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Gefaltet, nicht gewickelt

Miniatur-Spulen: 20- bis 30-fach höhere Induktivität im Bauraum
Gefaltet, nicht gewickelt

Neuartige Mini-Spulen werden Ebene für Ebene zusammengefaltet. So sind sie leistungsfähiger, als wenn immer dünnere Drähte auf immer kleinere Kerne gewickelt werden. Sie leiten das Sechsfache an Strom, haben geringere kapazitive Beläge und lassen sich sogar in Leiterplatten integrieren.

Spulen sind weit mehr als nur aufgewickelter Draht – in ihnen vollzieht sich ein komplexes Wechselspiel zwischen elektrischen, magnetischen und thermischen Effekten. Da Spulen ein Basis-Bauelement sind, ist ihre Miniaturisierung für viele Anwendungen interessant. Jedoch kollidieren verschiedene Anforderungen aus der Praxis. Erwünscht sind eine hohe Induktivität und Stromtragfähigkeit bei niedrigem Widerstand, kleinem Volumen und geringem kapazitiven Einfluss. Zugleich zwingt der Preisdruck dazu, die miniaturisierten Spulen mit massentauglichen Technologien herzustellen.

Während aktive elektronische Bauelemente wie Transistoren bereits sehr stark miniaturisiert sind, haben passive elektrische Bauelemente diese Entwicklung bisher nur in Ansätzen vollzogen. Bei Spulen ist bisher am wenigsten passiert. Daher sind dringend Strategien geboten, um auch induktive Bauelemente zu miniaturisieren und gleichzeitig funktionswichtige Parameter zu verbessern sowie parasitäre Einflüsse zu verringern.
Lösungen und neue Konzepte eröffnet der Einsatz von Mikrotechnologien in der Feinstleiter- und Multilayerfertigung. Im Rahmen der BMBF-Forschungsprojekte MikroSyst und Mikrofun ist es gelungen, Mini-Spulen mit deutlich erhöhter Stromtragfähigkeit und großer Induktivität bei verringertem Bauraum herzustellen. Und zwar mit Industriereife: An der Entwicklung waren die Technische Universität Ilmenau mit dem Fachgebiet Mikromechanische Systeme beteiligt, außerdem das Steinbeis Transferzentrum Mechatronik Ilmenau und das Forschungs- und Transferzentrum am HTWK Leipzig. Hersteller ist die Würth Elektronik GmbH & Co. KG, Niedernhall. Bereits jetzt wird die neue Technologie eingesetzt, „Faltflex“-Spulen sind lieferbar. Spezifikationen nach Wunsch des Anwenders erfordern allerdings noch Anpassungsarbeit. Die beteiligten Institute und Firmen suchen Forschungspartner für weiterführende Applikationen. *
Die zugrunde liegende Feinstleitertechnik auf Polymerfolien hat sich in den letzten Jahren zu einer Basistechnologie entwickelt. Mit lithografisch unterstützten Verfahren können beidseitig auf einer dünnen, flexiblen Folie feinste Strompfade hergestellt werden.
Durch Falten lässt sich daraus eine Spule mit nahezu beliebig vielen Lagen erzeugen. Als Bedingung müssen die Strompfade auf beiden Folienseiten so angeordnet sein, dass beim Falten eine konzentrische Mehrlagenspule mit beibehaltenem Wicklungssinn entsteht. Der Faltvorgang wandelt somit eine zweidimensionale Struktur in ein dreidimensionales Bauelement. Mit einer geeigneten Fügetechnologie wie dem Verkleben lässt sich ein kompaktes Bauelement mit Kontaktierungen nach außen erzeugen.
Das gezielte Falten wird durch eine Perforierung des Substratmaterials in den Knickzonen ermöglicht. Die Strompfade lassen sich problemlos auf der Innenseite über die Knicklinie führen. Die konzentrische Anordnung der Strompfade über mehrere Ebenen hinweg bedingt Durchkontaktierungen (Vias), die den Strom von einer auf die andere Seite der Faltebene leiten. Wichtig ist, dass dabei der Wicklungssinn beibehalten bleibt. Produktionstechnisch werden diese Vias hergestellt, indem ein definiertes Loch im Substrat galvanisch so verfüllt wird, dass der Randbereich vollständig bedeckt wird.
