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Intelligenter produzieren

DigitalE FABRIK: Produkte im Rechner formen
Intelligenter produzieren

Das Thema Digitale Fabrik ist charakterisiert durch vollständige Simulation und virtuelles Prüfen digitaler Modelle sowie der Fertigung ohne Prototypen. All dies verkürzt die Anlaufphase eines Produktes. Bei großen Unternehmen längst selbstverständlich, hinken Mittelständler noch hinterher.

Digitale Welten können heute bereits ganze Produktleben sowie Planungs- und Fertigungsprozesse simulieren. Mit ihrer Hilfe verkürzt sich die Anlaufphase eines neuen Produktes um 15 %. Bei den Entwicklungskosten können 20 % eingespart und die Produktivität um 10 % gesteigert werden, so lauten die Ergebnisse einer Studie des Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnik und Automatisierung. Durch die verkürzten Planungszeiten von Produkten und Produktionsanlagen, können Unternehmen den Innovationsdruck und die zunehmende Komplexität leichter bewältigen.

Nicht zuletzt aus diesen Gründen hat auch das Luftfahrtunternehmen Eurocopter Deutschland, eine Tochter des europäischen Luft- und Raumfahrtkonzerns EADS Simultaneous Engineering im Zuge der Digitalen Fabrik eingeführt: Dazu setzt das Unternehmen für die Fertigungs- und Montageplanung der Passagiertüren des Airbus A350XWB auf die Product-Lifecycle-Management-Lösung (PLM) Delmia von Dassault Systèmes aus Fellbach. Gerade die Türen sind im Flugzeugbau Hightech-Produkte, die ein ganzes Flugzeugleben lang enormen Druck- und Temperaturunterschieden standhalten müssen. „Neben diesen in der Luftfahrt üblichen, sehr hohen Qualitätsanforderungen stellt ein wirtschaftlich tragfähiges Fertigungs- und Montagesystem hohe Anforderungen an die Planung“, sagt Martin Wünsche, Leiter NC-Programmierung und Fertigungs-IT-Systeme bei Eurocopter: „Während die Produktentwicklung noch in vollem Gange ist, müssen wir schon frühzeitig damit beginnen, die Fertigung und Montagen zu planen. Ohne derartige Planungswerkzeuge ist ein solches Simultaneous Engineering nur mit hohem Abstimmungsaufwand möglich.“ Der Einsatz von Delmia bietet Eurocopter noch eine Reihe weiterer Vorteile: Innerhalb einer Softwareanwendung lassen sich Prozesse und deren Reihenfolge definieren, Vorgabezeiten berechnen, 3-D-Layouts erstellen, Kapazitäten und Investitionskosten planen und am Ende des Projekts Stückkosten berechnen. „Die Vorgehenswiese von Eurocopter ist ein Beleg dafür, dass Werkzeuge für die Digitale Fabrik aus der innovativen Fertigungs- und Montageplanung nicht mehr wegzudenken sind“, sagt Delmia-Geschäftsführer Jörg Schiebel. Auch bei Audi wird jede neue Produktionslinie im ersten Arbeitsschritt als digitale Fabrik am Rechner geplant; sie ist auf hohe Effizienz und Flexibilität ausgelegt. Ein Musterbeispiel dafür ist die Fertigung der Türen im Karosseriebau am Standort Ingolstadt, wo die Produktion für die Audi A4 Limousine, den Audi A4 Avant und den Audi Q5 auf einer gemeinsamen Fertigungsanlage läuft.
