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High-Tech-Werkstoff mit Zukunft

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High-Tech-Werkstoff mit Zukunft

Den Faserverbundwerkstoffen gehört die Zukunft. Für den Leichtbau im Flugzeugbau und in der Automobiltechnik sind Kohlefaser verstärkte Kunststoffe (CFK) nicht mehr wegzudenken. Wegen ihrer hervorragenden Eigenschaften, die weit über hohe Festigkeit und leichtes Gewicht hinausgehen, halten sie allmählich auch Einzug in wichtige Bereiche der Industrie oder der Medizintechnik.

Ein Aufschrei geht durch die Reihen der Zuschauer. Mit nahezu 200 km/h rast der Rennwagen in die Reifenstapel, die zum Schutz der Fahrer die Formel-1-Rennstrecke begrenzen. Doch schon bald folgt dem Entsetzen Erleichterung, denn aus dem kollidierten Fahrzeug entsteigt der nahezu unversehrte Fahrer. Noch vor nicht allzu langer Zeit hätte ein solcher Unfall zum sicheren Tod des Rennfahrers geführt. Heute überlebt er dank des Einsatzes Kohlefaser verstärkter Kunststoffe (CFK) in der Crashzelle des Rennwagens.

Dieser Hightech-Werkstoff ist fest, steif und leicht, bleibt unter allen klimatischen Bedingungen stabil und verformt sich auch unter hohen Temperatur-Schwankungen kaum. Mit einem spezifischen Gewicht von 1,6 g/cm³ ist der Verbundwerkstoff bei mindestens gleicher Funktion um bis zu 70 % leichter als Stahl und rund 30 % leichter als Aluminium. Bei den Leichtbaukonzepten der Flugzeug- und Automobilbauer nimmt CFK längst eine Spitzenposition auf der Prioritätenliste ein. Denn ein geringeres Gewicht reduziert den Kraftstoffverbrauch und schont Ressourcen und Umwelt.
Unternehmen wie die Inometa GmbH & Co. KG in Herford bringen aber noch weitaus mehr Eigenschaften ins Spiel, die zunehmend auch einen breiteren Einsatz in der Industrie attraktiv machen. „In der Verarbeitung von Kohlefasern für industrielle Anwendungen sind wir wahrscheinlich das größte Unternehmen“, sagt Thomas Henss. „Wir können nicht nur die räumlichen Abmessungen, die Steifigkeit und Festigkeit sowie das leichte Gewicht nutzen“, erklärt der Geschäftsführer Vertrieb und Marketing, „sondern zum Beispiel die Wärmedehnung oder auch die Dämpfung des Bauteils einstellen und den Werkstoff so zuschneiden, dass er in der jeweiligen Anwendung optimal funktioniert.“
In der Avanco Gruppe, deren Schwerpunktthema Leichtbau und Faserverbundwerkstoffe in unterschiedlichen Einsatzbereichen ist, deckt die Inometa den Bereich Industrie ab. „Wir sind ein Komponentenlieferant“, macht Henss deutlich, „und mit unseren Komponenten aus Faserverbundwerkstoffen wollen wir unseren Kunden in ihren Maschinen und Prozessen Verbesserungen ermöglichen.“ Da speziell im Industriebereich oft noch die Erfahrung im Umgang mit faserverstärkten Kunststoffen fehlt, setzt das Angebot von Inometa schon sehr früh an. „Wir holen den Kunden bei seiner Idee oder dem Lastenheft ab und gehen gemeinsam mit ihm in die Entwicklung“, erklärt Henss. Und Dr. Ulrich v. Hülsen ergänzt: „Wir können Prototypen herstellen und optimieren, Kleinserien produzieren und auch mit eigenen Mitteln eine Serienproduktion der Komponente auf die Beine stellen.“ Den ganzen Bogen von der Idee bis zur Serienfertigung darzustellen, das sei „ein wesentliches Alleinstellungsmerkmal“, betont der Geschäftsführer für Entwicklung und Produktion.
Während der Einsatz von CFK im Flugzeug- und Automobilbau sowie in Windkraftanlagen schon Einzug gehalten hat, beginnen Industriebereiche wie der Werkzeugmaschinenbau oder der Kranbau gerade erst, diesen Werkstoff zu entdecken. Denn der kann überall dort seine Vorteile besonders gut ausspielen, wo es um hochdynamische oder sehr genaue Anwendungen geht. Inometa kann beim Einsatz von CFK auf langjährige Erfahrungen zurückgreifen: „Walzen sind das älteste Maschinenelement, das wir bereits Ende der achtziger Jahre in nennenswerten Stückzahlen aus CFK gefertigt haben“, blickt Henss zurück.
Diese Erfahrungen haben die Ingenieure der Inometa zum Beispiel in ein spektakuläres Projekt eingebracht. Für ein 5-Achsen-Hochgeschwindigkeits-Bearbeitungszentrum HSM Modal der EEW Maschinenbau GmbH in Kiel haben sie für die verfahrbare Brücke eine Struktur, bestehend aus Zug- und Druckstreben in CFK, realisiert. Und auch die Pinole der Z-Achse ist als großes Kohlefaserrohr gefertigt. „Wir haben die gesamte Struktur und die Pinole berechnet, konstruiert und gefertigt“, berichtet Geschäftsführer Henss. Diese Maschinen werden speziell für Anwendungen eingesetzt, in denen zum Beispiel mit hoher Geschwindigkeit Bootsformen aus Schaumstoffen gefräst werden. Erst das geringe Gewicht von Brücke und Pinole ermöglicht die hohen Fahrgeschwindigkeiten, weil Eigenfrequenz und Dämpfung so eingestellt sind, dass die ganze Einrichtung nicht in Schwingung gerät.
