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Ob’s geht und wie’s besser geht

Spritzgiesssimulation: Machbarkeit prüfen und Prozess optimieren
Ob’s geht und wie’s besser geht

Spritzgießsimulationen verschaffen den Verarbeitern Einblicke in die Realisierbarkeit von Entwürfen. Es gibt zwei Hauptgruppen von Programmen: Pakete für schnelle Machbarkeitsstudien und Pakete für die detaillierte Optimierung.

Bei der Entwicklung von Spritzgussteilen kommt es immer wieder zu Fehlern, die sich durchaus hätten vermeiden lassen. Beispiele sind der Verzug von Teilen, eine unzureichende Werkzeugfüllung oder lange Zykluszeiten durch ungenügende Kühlung. Oftmals fallen solche Probleme erst bei Probespritzungen auf. Die Versuche, durch Änderungen am Werkzeug für Abhilfe zu sorgen, sind oft mit erheblichen Kosten verbunden. In vielen Fällen hilft nur ein längerer Nachdruck nach dem Einspritzen oder eine Maschine mit höherer Schließkraft. Beides geht mit höheren Produktionskosten als kalkuliert einher. Der Einsatz von Spritzgießsimulationen bringt hier eindeutig Vorteile – etwa wenn die Kosten des Formwerkzeugs hoch liegen, die Herstellkosten gesenkt werden sollen oder das Produkt an der Grenze des Machbaren liegt. Fortgeschrittene Simulationssoftware bietet in einem frühen Stadium Einblick in die Realisierbarkeit eines Entwurfs und die Spritzgießparameter. So lässt sich ein Produkt für die Fertigung optimieren, statt die Fertigung an das Produkt anzupassen.

Das Angebot an Simulationssoftware lässt sich in zwei Hauptgruppen untergliedern: Software für schnelle Machbarkeitsstudien und Pakete, die eine sehr detaillierte Optimierung erlauben. Die Auswahl der richtigen Software hängt unter anderem vom Erfahrungsniveau des Anwenders und von den gewünschten Resultaten ab.
Bei schnellen Machbarkeitsstudien, zum Beispiel mit Moldflow Part Advisor, exportiert das 3-D-CAD-Paket ein Modell, mit dem sich die Werkzeugfüllung untersuchen lässt. Schnelle Machbarkeitstudien sind ebenfalls manchmal schon in die 3-D-CAD-Software integriert, zum Beispiel bei Pro/Engineer Plastic Advisor. Bei einfachen Geometrien lassen sich damit gute Resultate erzielen. Ein Fachmann mit ausreichender Spritzgießerfahrung kann diese Resultate oftmals aber auch schon direkt von der Produktzeichnung ablesen, so dass der tatsächliche Nutzwert dieser Software begrenzt ist. Zudem hat sich gezeigt, dass diese einfache Software unter Umständen, etwa bei großen Wanddickenunterschieden oder Filmscharnieren, keine sehr genauen Resultate erzielt.
Bei komplexeren Geometrien oder für das Untersuchen anderer Aspekte als nur die Werkzeugfüllung ist eine Software für detaillierte Optimierung wie Moldflow Plastics Insight erforderlich. Mit diesem Programm lässt sich ein genaues Rechenmodell erzeugen. Allerdings wird es immer nötig sein, dieses Modell zu kontrollieren und eventuell nachzubearbeiten. Die Kunst des Weglassens unwichtiger Details spielt dabei eine ausschlaggebende Rolle. Erfahrung und Sachkenntnis der zu Grunde liegenden Theorie sind eine wichtige Voraussetzung.
Die Entwicklung solcher Modelle ist zeitaufwendig. Doch ein gutes Modell ist die Basis für eine große Zahl von Detailanalysen wie etwa Kühlung, Werkzeugfüllung mit mehreren Anspritzpunkten, Optimieren der Fließhilfen, Minimieren von Verzug sowie Optimieren der Werkzeugfüllung, etwa bei dünnen Rippen. Die Modelle lassen sich auch für Steifigkeits- und Festigkeitsanalysen verwenden. Die in die Modellierung investierte Zeit ist so schnell zurückverdient.
Ein Beispiel für den Einsatz von Simulationssoftware ist das Spritzgießen eines Bechers mit zwei Behältern. Für beide Behälter kommt ein In-mould-Label zum Einsatz. Vor dem Einspritzen des Kunststoffs sind die sehr dünnen Folien in das Werkzeug einzulegen. Die Herausforderung bei dieser Anwendung war es, den Kunststoff sehr gleichmäßig hinter die Label zu spritzen, damit diese gegen die Wand der Kavität gedrückt werden. Bei ungleichmäßiger Füllung können sich die Label verschieben oder zerknittern. Für die Entlüftung ist es ebenfalls sehr wichtig, beide Behälter gleichmäßig zu füllen.
Moldflow-Studien ermöglichten das Entwickeln einer Fließhilfe, mit der sich beide Behälter gleichmäßig füllen lassen. Diese ist so in die Produktgeometrie integriert, dass sie für das Konsumentenauge nicht sichtbar wird. Eine solches Optimieren ist ohne detaillierte Elementmodelle nicht möglich.
Eine sehr interessante, neue Entwicklung ist das Berechnen der Kernverbiegung in einem Werkzeug. Getränkekisten beispielsweise haben sehr hohe Säulen mit Kernen, die leicht verbiegen können. Diese Säulen werden von der Innenseite her gefüllt. Ohne Gegenmaßnahmen kann der Druck des Kunststoffs die Kerne nach außen drücken. Daher werden sie im Normalfall sehr dick konstruiert, und die Wandstärke ist an der Hinterseite der Kerne etwas erhöht, um eine Verbiegung zu verhindern. Heute ermöglichen es Moldflow-Studien, diese Verbiegung zu simulieren und zu optimieren. Dazu werden bei jedem Füllschritt Druck und Verbiegung der Kerne berechnet. Auch der Effekt auf die Füllung wird berücksichtigt, wenn sich die Wandstärken durch die Kernverbiegung verändern. Mit der Moldflow-Optimierung lassen sich die Wandstärken um die Kerne herum so auslegen, dass die Kerne kaum verbiegen. Damit wird es möglich, dünnere Kerne zu verwenden und so das Design der Getränkekiste zu beeinflussen.
Spritzgießsimulationen selbst auszuführen, lohnt sich dann, wenn solche Simulationen häufig benötigt werden. Häufig ist es vernünftiger, für die Simulation externe Spezialisten heranzuziehen. Dies gilt nicht nur für komplexe Analysen, sondern auch für Simulationen in einem frühen Projektstadium. Denn bei der Spritzgießsimulation können Verarbeiter – wie beim Spritzgießen selbst – über viele Fallstricke stolpern. Ein Experte kann das Maximum aus der Software holen, und nur mit guter Software lässt sich das Know-how des Experten voll ausschöpfen.
Jan Eek Abteilung Spritzgießsimulationen, Steifigkeits- und Festigkeitsanalysen bei der BPO Nederland b. v., Delft/Niederlande
Moldflow-Analysen berechnen Kernverbiegung

Kosteneffizienz
Simulationen sind schnell gemacht und helfen sehr – wenn sie sinnvoll angepackt und die richtigen Rückschlüsse gezogen werden. Dazu braucht es jedoch Erfahrung: Es gilt, die geeigneten Hilfsmittel auszuwählen und effektiv einzusetzen. Wichtiger als das Sichtbarmachen von Problemen ist, die Resultate treffend zu interpretieren und eine Lösung zu finden. Wo Erfahrung und Routine fehlen, empfiehlt sich die Zusammenarbeit mit einem Dienstleister.
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