Die Rolle des deutschen Standorts als zentraler Anlaufmanager und Ideengeber kann nur gelingen, wenn sich die Gesamtorganisation aufs Wesentliche beschränkt und am Wertstrom orientiert.
Dr. Achim Kampker ist geschäftsführender Oberingenieur am WZL der RWTH Aachen
In deutschen Unternehmen entwickeln sich die Strukturen hin zum Prinzip des Störfallmanagements, anstatt sich auf den zentralen Wertschöpfungsprozess zu konzentrieren. Qualifiziertes Personal am deutschen Standort führt häufig Nebentätigkeiten aus, das nicht seiner Qualifikation entspricht.
Der Grund dafür sind fehlende Definitionen von Produktionsstrategien, Verantwortungsbereichen, Prozessorientierung und Schnittstellen. Dadurch werden viele Prozesse nicht beherrscht und nur in Feuerwehraktionen bewältigt.
Die Ineffizienzen verstärken sich bei verteilten Standorten: Hausaufgaben am Firmensitz, die längst erledigt sein sollten, werden auf neue Standorte übertragen. An Stelle überschaubarerer flexibler Standorteinheiten wachsen insbesondere Niedriglohnstandorte unkontrolliert. Zumeist konzentrieren sich die Mutterstandorte auf die Verwaltung und weitere zentrale Funktionen wie Entwicklung, Logistik und das Anlaufmanagement.
Die Rolle des deutschen Standortes als zentraler Anlaufmanager und Ideengeber kann nur dann gelingen, wenn sich die Gesamtorganisation auf das Wesentliche beschränkt und am Wertstrom orientiert. Ausgangspunkt dafür müssen die Markanforderungen sein, die in ein Konzept zur verteilten Produktionsstruktur münden. In dieser Phase des Produktionsdesigns werden die Rahmenbedingungen für Logistik, Produktion und die gesamten Geschäftsprozesse festgelegt. Dabei ist Kompromisslosigkeit gefragt, denn die Basis für Synergien und Wiederholeffekte wird hier gelegt.
Aufbauend auf diesem Rahmenkonzept werden die einzelnen Prozesse und Verantwortungen definiert. Schnittstellen lassen sich nie vermeiden und sind somit realistisch zu betrachten. Hier sind die Mechanismen der Kooperation und das Implementieren einer Kunden-Lieferanten-Beziehung der entscheidende Stellhebel. Im Rahmen der Festlegung der Prozesse sind die Verantwortlichkeiten so zu bestimmen, dass sie den echten Kompetenzprofilen der Mitarbeiter entsprechen. Ferner sind Hilfsmittel auszuwählen, die den Mitarbeiter unterstützen und Routinearbeiten minimieren.
Somit ist eine klare Zuordnung von Rollen für einzelne Standorte anzustreben (siehe Kasten). Der „Anlauf- oder Ideengeberstandort“ braucht kleine flexible Teams, die in einer Art Versuchsumgebung möglichst ganzheitlich für wenige Projekte verantwortlich sind. Deren Kernaufgabe ist es, die Prozessfähigkeit eines produzierenden Systems herzustellen. Weiterhin obliegt ihnen die Schulungsaufgabe des Personals anderer Standorte und deren Einbindung. Somit kann diesen Teams die Verantwortung für den Aufbau der Produktion, die Validierung des Systems und die Herstellung der Serienreife übergeben werden. Durch die zentrale Rolle fließt das Wissen aus vorangegangenen Projekten bei entsprechenden Teams zusammen. Kernziel ist die Anlauffähigkeit der Gesamt-Organisation.
Der Übergang zur eigentlichen Produktion stellt eine bedeutende Schnittstelle dar. Hier sind Zielsysteme einzuführen, die den Erfolg oder Misserfolg von Anläufen zu gleichen Teilen sowohl dem unterstützenden zentralen Team als auch dem Werk zuschreiben.
Die eigentlichen Produktionseinheiten sind organisatorisch so auszustatten, dass sie ausschließlich die Produktion aufrechterhalten. Die Ersatzteilfertigung sollte aus synergetischen Gründen an Standorten mit niedrigem Lohnniveau zusammengefasst werden.
Durch diese Ansätze werden die Prozessfähigkeit deutlich gesteigert und eine klare Zuordnung von Verantwortung zu Kompetenzen ermöglicht.
Rollen klar verteilen
Bei verteilten Standorten ist eine klare Zuordnung von Rollen für jeden einzelnen anzustreben. Hierbei sind die Geschäftsprozesse in fünf Kategorien zu unterteilen:
- mit externen Kunden,
- innerhalb der Organisation zur Herstellung des Produktionssystems,
- die eigentliche Produktion,
- die Ersatzteilproduktion und
- Prozesse zu Lieferanten.
Die Prozesse des Kundenkontaktes sind durch die Kompetenzen eines technischen Vertriebes und der Produktentwicklung abzudecken. Je nach Größe sind die Entwicklung zu zentralisieren und der technische Vertrieb möglichst kundennah zu gestalten. Dies kann bei überwiegend zentraler Organisation über „Brückenköpfe“ erfolgen, die den regionalen Kontakt zu Kernkunden halten.
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