Ganz anders sieht es bei den Mittelständlern aus: Noch nicht einmal die Hälfte der Maschinen- und Anlagenbauer dieses Sektors haben eine funktionierende PLM-Lösung, die zumindest Teiles des Produktlebenszyklusses abdeckt. Zu diesem Ergebnis kommt jetzt der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) in einer Umfrage, an der rund 100 Mitgliedsfirmen teilgenommen haben. Dabei verlangen immer kürzere Lebenszyklen im Maschinenbau nach einer ganzheitlichen Steuerung und Verwaltung aller produktbezogenen Daten. Die Digitale Fabrik ist bei den meisten deutschen Maschinenherstellern bisher aber nur auf der Unternehmensleitebene verwirklicht und noch nicht bis zum prozessnahen Fertigungs-Management vorgedrungen, heißt es von Seiten des VDMA. Zwar setzen demnach 97 % der befragten Unternehmen ERP-Software (Enterprise Resource Planning) ein, wohingegen MES-Software (Manufacturing Execution System) nur bei 20 % zu finden ist. CRM-Systeme (Customer Relationship Management) und PLM-Lösungen (Product Lifecycle Management) sind bei 60 oder 44 % der befragten Firmen im Einsatz. „Dabei können gerade die Unternehmen des Maschinen- und Anlagenbaus jetzt den nachlassenden Druck an Aufträgen nutzen, um sich fit zu machen und die auch ohne Krise drängenden Herausforderungen der Zeit noch besser bewältigen zu können als bisher“, schätzt Olaf Daebler, Projektleiter der diesjährigen Digital Factory im Rahmen der Hannover-Messe.
Auch dort wird den interessierten Besuchern in diesem Jahr die Entwicklung, Simulation, Berechnung, virtueller Test und schließlich die Fertigung ohne physikalische Prototypen im innerhalb der Digital Factory-Sonderschau RapidX demonstriert: „Die Zukunft des Engineering liegt in der vollständigen Simulation und virtuellen Prüfung digitaler Modelle, die bald auch die physikalischen Eigenschaften der entwickelten Produkte abbilden,“ so Ulrich Sendler vom Anbieter-Zusammenschluss Sendlercircle. Wie das funktioniert zeigt Eplan gemeinsam mit dem Schaltschrankhersteller Rittal und Partnern wie der Komax Kabelverarbeitungssysteme und der Steinhauer Elektromaschinen: Gegenstand sind die Entwicklung eines Schaltschranks und seines Innenlebens für eine Werkzeugmaschine sowie die Fertigung der Verkabelung und des Gehäuses.
An einer Station Standardteile von Rittal werden dort als 3D-Objekte virtuell zusammengesetzt, die Montageplatte virtuell bestückt und mit den nötigen Durchbrüchen und Befestigungselementen versehen. Ergebnis sind Fertigungsunterlagen für die Ader- und Kabelfertigung sowie die Blechbearbeitung. Mit Software aus dem Hause Rittal lässt sich an der nächsten Station unmittelbar testen, wie die verbaute Elektrik optimal zu kühlen ist. Diese Simulation sichert dabei Energieeffizienz anstelle überdimensionierter Kühlung. Je nach erkannter Hauptströmungsrichtung können so beispielsweise Luftleitbleche ad hoc gefertigt und eingebaut werden. Zwei weitere Stationen nutzen die aus den beteiligten Systemen abgeleiteten NC-Daten einerseits zur automatisierten Kabelkonfektionierung, andererseits zur computerunterstützten Bearbeiten einer Montageplatte auf einer Flachbettfräsmaschine. Diese Maschine, ausgestattet mit einer PC-Steuerung von Beckhoff Automation aus Verl, wird über den zuvor entwickelten Schaltschrank gesteuert.
Die am Bildschirm virtuell erfolgte Planung kann jetzt auch durch Einbringen digitaler Figuren in ein CAD-Modell unterstützt werden. Diese können Konstruktionsteams mittels der neuen Software „Pro/Engineer Manikin“ von PTC einfügen, um Mensch-Maschine-Interaktionen zu simulieren und zu kommunizieren. „Der Konstruktions-Ingenieur muss dazu kein Experte mehr für Ergonomie sein“, erläutert John MacKrell, Senioranalyst bei CIMdata. Weil Anwender jetzt eine vordefinierte Figur in ein CAD-Modell einfügen und verschiedene Haltungen und Positionen variieren können, lassen sich die Einhaltung von Gesundheits- und Sicherheitsrichtlinien sowie ergonomischen Standards gewährleisten. Damit kann ein