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Grenzgänger auf Probe

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Grenzgänger auf Probe

Grenzgänger auf Probe
Entscheidend für die Verbreitung von Elektroautos ist der Aufbau einer Lade-Infrastruktur, um die Autos wieder aufladen zu können. Länderübergreifend wird der Standardstecker bald in einem Flottentest zwischen Frankreich und Deutschland erprobt Bild: Mennekes
Auch Elektroautos wollen künftig nicht an der Grenze Halt machen. Daher ist es sinnvoll, dass in Flottentests standardisierte Fahrzeug-Infrastruktur-Schnittstelle länder- und herstellerübergreifend getestet werden. Zwischen Deutschland und Frankreich wurde daher ein entsprechendes Projekt vereinbart, bei dem Fahrzeuge ab diesem Sommer zwischen beiden Ländern hin- und herpendeln sollen. Dieser grenzüberschreitende Flottentest basiert auf französischer Seite auf dem Projekt „Kleber“. Auf deutscher Seite werden die Projekte „Meregiomobil“, „Future Fleet“ und „Modellregion Stuttgart“ jeweils um eine grenzübergreifende Komponente erweitert.

Dabei sollen sowohl der standardisierte Stecker als auch Ladesysteme und die Infrastruktur für die Abrechnung erprobt werden. Denn wie heute üblich soll auch der Elektromobilfahrer komfortabel zwischen verschiedenen Anbietern und Preisen wählen können.
Die Wissenschaftsweisen von Acatech machen dabei auf das Dilemma aufmerksam, dass in Frankreich die Energieversorgung in der Hand eines Unternehmens liegt, während sich in Deutschland mehrere Unternehmen diese Aufgabe teilen. Die Nutzer aber wollen „ihr Elektrofahrzeug auch an Stromstellen aufladen können, die nicht von ihrem Energieversorger beliefert werden. Dafür ist ein deutschland- und europaübergreifendes Abrechnungssystem (Roaming) zu etablieren.“

Flottenversuche sind alles andere als flott

Bislang liegen nur vom Projekt „Mini E Berlin“ wissenschaftlich abgesicherte Ergebnisse vor

