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Eigentliche Fertigung startet erst in letzter Minute

Wie die Emag-Gruppe kreativ mit knappen Lieferzeiten umgeht
Eigentliche Fertigung startet erst in letzter Minute

Klassisch-deutsche Tugenden sind der Emag-Gruppe zu träge. Durch blitzgescheite Organisation ihrer zentralen Fertigung kann der Kunde noch sieben Wochen vor Lieferung entscheiden, wie seine Maschine endgültig aussieht.

Von Chefreporter Wolfgang Filì

Eigentlich sei alles ganz einfach, versichert Rudolf Mörsch: „Änderungswünsche sitzen wir so lange aus, wie möglich, exotische Teile und Komponenten besorgen wir, so spät es geht, und mit der eigentlichen Fertigung“, setzt der Geschäftsführer der Wema Werkzeugmaschinenfabrik GmbH in Zerbst genüsslich nach, „beginnen wir erst in allerletzter Minute.“ Damit sei man bislang bestens gefahren.
Was nach organisiertem Chaos klingt, ist Management mit knallhartem Kalkül: Der zentrale Produktionsbetrieb der Salacher Emag-Gruppe fertigt derzeit 44 unterschiedliche Grundmaschinen des Drehzentrums VSC in mehreren Varianten, liefert davon jede Woche 23 Einheiten just-in-time aus, ist bis zum Anschlag ausgelastet und schafft es dennoch, seinen Ausstoß Stück für Stück weiter zu steigern. Im Juni vergangenen Jahres noch, erklärt Rudolf Mörsch, habe man lediglich zehn Maschinen pro Woche fertigen können. Bis August sollen es jeweils 25 sein, bis Ende diesen Jahres sogar 30 die Woche. Das entspräche einem Materialdurchsatz von 90 t sowie rund 1800 zu beschaffenden Teilen. Die mechanische Wertschöpfung – bislang liegt sie bei 50 % – soll ebenfalls steigen. 70 % peilen Mörsch und seine Leute an. Schwierige Komponenten wollen die Zerbster im eigenen Haus herstellen, mehr oder minder gleichbleibende Serienteile über langfristige Verträge zukaufen.
Acht Wochen nach Erhalt der technischen Unterlagen liefert Wema eine geprüfte und probegelaufene Grundmaschine an die Marktunternehmen der Salacher Emag-Gruppe, zu der Wema gehört. Hier werden sie betriebsbereit komplettiert. Allerdings wird erst sieben Wochen vor Liefertermin festgelegt, in welcher Ausführung die Maschinen tatsächlich gebaut werden. So lange kann der Kunde an der für ihn günstigsten Konfiguration feilen.
„Ohne eine Organisation, die dezentral und strikt am Prozess orientiert ist, wäre das nicht möglich“, betont Mörsch. Da jede VSC-Grundmaschine aus vier großen Baugruppen besteht, sind die einzelnen Bereiche der Fabrik eins zu eins darauf abgestimmt. So gibt es eine Montage für die Basismaschine, eine Fertigung für Grundkörper, eine Montage für elektrische Baugruppen sowie eine weitere für mechanische Komponenten. Außerdem haben die Zerbster jeweils separate Bereiche für die mechanische Bearbeitung runder und kubischer Teile.
Ausstoß von 10 auf 25 VSC-Drehmaschinen pro Woche gesteigert
Jede dieser Einheiten arbeitet selbständig. Sie hat an Ort und Stelle ein eigenes Büro, in dem die für den organisatorischen Ablauf Verantwortlichen als Team arbeiten: Der Meister sitzt gleich neben dem Einkäufer, dem Planer, Programmierer und der Leitung der „Firma“. Das Verhältnis der Bereiche untereinander entspricht dem von Lieferanten und Kunden. Dabei zieht die Montage der Grundmaschine am Ende der Wertschöpfungskette die anderen Einheiten an und bestimmt den Takt.
In der Praxis sieht das so aus: Die Firma „Grundmaschinen-Montage“ bekommt von den Marktunternehmen der Gruppe einen Auftrag und bestellt ihrerseits den Grundkörper im Unternehmen „Grundkörperfertigung“, mechanische Komponenten in der Firma „Baugruppenmontage“ und den Energiecontainer bei „Elektrische Baugruppen“.
Die Einheit „Mechanische Baugruppen wiederum ordert die nötigen Kaufteile direkt beim Lieferanten, bestellt ihre kubischen Fertigungsteile bei „Kubische Teile“ sowie die rotationssymmetrischen bei der Firma „Runde Teile“.
Der Bereich „Elektrische Baugruppen“ bestellt Kaufteile beim externen Lieferanten sowie Blechteile bei dem Unternehmen Siro – letzteres ist einer der auch rechtlich eigenständigen Zulieferer auf dem weitläufigen Gelände des ehemaligen VEB-Unternehmens. Die Wema-eigenen „Firmen“ entscheiden, ob sie die Teile herstellen oder sie kaufen. Bei Eigenfertigung bestellen sie das Rohmaterial nebst Gussteilen selbst. Das klassische Lager gibt es nicht mehr: Kauf- und Fertigungsteile werden gemäß Sieben-Tage-Bedarf besorgt, alle Kleinteile werden einmal wöchentlich in die Läger neben den Fließlinien gefüllt.
„Unser Kerngebiet ist halt die Produktion“, schließt Wema-Chef Mörsch den Rundgang ab: „Nicht mehr und nicht weniger“. Intern fraktal und flexibel organisiert, dabei zentral und fest in die Gruppe eingebunden, liefert die Zerbster Fabrik Grundmaschinen zu Preisen, die anscheinend wesentlich günstiger sind, als wenn jedes der Unternehmen der Gruppe seine Einheiten noch selbst bauen würde.
Die Montage der Grundmaschinen bestimmt den Takt
Wema beschäftigt etwa 300 Mitarbeiter. Mit den auf gleicher Flur angesiedelten Satelliten-Unternehmen Enke (Kleinteile) und Siro (Blech) kommen weitere 150 hinzu. Bis 1994 waren hier Großdrehmaschinen gebaut worden. Die Hälfte der alten Produktionsanlagen wurde seit 1995 abgerissen und ersetzt. Heute produziert die Wema GmbH in fünf Hallen auf 12 000 m² Fläche.
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