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Druckluftbranche im Innovationsfieber

Alle Systemkomponenten werden auf Effizienz überprüft
Druckluftbranche im Innovationsfieber

In der Druckluftbranche bläst ein frischer Wind: Kompressoren- und Komponentenhersteller sind untereinander zum Wettrennen angetreten, wer in Hannover die Energie-sparendste Anlagentechnik zu bieten hat.

Von unserem Redaktionsmitglied Olaf Stauß olaf.stauss@konradin.de

Viele Hersteller halten sich vor der Messe äußerst bedeckt, welche Neuerungen sie präsentieren wollen. Das ist in diesem Jahr jedoch kein schlechtes Zeichen. Die Entwickler arbeiten bis zuletzt mit Hochdruck an ihren Produkten, trotz ungünstiger Konjunktur. In die Druckluftbranche ist Bewegung gekommen. Zwei Trends sind es, die für Schwung sorgen. Der eine stammt aus der Technik: Heute erlauben es moderne Steuerungen, die Komponenten einer Druckluftstation optimal aufeinander abzustimmen und so die Effizienz zu steigern. Web- und Datenübertragungs-Technologien ermöglichen es zudem, Anlagen aus der Ferne zu überwachen und ihre Verfügbarkeit zu steigern, ohne übermäßig viel Personal dafür einzusetzen.
Derartig ausgeklügelte und vernetzte Systeme sind vor allem für die großen Anbieter eine Chance. Sie bemühen sich daher, ihr Produkt-Portfolio auszuweiten und zu vervollständigen. Um als Systemanbieter wahrgenommen werden, hat die bisherige Atlas Copco Kompressoren GmbH zur Hannover Messe sogar umfirmiert und den Zusatz „und Drucklufttechnik” in den Firmennamen aufgenommen (Halle 27, Stand J36). Die Essener wollen damit zum Ausdruck bringen, dass zum Lieferprogramm alles gehört, was der Erzeugung, Aufbereitung oder Verteilung von Druckluft dient. Unter anderem stellen sie als Neuheit die Dienstleistung Airmonitoring vor – eine Fernüberwachung via Internet. Das korrespondierende System der Alup Kompressoren GmbH, Köngen, nennt sich Plant Control (Halle 27, Stand G21). In der Version V bietet es Einblick in alle Betriebsdaten der Anlage. In der Version T wird zusätzlich eine Datenübertragung über große Distanzen möglich: Entweder überwacht sich die Anlage selbst und meldet sich bei Bedarf per SMS in der Service-Zentrale, oder die Techniker loggen sich von dort ein, um Ferndiagnose zu betreiben.
Solche Technologien bieten großen Herstellern sogar die Möglichkeit, selbst als Betreiber aufzutreten und nur die Druckluft im Rahmen eines Contracting-Modells an ihre Kunden zu verkaufen. Dazu bauen sie selbst eine effiziente Anlage auf. Contracting kann sich daher sowohl für den Nutzer als auch den Betreiber rentieren. Langjährige Erfahrung damit hat zum Beispiel die Kaeser Kompressoren GmbH in Coburg (Halle 27, Stand G26). Die Franken tätigen nach eigenen Angaben schon heute 10 % ihres Umsatzes mit Contracting-Anlagen (die in der Regel fernüberwacht sind). Mit einer Steigerung dieses Anteils ist zu rechnen.
Ein weiterer Trend, der die Branche zu Höchstleistungen antreibt, beruht auf der Forderung nach mehr Energieeffizienz in der Druckluftversorgung. Jeder Fertigungsbetrieb könnte seine Stromkosten in der Druckluftversorgung im Schnitt um 33 % senken, besagt eine EU-Studie. Dabei geht es um riesige Einsparpotenziale. Dass dies immer mehr ins Bewusstsein der Fachwelt tritt, ist vor allem der Aktion „Druckluft effizient“ zu verdanken, die von VDMA, Fraunhofer-ISI und Deutscher Energie-Agentur vor zwei Jahren eigens auf der Hannover Messe ins Leben gerufen worden ist (Interview Seite 100). Seither arbeiten praktisch alle Hersteller der Branche an effizienteren Systemen und Komponenten. Wo sie schon eingeführt sind, werden die entsprechenden Baureihen ausgebaut.
Fernüberwachung macht Contracting attraktiv
Kaeser etwa fügt zu seinen Schraubenkompressoren BSD und CSD für 4 bis 10 m³/min die Reihe ASD hinzu, die den Lieferbereich 2 bis 5 m³/min abdeckt. Wie schon die größeren Versionen, bestehen die ASD-Maschinen aus einem direktgekuppelten Antrieb, der ohne Getriebe und Keilriemen auskommt. Optional lassen sie sich mit Drehzahlregelung und angebautem Kältetrockner ausstatten. Die Boge Kompressoren GmbH, Bielefeld, meldet einen Relaunch ihrer S-Reihe, die nun einen um 10 % höheren Volumenstrom liefern soll (Halle 27, Stand J07). Die Gardner Denver Kompressoren GmbH, Schopfheim, hat ihre VS-Baureihe von drehzahlgeregelten Schraubenkompressoren nach unten erweitert und bietet sie nun mit Antriebsleistungen von 7,5 bis 250 kW an (Halle 27, Stand J33). Um die Kosten transparent werden zu lassen, arbeitet Gardner Denver neuerdings mit einem Software-Tool, das die gesamten Lebenszykluskosten einer VS-Maschine ermitteln können soll.
