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Mit Carbon zu Edelmetall

Feldhockey und Kanuslalom: Olympioniken setzen auf CFK
Mit Carbon zu Edelmetall

Carbon Composites | Der Sport ist Vorreiter bei dem Hightech-Material. Doch jetzt, wo die Wickel- und Flechtanlagen der Industrie hochlaufen, profitieren davon auch die Wettkämpfer? Kommt drauf an. Zwei Beispiele des Carbon Composites e.V.

Sportgeräte aus Carbonfaser-verstärktem Kunststoff (CFK) sind leichter, steifer und langlebiger – zum Beispiel Hockeyschläger. Aber darum geht es nicht allein. „Der Spieler hat ein Gefühl für seinen Hockeyschläger“, sagt Martin Stoppel, kaufmännischer Leiter der Munich Composites GmbH. „Hier braucht der Schläger mehr Flex, dort fühlt er sich grazil an – so reden die Profis, wenn sie Stöcke testen.“ Die Wettkämpfer wünschen vor allem eine „nachvollziehbare“ Qualität. Auch beim zweiten, dritten oder vierten Modell ihres Stockes soll das Schlaggefühl exakt dasselbe sein.

Munich Composites hat dafür einen automatisierten Fertigungsprozess entwickelt und produziert seit einem Jahr CFK-Feldhockeyschläger in Serie für den australischen Hockeyausrüster Ritual. Bisher wurden fast alle CFK-Schläger aufgrund der niedrigen Produktionskosten in Asien, vor allem Pakistan, mit Hilfe von Prepregs hergestellt – also in Handarbeit mit den dabei unvermeidlichen Qualitätsschwankungen. Dank Automation rechnet sich die Fertigung nun auch in Deutschland. „Wir produzieren bereits einige tausend pro Jahr. Und das kann mehr werden, es gibt dafür einen weltweiten Markt.“
Das Geheimnis von Munich Composites ist die spezielle Produktionstechnologie für Hohlbauteile: Roboter ziehen einen Flechtkern durch die Flechtmaschine. „Die Fasern werden automatisiert auf den formgebenden Kern geflochten, so dass sie genau in der gewünschten Richtung zu liegen kommen“, erklärt Stoppel. Anschließend erfolgt ebenso vollautomatisch die Injektion im RTM-Verfahren.
Bei der Konzeption gab es mehrere Herausforderungen zu meistern. Eine lag in der sehr starken Krümmung des Hohlbauteiles im Bereich des Schlägerkopfs, eine andere in der Auslegung für alle möglichen Impact-Fälle, etwa wenn Schläger gegeneinander geschlagen oder Bälle mit dem Griff gespielt werden. Daneben ist die Dämpfung wichtig, um Schwingungen zu vermeiden. Die Münchener erarbeiteten einen Materialmix aus Carbon, Aramid und Naturfasern, um den Feldhockeyspielern ein hochwertiges Gerät in die Hand zu geben.
Bei den Produktionskosten spielt dem Unternehmen in die Hände, dass der Verschnitt beim Flechten sehr viel geringer ist als mit Prepregs. Während sonst häufig bis zu 40 % der teuren und energieintensiven Fasern entsorgt werden müssen, kommt die Technologie mit nur 5 % Verschnitt aus. Sie eignet sich damit auch für Mittel- und Großserien komplexer Hohlbauteile. Das Verfahren wurde bereits mit den JEC Awards 2012 und 2015 sowie dem Innovationspreis Bayern 2014 ausgezeichnet.
Das zweite Beispiel des Carbon Composites e.V. kommt direkt aus Augsburg, wo der CCeV seinen Sitz hat. Seit den Olympischen Spielen 1972 beherbergt die Stadt mit dem Eiskanal eine Wettkampfstrecke, die internationalen Rang besitzt und auf der täglich Sportler trainieren – mit Booten aus Faserverbundkunststoff. Thomas Schmidt, 2000 Olympiasieger im Kanuslalom in Sydney, trainierte hier. Als Student baute er sich an der Hochschule Augsburg sein eigenes Boot – mit technischen Mitteln, die für die üblichen Sportkanus zu aufwändig sind und damit zu teuer.
