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Göppinger Bündnis fördert Austausch von Know-how

Kompetenzzentrum Mechatronik
Göppinger Bündnis fördert Austausch von Know-how

Mechatronik-Know-how will ein Kompetenzzentrum in Göppingen seinen Mitgliedern für den Gang auf die Weltmärkte verschaffen. Das Netzwerk präsentiert sich als Infrastruktur für Technologietransfer in den Mittelstand. Aber auch Konzerne erwerben Kompetenz.

Von unserem Redaktionsmitglied Dietmar Kieser dietmar.kieser@konradin.de

Schon kurz nach der Gründung industrielle Schwergewichte wie den Pressenhersteller Schuler, den Modelleisenbahner Märklin oder den Maschinenbauer Allgaier mit im Boot zu haben, ist der Traum eines Netzwerk-Initiators. Reinhard Frank und Bernhard Schwarz ist dieser Coup gelungen. Der Göppinger Oberbürgermeister und der Fachhochschulprofessor haben mit einigen Entscheidern aus Industrie, Handelskammer und Banken das regional verankerte Kompetenzzentrum Mechatronik im Vorjahr auf den Weg gebracht.
Kommune, Forschung und Unternehmen bündeln darin seit Anfang des Jahres ihr Wissen. Ziel ist es, Kompetenz für wettbewerbsfähige Problemlösungen zu vermitteln. Dabei stehen Innovationen im Mittelpunkt, die den Standort und die Arbeitsplätze sichern und die von Maschinenbau und Autozulieferung geprägte, östlich von Stuttgart gelegene Filstal-Region weiterbringen sollen. Knapp 40 Mitglieder zählt der Trägerverein Kompetenznetzwerk Mechatronik Göppingen e. V. – mit dem Schuler-Manager Dr. Heinrich Frontzek als 1. Vorsitzenden.
Seit Anfang September führt Peter Häfner hauptamtlich die Geschäfte, fördert die Kommunikation unter den Mitgliedern und stellt branchenübergreifende Kontakte her. Häfners Credo „Wer die Kräfte bündelt, ist schneller und effektiver“, hören die mittelständischen Unternehmern gerne. Teilweise hätten sie leidvoll erkannt, weiß der ehemalige Unternehmensberater, „dass sie auf dem globalen Markt nur überleben können, wenn sie ihre Präsenz erhöhen, ihre Produke rascher optimieren und gleichzeitig die Kosten senken“. Beim Besuch klopft er auch Bedürfnisse ab. Häfner: „Da stellt sich dann heraus, dass eine Firma seit Jahren weltweit einen Partner sucht, der bestimmte Probleme lösen kann – und wir können ihn im Verein bieten, gerade mal 15 Kilometer vom Interessenten entfernt.“
Das Göppinger Kompetenzzentrum hat viele Vorschusslorbeeren gesammelt. Zu wissen, was der andere tut, damit Innovation verstärkt hier stattfindet, diese Überlegung rief die Wirtschaftsförderer der Region Stuttgart auf den Plan: Damit die Kommunen hierfür ein Bewusstsein entwickeln, schrieben sie vor eineinhalb Jahren ein Förderprogramm aus. Göppingens Bewerbung um ein regionales Kompetenzzentrum für Mechatronik errang auf Anhieb den ersten Preis im Bereich Maschinenbau und Verfahrenstechnik.
Die Bedeutung des gewählten Fachgebietes – auch für den Mittelstand – ist unbestritten. Mit mechatronischen Systemen, in denen mechanische, elektronische und informationstechnische Elemente zusammenwirken, können sich die Unternehmen in Funktion, Qualität und Preis von der Konkurrenz abheben und ihre Wettbewerbsfähigkeit sichern.
An einer Infrastruktur für den Technologietransfer von der Hochschule in die Unternehmen war in Göppingen auch vor der Gründung des Kompetenzzentrums Mechatronik kein Mangel. Seit Mitte der 90er Jahre nimmt der Standort Göppingen der Fachhochschule für Technik Esslingen (FHTE) unter den baden-württembergischen Fachhochschulen als Kompetenzzentrum für Mikrotechnik eine führende Rolle ein.