Die Bedeutung drehzahlgeregelter Antriebe von Kompressoren nimmt immer mehr zu. Atlas Copco, Pionier in diesem Bereich, verwendet die energiesparende Antriebsart inzwischen auch für Turbogebläse. In Hannover soll das Gebläse ZSB HSD vorgestellt werden, das ölfreie Luft von 0,5 bis 1,7 bar Druck liefert und dessen Kapazität sich zwischen 1900 und 3800 m³/h stufenlos regeln lässt. Es kommt dort zum Einsatz, wo ein sauberer, pulsationsfreier Luftstrom benötigt wird, etwa für pneumatische Transporteinrichtungen oder für Kühl- und Trocknungsprozesse. Durch seinen Antrieb spare das Gebläse so viel Energie ein, dass es sich im Lauf seines Lebens selbst bezahlt macht, heißt es aus Essen.
So gut wie alle Kompressoren-Hersteller verfolgen zusätzlich die Linie, optional immer mehr Systemkomponenten in das Kompressorgehäuse zu integrieren. Auch damit lässt sich Energie einsparen. Denn allein schon der Wegfall von Rohrleitungen senkt die Druckverluste. Die Anlage braucht weniger Platz und der Installationsaufwand sinkt.
Als den „wirtschaftlichsten Schraubenkompressor, den es für Geld zu kaufen gibt“, führt Franz Beckmann die Neuheit ein, die sein Unternehmen Ingersoll-Rand GmbH in Mülheim/Ruhr vorstellen will (Halle 27, Stand J39). Die Rede ist von einer drehzahlgeregelten, zweistufigen Maschine. Für seine gewagte Behauptung nennt Beckmann zwei Gründe: Zum einen werde der Schraubenkompressor von einem neuartigen Hybrid-Permanentmagnet-Motor angetrieben, der einen höheren Wirkungsgrad habe als die üblichen Drehstrommotoren. Er besitzt beispielsweise keine Motorlager und kann unter Last anfahren. Zum anderen arbeite die zweistufige Verdichtung durch ihre größere Nähe zum isothermen Prozess um 15 % wirtschaftlicher als eine einstufige. „Beides zusammen führt zu Topp-Ergebnissen.“
Nicht weniger enthusiastisch äußert sich Stefan Brand von der Aerzener Maschinenfabrik GmbH, Aerzen, über die neuen zweistufigen, trocken verdichtenden Schraubenkompressoren Delta Twin (Halle 27, Stand G14). Sie seien „um Welten besser” als die Vorgängermodelle. Den Ingenieuren sei es in jahrelanger Entwicklungsarbeit gelungen, den Wirkungsgrad so zu steigern, dass die „Liefermenge um bis zu neun Prozent höher ist als bei Wettbewerbsmaschinen“, wie Brand sagt – eingeschlossen die Maschinen des Marktführers. Der Trick: Die Konstrukteure haben eine Ölmantelheizung für das Gehäuse vorgesehen, um die thermische Ausdehnung von Rotoren und Gehäuse einander anzugleichen. Dadurch können sie kleinere Spiele vorsehen und die Spaltverluste minimieren.
Einer der Gründe für die Innovationswelle in der Druckluftbranche ist zweifellos der steigende Wettbewerbsdruck. Umso erstaunlicher, dass ein junges Unternehmen wie die erst 1994 gegründete Renner GmbH wächst und erfolgreich Marktanteile mit Schraubenkompressoren erkämpft (Halle 27, Stand L22). Erst kürzlich wurde in Güglingen ein Erweiterungsbau bezogen. Das Güglinger Konzept: Solide Standardausführungen und einfach zu bedienende Technik, wie Bernd Hofmann erklärt. „Wir fahren eine klare Vertriebslinie über den Fachhandel“, merkt er an. Der Exportanteil liege wie in der Branche üblich über 50 %. Die von Renner in Hannover präsentierten Neuerungen fügen sich in die Trends ein. Zu ihnen gehören beispielsweise Komplett-Stationen aus Verdichter, Frequenzregelung, Trockner und Luftaufbereitung.
Was nützt der beste Kompressor, wenn Energie in nachgeschalteten Geräten verschwendet wird? Innovations-Anstrengungen gibt es daher auch bei den Komponenten wie Filtern, Trocknern und Rohrleitungen. Die Zander Aufbereitungstechnik GmbH & Co. KG, Essen, wartet zum Beispiel mit kaltregenerierenden Adsorptionstrocknern auf, die eine Mikroprozessorsteuerung enthalten (Halle 27, Stand J35): Bei den K-MT-Trocknern lässt sich die Zykluszeit für Adsorption, Regeneration und Druckaufbau flexibel einstellen. Die Steuerung ermögliche dadurch einen „energiesparenden Gleichlauf“ mit dem Kompressor. Wird zusätzlich der Taupunktsensor ZHM 100 eingebaut, kann sich das Gerät im Closed Loop selbst überwachen und schaltet erst dann in die Regenerationsphase, wenn das Trockenmittel beladen ist.
Als größten Energiefresser hat die erwähnte EU-Studie veraltete Rohrleitungen entlarvt, aus denen Druckluft durch Leckagen entweicht. Um Abhilfe bieten zu können, hat die Schneider Druckluft GmbH ein Rohrleitungssystem ins Programm genommen, das als erstes Stecksystem bis 15 bar eingesetzt werden kann, so die Reutlinger Angaben (Halle 27, L29). Ein Tüv-Zertifikat bescheinigt die Sicherheit – auch dies sei ein Novum. Die Montage funktioniert so: Eine Vielzahn-Haltekralle aus Edelstahl sorgt im Innern für eine längskraftschlüssige Verbindung und hält die Rohre. Für die Abdichtung sorgt ein O-Ring.
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