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Fest wie Stahl und leicht wie Aluminium

Faserverbund-Trommeln rotieren mit Drehzahlen bis 6000 min-1
Fest wie Stahl und leicht wie Aluminium

Lange galten sie als willkommene Leichtbau-Alternative zu Metallen, wurden aus Kostengründen aber nicht in die Großserie genommen: Faserverbunde. Zahlreiche Produkte zeigen, dass diese Zeit vorbei ist. Auch für das Recycling gibt es jetzt vielversprechende Ansätze.

Von unserem Redaktionsmitglied Olaf Stauß olaf.stauss@konradin.de

Leichtbau ist längst nicht nur im Fahrzeugbau gefragt. Oft sind es Nischen, in denen die Konstrukteure unbedingt das Gewicht von dynamisch bewegten Massen reduzieren müssen. Beispielsweise bei Kabel- und Verseilmaschinen. Ihre Rotoren erreichen Drehzahlen von mehreren tausend Umdrehungen pro Minute. Juan Carlos González Villar von Kabelconsulting, Mönchengladbach, berichtet hier von Erfolgen mit Faserverbunden: Bei einer „Einfachschlagverseilmaschine“ konnten Carbonfaser-verstärkte Kunststoffe (CFK) das Rotorgewicht von 400 auf 200 kg senken, indem sie eine Alu-Konstruktion ersetzten. Beim Topf eines „Zentralwendelspinners“, der im Betrieb mit 6000 min-1 rotiert, wurde das Gewicht ebenso halbiert. Bei diesem Teil mit 380 mm Durchmesser und 280 mm Tiefe löste die Faserverbund-Bauweise eine Stahl-Alu-Konstruktion ab.
„Die Substitution durch Faserverbunde bringt zukunftsweisende Vorteile für die Kabel- und Verseilindustrie“, resümiert González aus den Entwicklungprojekten mit den Maschinenherstellern. Der Diplomingenieur mit zehn Jahren Industrieerfahrung ist seit Mai 2002 selbstständig und genießt derzeit den Status eines Angestellten der FH Hochschule Niederrhein im Rahmen eines Existenzgründerstipendiums. Wie positiv sich die erzielte Gewichtsreduktion auf Kabel- und Verseilmaschinenkonstruktionen auswirkt, er- klärt er so: Die verringerten rotierenden Massen senken den Energiebedarf in den Beschleunigungs- und Abbremsphasen. Somit genügen kleinere Antriebsmotoren und Bremsaggregate. Außerdem lassen sich die Querschnitte der Wellen und Transmissionsbauteile am Antriebsstrang reduzieren. All dies zusammen genommen verschlankt die Gesamtkonstruktion und eröffnet ein weiteres Einsparpotenzial an Rohbau und Fundament. Neben dem niedrigen Gewicht der verstärkten Materialien hebt González ihre „hohe Festigkeit und Steifigkeit, gute Schwingfestigkeit und -dämpfung sowie Korrosions- und Alterungsbeständigkeit“ hervor.
Die technologischen Werte der Faserverbunde sind eng mit ihrem Aufbau verknüpft, der sich in vielerlei Weise variieren und individuell einstellen lässt: Eine Kunststoff-Matrix nimmt Verstärkungsfasern aus Glas, Kohlenstoff oder Aramid in Form von Vliesen, Matten, Geweben oder Endlosfasern auf. Die Matrix hat die Funktion, die Fasern zu stützen und die Kräfte auf das Bauteil zu verteilen. Vor allem von ihr hängen Chemikalienbeständigkeit, Alterungsverhalten, Kratzfestigkeit, elektrische Kennwerte und der Schwund beim Aushärten ab. Die Fasern hingegen bestimmen die mechanischen Eigenschaften der Teile wie Zug- und Biegefestigkeit, Schlagzähigkeit und Fähigkeit zur Arbeitsaufnahme.