Noch ist der Faserverbundmarkt ein reiner Nischenmarkt. Zurzeit werden weltweit etwa 40000 t Kohlefasern hergestellt. Das ist gegenüber einer jährlichen Stahlproduktion von mehr als 1,2 Mrd. t noch sehr wenig. Doch der Carbon Composites e.V. (CCeV) prognostiziert bis 2018 jährliche Wachstumsraten von rund 12 %. Damit wächst der Markt langsam, aber nachhaltig – auch in Hinblick auf die Preisgestaltung – in eine gesunde Größe hinein.
Allerdings steht der schnellen Einführung von CFK im Industriebereich ein Defizit entgegen. Denn bevor Bauteile mit den üblichen Ingenieur-Konstanten berechnet werden können, muss der Faserverbundwerkstoff erst einmal selbst berechnet werden. Dahinter steckt eine etwas andere Formelwelt. „Um es den Kunden leichter zu machen, haben wir ein Online-Tool entwickelt, das auf unserer Homepage steht“, berichtet Geschäftsführer Dr. v. Hülsen. „Mit Hilfe dieses Tools können registrierte Kunden mit ihren Daten aus der Anwendung eine Welle auslegen, ohne über spezifische Faserverbundkenntnisse zu verfügen.“ Sie würden dann nicht nur die Daten für die Anwendung, sondern auch den Preis für das Produkt erhalten. „Das ist ein Service, der inzwischen schon rege genutzt wird“, ist Dr. v. Hülsen erfreut. Mit der Welle haben die Spezialisten ein Maschinenelement ausgewählt, das in einer Vielzahl von Einsatzfeldern eine wichtige Rolle spielt.
Aber auch in andere Einsatzgebiete wird CFK Einzug halten. So ist zum Beispiel die Medizintechnik ein wachstumsträchtiges Einsatzfeld von Faserverbundwerkstoffen. Hier schätzt man neben hoher Festigkeit und Steifigkeit sowie dem geringen Gewicht noch weitere bedeutende Eigenschaften von CFK, wie zum Beispiel die Röntgentransparenz, die Chemikalienbeständigkeit und auch die attraktive Oberfläche.
Beispielhaft sei hier die Trumpf Medizin Systeme GmbH & Co. KG in Saalfeld angesprochen. In deren Produktpalette bilden modular aufgebaute OP-Tische einen Schwerpunkt. In Kombination mit Computertomographen oder auch mit C-Bögen zum Röntgen eingesetzt, müssen die verwendeten Teile röntgentransparent sein. „CFK ist röntgentransparent“, sagt Geschäftsführer Dr. Klaus Frank, „daher ist der gesamte Liegenkörper der Tische aus CFK gefertigt.“ Und Produktionsleiter Sandro List ergänzt: „Neben der Röntgentransparenz ist natürlich das Gewicht des Bauteils von Bedeutung.“ Da es neben der Tischplatte auch Zubehör oder Komponenten gebe, die an die Hauptkomponenten der Tischsysteme angedockt werden, sei es hilfreich, wenn diese leicht sind. Die Patientengewichte würden zunehmend steigen. Mit CFK könne man eine gute Stabilität und Festigkeit gewährleisten. „Dieser Mix aus geringem Gewicht und hoher Stabilität ist für uns entscheidend“, hebt List hervor. Ganz besonders achte man aber auch auf die Oberflächenqualität des Carbon. „Dabei legen wir zum einen Wert auf den Carbonlook, der auch ein gewisses Image ausstrahlt“, erläutert der Produktionsleiter. Zum anderen müsse aber vor allem die Oberfläche glatt und sauber sein, denn aus hygienischen Gründen dürften keine Riefen oder Kratzer im Material auftreten.
Mit Blick in die Zukunft meint Dr. Frank, dass der Einsatz von CFK dann zunehmen werde, wenn dieses Material noch in anderen Formen angeboten und noch leichter aufgebaut werden könne. „Mittlerweile gibt es schon Standardprofile aus Carbonfasern, wie Vierkantrohre, Rechteckrohre oder Rundrohre“, räumt er ein. Die müssten im Prinzip nur abgelängt und dann in die Metallbauteile eingeklebt werden. „Wir sehen den Trend, dass die Nachfrage nach CFK-Bauteilen anzieht“, unterstreicht Dr. Frank die Entwicklung zunehmenden Einsatzes von CFK auch in der Medizintechnik.
Noch schrecken viele potenziellen Anwender wegen der hohen Preise für Kohlefasern vor dem Einsatz von CFK zurück. Aber der Ansatz, den man in jedem Fall immer machen müsse, sei die Frage der Total Cost of Ownership, meint Dr. v. Hülsen von der Inometa. „Am Ende steht für denjenigen, der CFK-Komponenten einsetzt, doch die Frage, was das Bauteil kostet, das er damit fertigt“, lenkt er den Blick auf das Wesentliche. Wenn durch den Einsatz die Qualität und insbesondere die Produktivität gesteigert würden, lohne sich die Investition für den Anwender allemal.
Dr. Rolf Langbein Fachjournalist in Rottenburg
Industrieanzeiger
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