Sabrina Barm, an derselben Hochschule in seinen Fußstapfen, erklärt: „Der Kanubootsbau bedient einen so kleinen Markt, dass an automatisierte Fertigungsmethoden nicht zu denken ist. Die meisten Boote beziehen wir aus Osteuropa, wo sie durch Nasslaminieren hergestellt werden.“ Die Formgebung sei empirisch, im Kanusport gebe es dazu kaum fundierte Studien. Zudem sei die Struktur der Boote nicht leichtbaugerecht, die Lebensdauer zu gering.
Als aktive Kanutin wollte sie wissen, was denn bei ingenieurwissenschaftlicher Herangehensweise herauszuholen wäre. Sie regte ein Projekt für ein CFK-Wettkampfboot an. Daraus wurde eine dreiteilige Arbeit mit ihren Studienkollegen Lianna Gottfried, Alexander Grimm und David Thull.
Wichtig sind die Fahreigenschaften. Nur eine geeignete Rumpfgeometrie ermöglicht es den Sportlern überhaupt, gute Leistungen zu bringen. Auch darf das Eigengewicht nicht zu groß sein, trotz hohen Anforderungen an Steifigkeit und Festigkeit. CFK ist prädestiniert dafür, und so werden Composites-Rennboote mit Carbonfasern gebaut, meist in Kombination mit Aramidfasern. Das Team aus dem Masterstudiengang „Leichtbau und Faserverbundtechnologie“ definierte Parameter, um die Rumpfform zu beschreiben, und legte Zielkriterien für Kanuslalom-Rennboote fest. In strömungstechnischen Simulationen ermittelten die Studierenden eine ideale Rumpfgeometrie. Anschließend entwickelten sie die Struktur des Bootes und fertigten im dritten Schritt den Prototypen, größtenteils manuell.
Auch dieses Rennsportkanu wird aus zwei Halbschalen gefügt, die jedoch im Vari-Verfahren entstehen: Die Vakuum-Infusion bewirkt eine bessere Harzdurchtränkung und eine höhere Verdichtung als das Nasslaminieren. Das Formwerkzeug aus Styrodur fräst ein Roboter aus. CFK-Rippen in Sandwichbauweise versteifen die dünnen Composites-Halbschalen. Zu der Verrippung zählt auch ein Rahmen entlang der Nahtstelle, der hohe Lasten aufnimmt, etwa bei Kollisionen.
Statt die Bootshälften mit einem einfachen Aramid-Band zu verkleben, wählten die Augsburger eine robustere Methode: Zuerst fixieren sie die Ober- und Unterschale durch Verkleben zweier Stoßebenen. Dann stellen sie eine geschäftete Verbindung mit gestuften CFK-Lagen her. Diese Verbindung ist nicht nur großflächiger, sondern kann Lasten auch in sich selbst aufnehmen. Nach dem Schäften wird der Prototyp getempert.
„Wir haben erfolgreich eine neue Struktur ausprobiert“, resümiert Sabrina Barm. „Das Boot war leicht und überzeugte mit hervorragenden Fahreigenschaften.“ Mit einem Strukturgewicht von 7,4 kg blieb es im Zielkorridor unter 8 kg und erwies sich in Tests als mechanisch sehr belastbar.
Das Forschungsprojekt kam 2013 zum Abschluss. Unterstützt wurde es von den Industriepartnern Aerostruktur, SGL Carbon, Basler Lacke, Sika und CCeV. Den Bootsbau konnte Sabrina Barm damit nicht revolutionieren. Dem Kanusport und ihrem Material bleibt sie aber treu. Inzwischen arbeitet sie als Ingenieurin bei Forward Engineering – einem Technologieunternehmen, das automatisierte Konzepte für Composites-Großserien in der Industrie entwickelt. (os)
Industrieanzeiger
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