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In einem Zug spant sich das Werkzeug ans Ziel

Kombinationswerkzeuge steigern die Produktivität drastisch
In einem Zug spant sich das Werkzeug ans Ziel

Von unserem Redaktionsmitglied Haider Willrett haider.willrett@konradin.de

„Serienteile lassen sich nur wirtschaftlich fertigen, wenn mehrere Bearbeitungen in einem Schritt zusammengefasst werden“, versichert Dr. Dieter Kress. „Das verkürzt die Nebenzeiten auf ein Minimum.“ Möglich werde das durch Kombinationswerkzeuge, ergänzt der Geschäftsführende Gesellschafter der Mapal Dr. Kress KG, die ihren Stammsitz im schwäbischen Aalen hat. Kombinationswerkzeuge bohren – bei Bedarf mit unterschiedlichen Durchmessern –, sie fräsen, senken, fasen und reiben, sie spindeln aus oder erzeugen Gewinde. Ihre Stärken kommen besonders bei aufwendigen Bauteilen zur Geltung, bei denen eine Reihe von Bearbeitungen mehrere Werkzeuge erfordert. Wo die Spindel bisher nach jeder Bohrung, jeder Fase oder jedem Gewinde wieder zum Werkzeugwechsler hastete, arbeitet sie jetzt in einem Zug durch. Die Zahl der Werkzeuge und der erforderlichen Magazinplätze sinkt zum Teil drastisch. Ein Kombinationswerkzeug kann fünf bis zehn konventionelle Tools ersetzen. Über eine entsprechend kurze Taktzeit – bei komplexen Teilen kann sie um bis zu 70 % sinken – freut sich der Fertigungsplaner, über die eingesparten Werkzeuge der Einkäufer. Doch mit dem einfacheren Tool-Management und dem geringeren Verwaltungsaufwand für Einkauf und Lagerhaltung sind die Vorzüge dieser Multitalente längst nicht erschöpft. Kress, nebenbei auch Vorsitzender des Fachverbands Präzisionswerkzeuge im Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e.V. (VDMA), Frankfurt/M., erläutert: „Weil alle Schneiden am Werkzeug fix zueinander angeordnet sind, erfolgen die Bearbeitungen in exakt definierter Lage zueinander. Die daraus resultierende Genauigkeit reduziert den Prüfaufwand und vereinfacht die Qualitätssicherung.“
Rainer Fritsch, Leiter der Gruppe Grundlagen der Zerspanung am Werkzeugmaschinenlabor (WZL) der RWTH Aachen, bestätigt: „Bei Kombinationswerkzeugen steckt die Präzision im Werkzeug selbst. Das führt zu besseren Ergebnissen, als bei rein über die Maschine angestrebter Genauigkeit.“ Deshalb seien diese Tools auch fürs Bearbeiten besonders präziser Teile interessant. Obwohl sie eigentlich für große und mittelgroße Serien prädestiniert sind, bieten sie auch bei immer wiederkehrenden Kleinserien geldwerte Vorteile.
Die Bandbreite von Kombinationswerkzeugen reicht vom einfachen Stufenbohrer bis hin zu hochkomplexen, mehrteiligen Systemen mit unterschiedlichen Schneidstoffen für verschiedene Fertigungsaufgaben. Sogenannte Mehrtechnologie-Werkzeuge können in einem Arbeitsschritt beispielsweise Bohren, Fasen, Senken und Gewindefräsen, andere eignen sich fürs Hart- und Weichbearbeiten oder fürs Schruppen und Schlichten. Durch die hohe Präzision der einzelnen Stufen zueinander reicht fürs Fertigbearbeiten ein deutlich kleineres Aufmaß als beim Bearbeiten mit zwei Werkzeugen. Folge: Oberflächengüte und Standzeit steigen.
