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RFID-Chips funken Satelliten an

Ident-Systeme: Für jede Applikation die richtige Technik
RFID-Chips funken Satelliten an

Ident-Technik verkürzt Durchlaufzeiten, flexibilisiert die Variantenfertigung und informiert sogar den Kapitän eines Containerschiffs über den Zustand der Ladung. Doch oft stellt sich die Frage: Welche Codetechnik eignet sich für welche Anwendung am besten?

Im Bochumer Werk des Kfz-Zulieferers Johnson Controls stehen an den Fertigungslinien für Autositze rund 100 Schreib- und Lesegeräte. Die Module erfassen berührungslos alle Fertigungs- und Qualitätsdaten von der Materialzuführung bis zur Endmontage. Zudem werden an die 1000 mobile Datenspeicher mit berücksichtigt. Ziel des emsigen Datensammelns ist ein elektronischer Steckbrief für jeden montierten Sitz. Das Formular wird sofort nach Fertigstellung per Datenleitung an das Produktionsplanungssystem des Automobilherstellers übermittelt. Das von Siemens implementierte RFID-System (RFID = Radio Frequency Identification) erfasst und speichert dabei von jedem Sitz sämtliche Fertigungs- und Qualitätsdaten. Über eine Profibus-Schnittstelle gelangen diese Datensätze automatisch in das Wareneingangs- und Planungssystem des Autobauers. „Mit einer Barcode-Technik wäre eine derartig durchgängige Datenhaltung nicht zu schaffen“, versichert Birgit Gottsauner von Automation and Drives bei Siemens in Nürnberg.