Verständnis davon gewonnen werden, wie ein Mensch in die geplante Konstruktion hineinpassen oder mit ihr interagieren würde. Da die Ingenieure bereits während der Produktentwicklung wissen, wie der spätere Nutzer mit der Maschine physisch interagieren wird, können sie ihre Produkte so noch genauer an die Bedürfnisse des Kunden anpassen. „Die Funktionalitäten zur Analyse von Blickwinkeln, Aktionsradien und weiteren ergonomischen Faktoren gewähren nun bereits zu einem deutlich früheren Zeitpunkt einen Einblick in die Produktkonstruktion und in den Entwicklungsprozess“, kommentiert Patrick Hodgins, Chefingenieur bei Callaway Cars.
Auch Roboter lassen sich jetzt noch exakter simulieren – dank einer neuen von Microsoft und SolidWorks gemeinsam entwickelten Software: Anwender von Microsoft Robotics Developer Studio 2008 (Microsoft RDS) können mit SolidWorks entwickelte 3D-CAD-Modelle direkt in die Microsoft Visual Simulation Environment (Microsoft VSE) integrieren und ihre Arbeitsschritte exakter simulieren. Dies gibt Roboterentwicklern die Möglichkeit, Probleme mit Roboteranwendungen frühzeitig zu beheben. So lässt sich die Roboteranwendung entwickeln und anschließend gleich der Betrieb des Roboters vor seinem tatsächlichen Einsatz simulieren. Dabei werden die Abmessungen, Randbedingungen, Masseeigenschaften, Motoren, Federn, Farben, Strukturen und mehr vom SolidWorks Modell integriert. „SolidWorks ermöglicht schon seit langem Modellierung, Bewegung und Simulationen, und unsere Kunden gefällt es, dass wir diese Funktionen jetzt auch auf die Robotik ausdehnen,“ erklärt Fielder Hiss, Director of Product Management bei DS SolidWorks.
Das virtuelle Welt und Realität immer stärker verschmelzen, zeigen auch Siemens-Forscher aus dem Bereich Industry Automation an einer Abfüllanlage für Flaschen. Sie haben einen Roboter aufgebaut, der einzelne Flaschen im Vorbeifahren greift und sie der Qualitätskontrolle übergibt. Nach erfolgter Prüfung werden sie wieder millimetergenau in den Strom vorbeiziehender Flaschen eingefügt. Die Entwickler haben den virtuellen Roboter passgenau am Bildschirm in die reale Anlage eingefügt. Verschraubungen, Abmessungen und die Strom-Anschlüsse, die Datenkommunikation oder die benötigte Druckluft wurden vor der Realisierung verifiziert. Sogar die Betriebsparameter des Roboters spielten die Forscher vorab in einer Echtzeit-Simulation durch. Trotz der Leistungsfähigkeit der Anlagensimulation besteht aber weiterer Optimierungsbedarf – insbesondere was die Durchgängigkeit des Planungsprozesses betrifft. Denn die Daten der gesamten Prozesskette wandern keineswegs nahtlos vom ersten Designentwurf bis zum vollständigen Fabrikmodell. Häufig müssen sie per Hand von einem Programm in das nächste übertragen werden. Von der 3D-Zeichnung in die Visualisierungs-Software oder aus dem virtuellen Modell in die Sprache der CNC-Fräsmaschine.
Edgar Lange Fachjournalist in Düsseldorf

Marktchancen
Koppeln von Wirklichkeit und Simulation: Das Planen und Konstruieren technisch anspruchsvoller Produkte in verteilten Werken oder Abteilungen war bisher ein langwieriger und mühseliger Prozess. Betroffene Unternehmen tun gut daran, künftig auf die digitale Produktentwicklung zu setzen. Dabei werden alle Schritte von der ersten Modellzeichnung bis zu den Prototypen in der virtuellen Welt geplant. Das erleichtert die Abstimmung, verkürzt den Entwicklungsprozess und stärkt die Wettbewerbsfähigkeit.
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