„Mit dem Head-Fitting-System, kurz HFS, haben wir eine Schnittstelle eingeführt, die es uns erlaubt, die Schneidsysteme und die Schneidstoffe der einzelnen Stufen an die jeweilige Aufgabe anzupassen“, erläutert Mapal-Chef Kress. Über die HFS-Schnittstelle, die durch eine Rundlauf- und Wechselwiederholgenauigkeit von 3 µm gekennzeichnet ist, lassen sich die Werkzeuge aus mehreren Elementen zusammensetzen. Das erforderliche Aufmaß fürs Schlichten beträgt wenige hundertstel Millimeter. „Der modulare Aufbau vereinfacht zudem das Nachschleifen des Werkzeugs.“ Ein weiterer Vorteil solcher Wechselkopfsysteme liegt im einfachen, schnellen und hochgenauen Austausch einzelner Module, etwa beim Wechsel der Anwendung. Wenn nötig, funktioniert das sogar im Arbeitsraum der Maschine.
„In Verbindung mit Kombinationswerkzeugen bieten Standard-Bearbeitungszentren heute eine Produktivität, die noch vor wenigen Jahren nur Sondermaschinen erreichten“, betont Kress. Den Durchbruch auf dem Weg zur hochproduktiven Maschine von der Stange hätten drei Innovationen gebracht: Spindeln mit hoher Stabilität und einem sehr guten Rundlauf, die präzisen HSK-Werkzeugaufnahmen und Hochleistungsschneidstoffe sowie die zugehörigen Beschichtungssysteme. „Der Fortschritt in diesen Bereichen war in den letzten zehn Jahren enorm“, blickt der Werkzeugspezialist zurück. „Durch diese Entwicklungen machen Kombinationswerkzeuge erst richtig Sinn, weil dadurch die Standzeit drastisch verbessert wird.“
Kress ist sich sicher, dass die Leistungsfähigkeit der Werkzeuge weiter steigen wird: „Schneidstoffe und Beschichtungen bieten noch erhebliches Entwicklungspotenzial.“ Einen weiteren Schub erwartet er bei der Trockenbearbeitung: „Darüber wird zwar schon lange geredet, in der Praxis ist aber auch hier noch einiges möglich.“ Und schließlich werden auch verbesserte Schneidengeometrien – Hartmetall, PKD und CBN lassen sich heute µm-genau bearbeiten – zum Fortschritt beitragen. Kleinere Späne sind leichter abzuführen und zu entsorgen.
Einen weiteren Trend sieht Frank Barthelmä. Der Leiter des Instituts für Werkzeugtechnik und Qualitätsmanagement (IWQ) der Gesellschaft für Fertigungstechnik und Entwicklung e.V. (GFE) in Schmalkalden erwartet eine Entwicklung hin zu plattform-orientierten Werkzeugen. Auf den Werkzeugbau übertragen, bedeutet das aus dem Automobilbau bekannte Prinzip: Grundversionen eines Werkzeugsystems lassen sich durch geschicktes Andocken oder Auswechseln von Schneiden oder Funktionsteilen an die jeweilige Aufgabe anpassen. „Anwendungsspezifische Werkzeuge sind damit schneller verfügbar und kostengünstiger herzustellen“, nennt der Wissenschaftler die wesentlichen Vorteile. Neugierde weckt Barthelmä in einer anderen Richtung: „Gespannt sein darf man, was die Entwicklung mechatronischer Werkzeuge noch bereithält. Konzepte, die über eine aktorische Schneidenfeineinstellung sowohl Schrupp- als auch Schlichtoperationen ermöglichen, gibt es bereits. Sie werden auf den Schmalkaldener Werkzeugtagen im November 2004 präsentiert.“
Zugeschnitten auf die jeweilige Anwendung, sind Kombinationswerkzeuge in der Regel Sonderanfertigungen. „Das Vorurteil, sie seien deshalb teurer als Standardtools, stimmt so jedoch nicht“, betont Mapal-Chef Kress. Allein die deutlich höhere Produktivität mache die Mehrkosten meist mehr als wett. Natürlich müsse im Einzelfall untersucht werden, ab welcher Losgröße sich der Aufwand rechnet. Diese Betrachtung übernehmen die Hersteller, die nicht nur das Werkzeug liefern, sondern auf Basis der Kundendaten komplette Fertigungsprozesse entwickeln.
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