Das heißt aber nicht, dass die Zeiten des herkömmlichen Strichcodes vorbei sind. Fortschritte machen sich bei Ident-Techniken überall bemerkbar, vor allem aber in der funkgestützten RFID-Technik. Das Angebot an elektromagnetischen Ident-Systemen auf RFID-Basis reicht von passiven Standardlabels bis hin zu aktiven Transpondern, die auch Salz- und Schwefelsäurebäder bei 700 °C überstehen. Das Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung IFAM hat bereits zusammen mit einem Gusseisenhersteller einen RFID-Chip in ein Aluminiumteil eingegossen, der auch bei 750 °C störungsfrei die Daten speichert und bei Abruf seine Informationen durch einen millimeterbreiten Spalt an das Lesegerät sendet.
Den großen Durchbruch gegenüber den optischen Erkennungstechniken haben die RFID-Systeme bislang nicht geschafft. Nach wie vor basieren laut einer Untersuchung des Marktforschungsinstituts Venture Development Corporation (VDC) nahezu 80 % aller eingesetzten Identifikationstechniken auf dem bekannten Barcode. Täglich werden weltweit etwa 40 Mrd. Strichcodelabels gedruckt. Dagegen spielen die Schreib- und Lesetechniken um das Smart Label eine Nebenrolle. Allerdings beobachtet VDC einen leichten Rückgang bei den so genannten eindimensionalen Barcodetechniken.
„Dort, wo der Barcode funktioniert, ist er immer noch die preiswerteste Kennzeichnungs-Variante“, sagt Gerhard Timme, Key Account Manager bei der Euro I.D. GmbH in Weilerswist. Aber bei der Teilekennung und -verfolgung nutzen Unternehmen seit einigen Jahren neben der Strichcodetechnik den erweiterten, zweidimensionalen Data-Matrixcode, der bei geringerem Platzbedarf mehr Informationen bereitstellt. Auf derselben Fläche lassen sich mit einem Matrixcode etwa vierzigmal soviel Daten codieren wie mit einem Strichcode.
Der klassische Barcode und die verschiedenen Varianten des Data-Matrixcode sind reine Fixcode-Systeme. Das muss kein Nachteil sein: „Viele Anwendungsfälle benötigen lediglich eine dauerhafte Kennzeichnung für Tracking und Tracing“, versichert Bernhard Lenk, Business Development Manger bei der Datalogic Automation GmbH in Erkenbrechtsweiler. Die Kennung ist auf einer Marke aufgebracht und wird auf das Bauteil als Strich- oder zweidimensionaler Matrixcode aufgedruckt. Diese Marken werden optisch abgetastet und anhand der aufeinander folgenden Intensitätsunterschiede gelesen. Barcodes werden per Laserscanner oder Sensortechnik ausgelesen, Matrixcodes über ein Bilderkennungsverfahren mit einer Kamera. Beide optischen Codearten lassen sich mit gängigen Druckern erzeugen und sind im Vergleich zu RFID deutlich kostengünstiger. Bei der 2D-Codierung ist allerdings wegen der geringen Tiefenschärfe ein hochwertiger Scanner mit leistungsfähiger Beleuchtungseinheit notwendig.
Vor allem das Direct Part Marking (DPM) trägt zur Verbreitung des Matricodes bei und ist laut Datalogic bei Herstellern von Leiterplatten, elektronischen Baugruppen und mechanischen Teilen nach wie vor beliebt. „Es ist wie eine Tätowierung, die sich nicht manipulieren lässt und die man auch nicht mehr weg bringt“, vergleicht Lenk die Markierung per Laserstrahl oder die Nadelprägung.
Während beim Strichcode die Dateninterpretation über die Breite der Striche und der dazwischen liegenden Lücken stattfindet, speichert ein zweidimensionaler Martrixcode die Produktinformationen in winzigen Zellen, die nach einem standardisierten Muster meist in Briefmarkengröße angeordnet sind. Die Hersteller von Lesegeräten steigern nicht nur die Auflösung ihrer Laser- oder Sensor-Scanner, sondern unterstützen beispielsweise durch Autofokus und Code-Fragment-Technik das Herausfiltern von Teilinhalten aus dem codierten Zeichenverbund.
Für Markus Weinländer, zuständig für Marketing und Strategie im Siemens Competence Center RFID, wird es auch in Zukunft im Produktionsalltag ein Nebeneinander von verschiedenen Identtechniken geben: „Sowohl RFID als auch 2D-Codes bekommen in der Qualitätsdokumentation eine immer größere Bedeutung.“ Dabei bieten 2D-Codes gegenüber RFID-Systemen einige wichtige Vorteile: Sie sind klein und können auch auf kritischen Materialien oder Komponenten wie Zylinderköpfen oder Turbinenschaufeln aufgebracht werden. „Zudem entfallen die Kosten für die Transponder“, ergänzt Weinländer. Je nach Anwendung sind deshalb 2D-Codes das Mittel der Wahl, wenn es um das Tracking und Tracing von Produkten, Werkzeugen oder Behältern geht. Für begleitende Logistikprozesse favorisiert Weinländer eher die RFID-Technik.
Unscheinbare Funkchips begleiten immer häufiger den Weg von Waren und Materialien. Berührungslos über Funk liefern sie Informationen zu Durchlauf und Verweilzeiten, über Herkunft und Bestimmungsort versandfertiger Güter. Mit Hilfe von Transpondern lassen sich Warenflüsse steuern und Warenübergänge protokollieren. Per drahtloser Übertragung über GSM (Global System for Mobile Communication) oder dem Satellitendienst GPRS (General Packet Radio Service) liefern RFID-Daten sogar ein lückenloses Bewegungsbild der transportierten Güter.