Ein großes Problem haben die Faserverbund-Anwendungen traditionell gemeinsam: Die Produktion ist sehr aufwendig. Oft muss viel Handarbeit investiert werden, zumindest da, wo Spritzguss nicht möglich ist. Doch gerade bei den Fertigungsmethoden tut sich einiges. Einer Sensation kommt das neue Herstellverfahren Dexwin der Comat Composite Materials GmbH in Kaiserslautern gleich, mit dem sich Halbzeuge aus Faserverbunden kontinuierlich – also endlos – fertigen lassen. „Möglich geworden ist dies durch einen Technologiewechsel von verstärktem Duromer zu verstärktem Thermoplast“, erklärt Dr. Markus Steffens. Steffens ist Geschäftsführender Gesellschafter der Adete GmbH, Kaiserslautern, die in enger Kooperation mit Comat die Simulation und Konstruktion übernimmt. „Weil Duroplaste zum Aushärten in den Ofen müssen, war der Wechsel unerlässlich. Nur bei Thermoplasten reicht bloßes Abkühlen.“
Beim Dexwin-Prozess fahren die fertig geformten Halbzeuge kontinuierlich aus der Maschine heraus. Den Kern bildet ein extrudierter Liner aus PP, um den herum Fasern endlos gewickelt werden. Darüber kommt, je nach Anwendung, zusätzlich eine PP-Extrusionsschicht als Schutz- und Deckmantel zu liegen. Eine „fliegende Säge“ bewegt sich mit den Profilen und schneidet sie auf Maß zu.
Comat und Adete haben als wichtigste Anwendung den Absatz von Druckluftbehältern ins Auge gefasst, wie sie in Nutzfahrzeugen benötigt werden. Jeder größere Lkw ist mit fünf bis zehn solcher – bislang metallischer – Behälter ausgestattet. Sie speichern die Pressluft für Bremsen, Servoaggregate und Luftfederungssysteme. Bei der Faserverbund-Variante bildet ein Glasfaser-verstärktes Dexwin-Rohr den zylindrischen Mantel, an dessen Längsseiten Langfaser-verstärkte Verschlusskappen aufgeschweißt werden. Der extrudierte PP-Liner im Innern sorgt für Gasdichtigkeit, die Faserwicklung für Festigkeit.
„Unsere Dexwin-Druckluftbehälter sind korrosionsfrei und bieten eine Festigkeit wie Stahl-Behälter beim selben Gewicht wie Alu-Behälter“, sagt Steffens. Dank der großserientauglichen Herstellmethode liege der Preis unter dem von Alu-Behältern. Für die Kostenbetrachtung spielt dabei eine wichtige Rolle, dass alle Versorgungsanschlüsse und Halterungen in die spritzgegossenen Kappen integriert werden. Hier sieht Steffens sogar noch ein „großes Potenzial“: Denn für die laufenden Tests mussten die Kaiserslauterer den Faserverbund-Behälter 1:1 nach den metallischen Vorbildern konstruieren – und konnten das Potenzial des Werkstoffes nicht voll ausschöpfen. Die Tests sollen gut voran kommen. Die Druckluftbehälter müssen bei Temperaturen zwischen -40 °C und +80 °C stabil sein, bei Raumtemperatur einem Berstdruck von 75 bar standhalten und einen Betriebsdruck von 12,5 bar gewährleisten. Ein Lkw-Hersteller nimmt das System jetzt in die „Sommererprobung“.
Pneumatik-Behälter sind das Vorzeigeprodukt, doch Comat und Adete schließen in ihr Angebot generell „hoch beanspruchte Maschinenelemente und Halbzeuge“ ein wie schnell bewegte Hebel, Steuerstangen, Walzen und Wellen, Rohre und Profile oder Hydraulik-Behälter.