Die heimischen Firmen machen von den Angeboten „ihrer FH“ regen Gebrauch. Deren Bemühen um den Technologietransfer wird jetzt nicht nur mit dem Kompetenznetzwerk Mechatronik e. V. fortgesetzt. Auch in puncto Ausbildung legt sich die Professorenschaft um den Dekan Prof. Dr. Bernhard Schwarz, der im siebenköpfigen Vorstand des Vereins sitzt, mächtig ins Zeug (siehe Interview). Ab dem nächsten Sommersemester erproben die Göppinger einen kooperativen Studiengang: „Mechatronik plus“ koppelt eine Lehre zum Mechatroniker mit einem Mechatronik-Studium. In zweieinhalb Jahren erwirbt ein Student den IHK-geprüften Ausbildungsabschluss. Noch einmal so lange dauert es, bis er den Titel Diplom-Ingenieur in der Tasche hat.
Dass „die Bindung an die ausbildenden Unternehmen sehr groß ist“, so Schwarz, zeigt, wie ernst man es an Göppingens Hochschule mit dem Transfergedanken nimmt. Die ersten zwölf Lehrstellen wurden durch die IHK vermittelt – selbstredend, dass Mitglieder des Mechatronik-Netzwerks zum Zuge gekommen sind.
Geschäftsführer Häfner weiß aber auch um die unterschiedlichen Interessen seiner Mitglieder. „Konzerne wie Schuler, Märklin oder Allgaier suchen bei den kleinen Partnern Problemlöser für Spezialgebiete, mit denen sie sich selbst nicht befassen wollen. Die kleinen Betriebe hingegen suchen eher Entwicklungs-Know-how, um eine Idee umzusetzen oder sie wollen im Huckepack-Verfahren preisgünstig einen Markt in Übersee testen.“
Daher sei es besonders wichtig, dass jedes Mitglied schon sehr kurzfristig einen Nutzen von der Partnerschaft habe. „Es muss eine Win-Win-Situation sein“, bestätigt Volker Schiek. Der 2. Vorsitzende des Vereins, der auch das Kompetenzzentrum mit angeschoben hat, kennt Netzwerke und Kooperationen aus dem Effeff. Als Technischer Leiter des Schweißanlagenherstellers Rehm (Umsatz rund 34 Mio. DM, 100 Mitarbeiter, davon 10 in der Entwicklung) ist er seit Jahren involviert in viele Forschungsaktivitäten, bis hin zum BMBF-Rahmenprogramm Produktion 2000+. „An Rehm als kleinerer Firma wird viel erprobt“, sagt Schiek, der andere an seinem Expertenwissen teilhaben lassen will. So plant er denn auch, „diese Forschungsergebnisse im nächsten Jahr am Mechatronikzentrum zu spiegeln“. Weil auch er die Diskussionen an dieser Stelle braucht, sieht er im Netzwerken „ein ständiges Geben und Nehmen“.
Am Göppinger Bündnis ist Volker Schiek wichtig, dass Vorreiterfirmen mit dabei sind. Zunächst wolle man untereinander bleiben und die Potenziale herausarbeiten, um sie dann anzugehen. Bis zu 100 Vereinsmitglieder dürfte nach Ansicht von Peter Häfner das Netz sicherlich tragen. Mehr hält er nicht für sinnvoll. Zudem solle auch das Profil der Know-how-Träger nicht verwässert werden. Eher will er das heimische Qualitätsimage bewahren und das Netzwerk über Experten-Datenbanken und Vertriebspartner der Mitgliedsfirmen weltweit spannen.