Die Spulen lassen sich mit dem Laser in der Form frei ausschneiden und dadurch so gestalten, dass sie beispielsweise auf einen Ferritkern aufgesteckt werden können. Der Faltflex-Ansatz ermöglicht es zudem, mehrere verkoppelte Spulen im Magnetkreis zu integrieren. In den Projekten wurden Spulen in unterschiedlichen Anwendungen bei einem Leiterfüllfaktor von 0,25 mit einer Stromdichte von über 30 A/mm² belastet. Das entspricht dem Fünffachen einer konventionellen Drahtspule. Die Technologie ist damit jedoch noch nicht ausgereizt. Wird eine geeignete Fügetechnologie eingesetzt, um wärmeleitfähiges Material zwischen die einzelnen Falt-Lagen zu bringen und Lufteinschlüsse zu unterbinden, kann der Wärmestrom noch besser nach außen abgeleitet und das Ergebnis weiter verbessert werden.
Die vorgestellten Ansätze eignen sich zum Herstellen stromtragfähiger Spulen als induktive Bauelemente in Filtern und Spannungswandlern (Transvertern). Eine zusätzliche Systemintegration elektrischer und elektronischer Funktionalität eröffnet die Chance, in Induktivitäts-Bereiche vorzudringen, die physikalisch mit dem Einzelelement unter vergleichbaren Einsatzbedingungen nicht zu erreichen sind. Hier wird das Bauelement Spule durch eine elektronische Schaltung ergänzt, die die Induktivität einer Mikrospule verstärkt. So lassen sich um den Faktor 20 bis 30 höhere Induktivitäten als bisher im vorgegebenen Bauraum unterbringen.
Welche Vorteile sich damit in der Anwendung erreichen lassen, zeigt ein Beispiel. Bei Komponenten des industriellen Bussystems „Aktuator-Sensor-Interface“ wurden derartige mikrosystemtechnische Induktivitäten erprobt. Die Induktivitäten dienen hier dazu, die Stromversorgung von Slave-Komponenten (wie Aktorik oder Sensorik) vom gleichzeitig übertragenen Datensignal rückwirkungsfrei zu entkoppeln. Das Ergebnis vorweggenommen: Durch den Einsatz der mikrosystemtechnischen Induktivitäten schrumpfen Bauteile mit Zigarettenschachtel-Größe auf das Volumen einer halben Streichholzschachtel.
Die Anwendung im Aktuator-Sensor-Interface stellt erhebliche Anforderungen an die Komponenten, so nach Induktivitätswerten in Bereiche bis 15 mH und nach einer Stromtragfähigkeit größer 250 mA. Gleichzeitig ist ein extrem kapazitätsarmer Aufbau (< 15 pF) nötig, der mit konventioneller Wickeltechnik nicht oder nur deutlich eingeschränkt zu erreichen ist. Im Gegensatz dazu ermöglichen Mikrosystemtechniken einen viel spezieller aufgebauten Spulenkreis bei gleichzeitig optimiertem Bauraum. Die so hergestellten Busmodule verfügen nicht nur über verbesserte technische Parameter, sondern sie erlauben es auch, dem System deutlich höhere Leistungen zu entnehmen.
Künftig kann zum Beispiel vermehrt auf teure Netzteile zur Versorgung externer Aktoren/Sensoren verzichtet werden. Darüber hinaus ist der Einsatz der erarbeiteten Lösungen in den Anwendungsbereichen Aktorik und Sensorik, Stromversorgungstechnik, HF-Technik und Beleuchtungstechnik geplant.
  • Dr. Matthias Kallenbach Projektleiter für magnetische Themenschwerpunkte an der TU Ilmenau
  • Rainer Otto Wiss. Mitarbeiter am Steinbeis Transferzentrum Mechatronik Ilmenau
Bus-Peripherie kommt ohne eigene Netzgeräte aus

Neue Technologien
Gefaltete Spulen sind ein riesiger Miniaturisierungs-Schritt. Bei vielen elektrischen und elektronischen Anwendungen können sie einen Quantensprung auslösen: Bauräume schrumpfen, Ausgangsleistungen steigen und Störfunktionen werden minimiert. Die Spulen lassen sich einfacher herstellen, wobei die Lage jeder Windung eindeutig definiert ist – ein großer Vorteil bei Anwendungen in Aktoren und Sensoren.
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