lesegeräte hatten eine zu große Reichweite, so dass sie anfangs auch Daten erfassten, die nicht für sie bestimmt waren. Als sich per RFID-Signal etwa die Etikettiermaschine in Gang setzen sollte, rüstete sich stattdessen die Maschine gegenüber um. Erst als der Gerätehersteller den Reader entsprechend fein justierte, kamen die Signale an der gewünschten Maschine an.
Durch die Automatisierung reduzierten sich die Rüstzeiten pro Auftrag in Buttstädt auf ein Sechstel. Das sind fünf Minuten Ersparnis pro Rüstvorgang, durchschnittlich also eine Stunde pro Maschine auf den Tag gerechnet. „In unserem Pilotprojekt entspricht ein Los mindestens einer Palette mit maximal 70 Stück, es finden also nicht allzu viele Auftragswechsel statt“, erklärt Dettmers. „Anders ist das in Schalksmühle, wo wir teilweise über mehrere Schichten in Losgröße 1 fertigen. Hier wollen wir die RFID-Technik mit unseren Pilot-Erfahrungen gezielt nutzen. Jeder Kasten soll mit einem Smart Label versehen werden und darüber weite Teile der Maschine steuern, um den Kasten kundenindividuell zu fertigen.“
Was im Pilotprojekt noch auf den RFID-Tag geschrieben wurde, übermittelt jetzt eine LAN-Verbindung direkt an die Maschine – das vermeidet nicht nur Umwege, die Zeitersparnis schlägt bereits bei kleinen Serien zu Buche. Noch werden nur die Auftragsdaten aus dem ERP eingespeist. Künftig wird die Maschine selbst Rückmeldung geben, was mit welcher Taktzeit erledigt wurde.
Doch auch die LAN-Anbindung ist nicht ohne Herausforderungen, stellt der Anwender fest. Bisher war es nicht möglich, die Maschinensteuerung per OPC (Open Platform Communications) oder den Standard OPC UA anzusprechen, um Daten vom Server direkt zu übermitteln. „Der Standard ist bei unseren Maschinenherstellern noch nicht angekommen, da fehlt definitiv noch das Umdenken“, bedauert Dettmers. Der Datenaustausch zwischen dem OPC-Server und den Maschinen muss daher vorerst über ASCII-Dateien erfolgen. „Auf diese Weise sind wir in unserem Pilotprojekt schneller zum Ziel gekommen, obwohl eine elegantere Lösung technisch durchaus schon möglich wäre.“
Sechsmal so schnell gerüstet
Insgesamt ist der IT-Leiter mit dem Projekt zufrieden: „Die Erfahrungen, die wir gesammelt haben, sind unbezahlbar. Schon mit dem ersten Produkt wurde eine Stunde Rüstzeit pro Maschine eingespart. Das wird sich noch mehr summieren, wenn mehr Maschinen in das Industrie-4.0-Szenario eingebaut werden“, prognostiziert er. (nu)

Der Anwender
Das mittelständische Familienunternehmen Günther Spelsberg stellt Elektroinstallationssysteme, Industriegehäuse, Verbindungs- und Anschlusstechnik für die Photovoltaik- und Elektrobranche her. An seinem Firmensitz in Schalksmühle, nahe Wuppertal, seinem Werk in Buttstädt (Thüringen) und in den Tochterunternehmen in England, Dänemark, den Niederlanden, Spanien und Tschechien beschäftigt der Hersteller insgesamt 450 Mitarbeiter. 2014 erwirtschaftete die Firma rund 65 Mio. Euro.

Der Anbieter
Die Proalpha-Gruppe zählt in der DACH-Region zu den drei größten Anbietern von ERP-Lösungen für mittelständische Unternehmen in Fertigung und Handel. Das Softwareunternehmen entwickelt und vertreibt die eigene Anwendungssoftware zum Enterprise-Resource-Planning namens „proAlpha“. Mit mehr als 800 Mitarbeitern in weltweit 27 Niederlassungen erzielte der Dienstleister aus dem rheinland-pfälzischen Weilerbach 2015 einen Umsatz von mehr als 100 Mio. Euro.
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