Ein Mehrwert an Nutzen für die Vereinsmitglieder
Für die nächsten drei Jahre kann dieser Kurs mit einem Jahresetats von 350 000 DM gehalten werden. So lange finanzieren die Stadt Göppingen und die Region Stuttgart das Vorhaben, den Rest bringen die Vereinsmitglieder auf. In der Zeit danach muss der Verein Gelder einnehmen, indem er Leistungen weltweit anbietet. Neue Konzepte in Schulung und Dienstleistung würden ohnehin diejenigen Unternehmen benötigen, die auf Grund ihres Wachstumsziels international agieren müssten, meint Volker Schiek. Längst nicht alle Betriebe seien wie Rehm gewappnet, pro Jahr um 25 % zu wachsen.
Für derlei Planung braucht es Antennen, um einerseits schnell neue Marktbedürfnisse aufzuspüren und die Produkte vor Ort zu liefern. Bei all dem will das Kompetenznetzwerk seine Mitglieder unterstützen – mit „einem Mehrwert an Nutzen“, wie Netzwerker Häfner versichert.
Nachgefragt: „Der Mechatronik-Entwickler muss in Netzwerken denken“
Herr Professor Schwarz, warum ist das Fachgebiet Mechatronik in der Industrie so populär?
Umgekehrt gefragt, was ist heute nicht Mechatronik? Künftig gibt es kein Produkt mehr, das nicht in irgendeiner Form Informationen aufnimmt, verarbeitet und weiterleitet. Schon sind wir bei der Mechatronik. Beispiel Kfz: 30 Prozent des Wertes eine Neuwagens sind heute Elektronik und Software, Tendenz steigend. Beispiel Kamera: Digitalkameras führen jedem im wahrsten Sinn des Wortes vor Augen, wie massiv das Zusammenspiel zwischen Optik, Feinmechanik und Elektronik/Informationstechnik geworden ist. Mechatronik, also das Zusammenführen einzelner Ingenieursdisziplinen, findet demnach überall statt.
Sie selbst haben Mechatronik als Fachbereich Ihrer Hochschule etabliert, aber nicht als Studiengang. Warum nicht?
Weil Mechatronik für mich eine Denk- und Arbeitsweise ist, aber keine neue technische Disziplin. Per se kann man Mechatronik als Fach nicht lernen, wohl aber die mechatronische, also interdisziplinäre Entwicklungsmethodik.
Viele Einzeldisziplinen müssen koordiniert werden. Ist das nicht zeitraubend?
Der mechatronische Entwicklungsansatz ist dennoch schneller. Man setzt sich zusammen und diskutiert den Ansatz. Derart informiert wird parallel entwickelt und laufend abgestimmt, am Ende wird alles zusammengeführt. Probleme werden so frühzeitig erkannt und gemeinsam für das Gesamtsystem optimale Lösungen erarbeitet. Wichtig ist, dass bereits im Grundstudium auch diese interdisziplinäre Denkweise vermittelt wird. Bei uns absolvieren daher alle Disziplinen ein gemeinsames Grundstudium. Danach wird in den Studiengängen Automatisierungstechnik, Elektrotechnik, Feinwerktechnik und Mikrosystemtechnik das jeweilige Fachwissen vermittelt. Dieses wird dann wieder im Hauptstudium im Sinne des Mechatronik-Ansatzes vernetzt.
Die Studenten arbeiten also in interdisziplinären Projekten?
Ja, deshalb gibt es für mich auch nicht den Studiengang Mechatronik. Mechatronik kann nicht per Dekret gelernt werden, sondern ist interdisziplinäres Denken und Handeln.
Aber bei der kombinierten Ausbildung zum Mechatroniker, die Sie im Rahmen eines Studiums auch anbieten, funktioniert das?
Hier ist die Zielrichtung eine andere. Welchen Bedarf haben denn Firmen? Sie entsenden einen Techniker nach Korea, der die Maschine aufbaut oder instand setzt. Dieser muss in allen Disziplinen firm sein. Er muss aber auf dem Gebiet nicht entwickeln können, wie der von uns ausgebildete Ingenieur. Der Servicetechniker benötigt aber ein breites, vernetztes Wissen, das er mit der gewerblichen Ausbildung erhält. Bei der Entwicklung hingegen brauchen wir den Spezialisten, der im Team projektorientiert arbeitet. dk
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