Größere Behälter aus Faserverbunden produziert die Chemowerk GmbH aus Weinstadt – und zwar seit den 60er-Jahren als Heizöltanks. Chemo meldet jetzt, dass die alten Glasfaser-verstärkten Duroplast-Behälter nach Jahrzehnten immer noch den Spezifikationen der Neuware entsprächen, wie chemisch-physikalische Untersuchungen erwiesen hätten. Zugrunde liegt ein Dauertest an einem Prüfling, der nach 23 Jahren neu untersucht wurde und keine Anzeichen auf Veränderungen erkennen lasse, wie es aus Weinstadt heißt. Der schwäbische Anbieter schließt daraus, dass die Haltbarkeit moderner GFK-Tanks weit über die von ihm gewährte Garantiezeit von 35 Jahren hinaus geht.
Die GFK-Tanks sind sehr leicht. Sie lassen sich einfacher installieren als Stahltanks und können nicht korrodieren. Auch im Vergleich zu preiswerten PE-Tanks gibt es Argumente für GFK: PE-Tanks können sich im Laufe der Zeit zur „Birne“ verformen, üben dann einen ungesunden Druck auf die Anschlüsse aus, und sind nicht dauerhaft diffusionsdicht. GFK-Tanks hingegen genießen im deutschen Wasserrecht außerhalb von Schutzgebieten insofern eine Sonderstellung, dass sie im Gegensatz zu Stahl- und PE-Ausführungen selbst bei einwandiger Konstruktion ohne Auffangwanne aufgestellt werden dürfen.
Auch in automobilen Großserien sind Faserverbunde anzutreffen. So weist Rohstofflieferant Resin GmbH, Zwingenberg, darauf hin, dass der Flaschenhalter im VW Multivan aus Langglasfaser-verstärkten PP-Teilen (PP-LGF) besteht. Mit ihren 30 Gewichtsprozent Langglasfasern soll sich die 40 cm lange Halterung auch dann nicht verformen, wenn sie mit einer vollen 1-l-Glasflasche beladen und stark geschüttelt wird. Spritzgegossen und montiert werden die Teile vom Zulieferer Sarnamotive GmbH in Lüdenscheid. Den Werkstoff „Factor“ liefert die Fact GmbH in Kaiserslautern. Neben der PP-LGF-Familie bietet sie auch PA-Typen an mit LGF-Gehalten bis zu 60 Gewichtsprozent bei Faserlängen bis zu 25 mm. Mit ihrer Wärmeformbeständigkeit bis 250 °C sind die verstärkten PA-Typen für hochintegrierte Teile unter der Motorhaube geeignet, von denen eine „hohe Dimensionsstabilität und Korrosionsbeständigkeit gegenüber Motorölen, Kraftstoffen und Salzlösungen“ gefordert wird, wie es heißt.
Auch beim zweiten heiklen Thema bewegt sich etwas – der bislang mangelhaften Recyclierbarkeit von faserverstärkten Kunststoffen. Die von der EU vorgegebenen Verwertungsquoten für Automobile zwingen Hersteller und Werkstoffanbieter zu Entwicklungsanstrengungen. So hat die Du Pont (Deutschland) GmbH, Bad Homburg, ein Recycling-Verfahren für PA 6 und PA 66 im geschlossenen Produktkreislauf vorgestellt und dafür den Umweltpreis 2004 der Society of Plastics Engineers (SPE) erhalten. Bei dem Prozess werden Füllstoffe und Verunreinigungen wie Glasfasern oder Mineralien aus dem zermahlenen Gebrauchtmaterial entfernt. Bemerkenswert ist, dass das Recyclat wieder für dieselben Teile verwendet werden kann, aus denen es gewonnen wurde. Dies hat Du Pont in einer Studie mit Toyota anhand eines Saugrohrs aus PA-6 gezeigt: Das aus PA-Recyclat gefertigte, serienidentische Saugrohr entspreche „in technischer Sicht Neuware“, betonen die Ingenieure. Eine Herausforderung bleibe allerdings der ökonomische Faktor – bedingt durch den Mangel an Altkunststoffen und noch nicht ausgereiften Sammelverfahren.
Faserverbund-Heizöltanks bewähren sich seit Jahrzehnten
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