Damit Deutschland möglichst schnell den Weg ins elektromobile Zeitalter einschlägt, fördert die Bundesregierung viele Flottentests. Doch ist fraglich, ob diese den Überblick behält.
17 Modellregionen und Flottenversuche für die Elektromobilität zählt die Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) heute in Deutschland – Tendenz steigend. Die Zahl an sich ist kein Problem, befindet das Gremium, das ähnlich wie die Wirtschaftsweisen einmal im über die Forschungs- und Innovationsbemühungen der Regierung urteilt.
Denn Flottentests dienen schließlich dem Zweck, Elektromobilität im Alltag zu demonstrieren. Der Betrieb der Fahrzeuge, die Installation einer Infrastruktur sowie die Verankerung der Elektromobilität stehen dabei im Mittelpunkt. Darüber hinaus lassen sich mit ihrer Hilfe neue Mobilitätskonzepte, die Integration verschiedener Transportmöglichkeiten und künftige Geschäftsmodelle konzipieren, realisieren und bewerten. Und nicht zuletzt werden das Verhalten und die Akzeptanz bei den Nutzern mittels wissenschaftlicher Begleitforschung untersucht. Insofern sind sie als Wegbereiter für die neue Technologie unerlässlich.
Allerdings hapere es an der Koordination, kritisiert die EFI in ihrem Jahresbericht 2010, den sie im Februar vorlegte: „Die Fördervorhaben, die Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten sowie die Maßnahmen zur Markteinführung sind derzeit nicht ausreichend zwischen der Bundesebene, den Ländern, der Europäischen Union sowie der Industrie abgestimmt“, heißt es dort. Und weiter: Für die Generierung eines Leitmarkts für Elektromobilität bedürfe es einer Konzentration der Anstrengungen.
Ähnlich hart geht Acatech, die Deutsche Akademie der Technikwissenschaften, mit der Bundesregierung ins Gericht: Nach Ansicht der Elite-Forscher zeigen die gestarteten Pilotprojekte bereits heute, „dass bei der praktischen Realisierung der Elektromobilität alle Branchen eng zusammenarbeiten müssen, die bislang weitgehend unabhängig operiert haben“.
Bislang arbeiten bei allen Flottenversuchen jeweils ein Energieversorgungsunternehmen und ein Automobilhersteller zusammen: also Vattenfall mit BMW, EON mit Volkswagen sowie RWE mit Daimler. Doch reicht dies nach Meinung von Acatech nicht aus: So empfehlen sie, auch die großen Zuliefer- und Chemieunternehmen sowie die Unternehmen der Informations- und Telekommunikationsbranche zu den Flottentests hinzuzuziehen. Auch Bereiche der Stadt- und Raumplanung seien „im Sinne einer integrierten Verkehrsgestaltung in einer frühen Phase stärker in entsprechende Überlegungen einzubeziehen“. Denn: „Im Bereich der Elektromobilität gilt es mehr denn je, nicht mehr nur auf Nachfrageentwicklungen zu reagieren, sondern den Verkehr bereits in den Infrastrukturen zu antizipieren beziehungsweise die Nachfrage durch attraktive Angebote zu stimulieren.“
Kritik und Anregungen der Forscher könnten noch rechtzeitig kommen, denn noch sind längst nicht alle Flottenversuche gestartet. Entsprechend fehlt es bislang auch an aussagekräftigen Ergebnissen.
Lediglich aus dem Projekt „Mini E Berlin“ von Vattenfall und BMW liegen Ergebnisse der Begleitforschung vor. 50 Elektro-Minis, ausgestattet mit einer Lithium-Ionen-Batterie mit 35 kWh Leistung werden seit gut einem Jahr von Privatnutzern durch die Hauptstadt gelenkt. Nach dem Aufladen der Batterie an privaten und öffentlichen Ladesäulen konnten sie jeweils maximal 150 km mit dem Auto fahren.
In Berlin genügt eine Reichweite von 150 km
„Für mehr als 90 % der Nutzer ist die Reichweite für die täglichen Bedürfnisse ausreichend“, konstatiert Projektkoordinator Andreas Weber. Den Großteil des Stroms luden die Nutzer – mehrheitlich Männer mittleren Alters aus Zweipersonenhauslagen – zuhause an der eigenen Wohnung. Doch auch öffentlich zugängliche Ladesäulen in der Nähe des Arbeitsplatzes oder in Einkaufszentren wurden bevorzugt genutzt. Dies gibt Hinweise darauf, wo die Infrastruktur aufgebaut werden sollte, nämlich dort, wo der Kunde sie braucht. Als problematisch erwies sich allerdings der knappe Stauraum, so dass viele geplante Fahrten nicht stattfanden. Die Batterie braucht einfach viel Platz im Fahrzeug.
Doch nicht nur der Individualverkehr wird in den Flottentests auf die Probe gestellt. In der Modellregion München liegt ein Schwerpunkt auf der Erprobung von Hybridbussen im öffentlichen Personennahverkehr. Dabei werden unterschiedliche Hybridkonzepte miteinander verglichen und bewertet. Doch von einer Flotte kann noch keine Rede sein. Seit Juni haben die Stadtwerke München gerade einmal den zweiten Hybridbus im Einsatz, ein MAN-Bus mit einem seriellen Hybridkonzept. Der erste Bus, ein Gelenkbus von Solaris mit parallel betriebenem Hybridantrieb, ist seit knapp zwei Jahren im Einsatz.
Das Urteil der Stadtwerke fällt ernüchternd aus: Der Bus verbraucht im Vergleich zu Dieselfahrzeugen maximal 10 % weniger Kraftstoff. Und im Winter entsteht durch den zusätzlichen Energiebedarf für die Heizung überhaupt kein Vorteil.
Sabine Koll Journalistin in Böblingen
Industrieanzeiger
Titelbild Industrieanzeiger 5
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