Ein Beispiel sind Containerschiffe. Die Container sind mit unterschiedlichen Sensoren ausgestattet. Einer prüft beispielsweise den Sauerstoff-Gehalt in den Containern, ein anderer überwacht Drücke, die auf die Containerwände ausgeübt werden. Verschiebt sich zum Beispiel die Ladung, schlägt der Drucksensor Alarm. Wird ein Container stark beschädigt oder geöffnet, dann merkt das der Sauerstoff-Sensor. Die Sensoren geben ihre Informationen weiter an einen RFID-Chip, der sich im Innern des Containers befindet und der die Daten in kurzen Abständen per Funk an eine GSM-Box leitet. Von hier aus werden die Informationen an ein bordeigenes Kontrollsystem und an einen Satelliten weitergeleitet. Dieser sendet die Auskünfte zum Kontrollsystem an Land. So erhält der Kapitän stets aktuelle Informationen über die Güter. Und auch die Reederei und der Frachteigentümer weiß jederzeit, wo sich die Container befinden und was mit ihnen los ist.
Der wirtschaftliche Einsatz von RFID-Technologie ist für Martin von Werder, Projektleiter RFID bei Jungheinrich, erst dann sinnvoll, wenn sich transponderbestückte Paletten oder Transportboxen auch tatsächlich übergreifend nutzen, austauschen und wieder verwenden lassen – vor allem wenn sie das eigene Werksgelände verlassen. Der Logistikdienstleister setzt deshalb alles daran, dass sich Behälter, die mit einem Transponder versehen sind, irgendwann ebenso problemlos austauschen lassen wie beispielsweise Europaletten – auch über Länder- und Unternehmensgrenzen hinweg. Internationale Standards für das Ein- oder Auslesen der Funkchips fehlen bis dato. „Hätten wir diese Standards, dann könnten Flurförderzeuge beim Transport die Produktdaten weltweit an die übergeordneten Informationssysteme weiterleiten“, sagt von Werder (siehe auch Kasten).
Im Gegensatz zu den klassischen Methoden der Identifikation von Ladungsgütern, Werkstücken oder Transportbehältern hat die RFID-Technik für den Jungheinrich-Manager eine ganze Reihe von Vorteilen: „Mit RFID lassen sich Daten berührungslos und ohne direkte Sichtverbindung gewinnen. Im rauen, produktionsnahen Umfeld ist das ein großer Vorteil“. Weitere Pluspunkte seien die höhere Speicherkapazität eines RFID-Transponders und die systembedingte Wiederverwendbarkeit. Dies ermöglicht beispielsweise die standardisierte Ausrüstung einer Mehrweg-Transportverpackung mit einem RFID-Transponder, der ohne großen Aufwand immer wieder neu mit aktuellen Informationen zu Art und Beschaffenheit des Transportguts beschrieben werden kann.
Nicht ganz einfach ist der RFID-Einsatz, wenn es um die Datenerfassung in der Nähe von Metall oder Flüssigkeiten geht. Zusammen mit Euro I. D. hat die Herding GmbH in Amberg ein passives RFID-System realisiert. Ziel des Filterherstellers war mehr Transparenz in der Warenwirtschaft. Kernstück des Projekts ist die lückenlose Produktverfolgung von Sinterlamellenfilter anhand der Serien- und Artikelnummern. Die Filter werden im Werk Amberg nicht nur hergestellt und ausgeliefert, sondern auch regeneriert. Dabei muss die Kundenzuordnung der regenerierten Elemente erhalten bleiben. „Wir haben auch den Einsatz von Barcodes in Erwägung gezogen, aber zugunsten der Vorteile von RFID verworfen“, berichtet Wolfgang Raabe, Produktionsleiter bei Herding.
Ein entscheidender Vorzug von RFID ist, dass die Herstelldaten von den Filtern auch dann noch von den Lesestationen erkannt werden, wenn Filterstaub jedes optische Verfahren unmöglich macht. Um die Filterelemente über RFID verfolgen zu können, werden im Meisterbüro neue Tags mit dem Sinterdatum des Filterelements beschrieben. Der Funkchip steckt eingeklebt in einer Aussparung, die bereits bei der Produktion in jedes Element gefräst und mit Kunstharz zugegossen wurde.
Andreas Beuthner Fachjournalist in Buchendorf
Oft reicht einfach eine dauerhafte Kennzeichnung

„Wir brauchen standardisierte, universelle Lösungen“

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Nachgefragt

In der RFID-Technik fehlen bis dato branchenübergreifende Standards. Hat man sich darum bisher zu wenig gekümmert?
Es gibt im RFID-Umfeld einen klaren Trend zur Standardisierung. Ein Beispiel ist das im UHF-Frequenzbereich etablierte Kommunikationsprotokoll nach EPC-Richtlinien. Standardisierte, universell austauschbare Lösungen sind notwendig, um die steigenden logistischen Anforderungen in Zukunft lösen zu können. Während sich im Bereich der so genannten Luftschnittstelle eine Konzentration auf wenige Standards abzeichnet, ist das bei RFID-unterstützten Prozessen noch nicht der Fall.
Was würden internationale Standards in der Produktion ändern?
Die zunehmend international ausgerichtete Produktionsstrategie vieler Unternehmen braucht einen reibungslos funktionierenden Datenaustausch über die Grenzen von Ländern und Kontinenten hinweg. Während die durchgängige Nutzung von RFID-Transpondern heute wegen unterschiedlicher Frequenzbereiche zum Beispiel zwischen Europa und Nordamerika nur beschränkt möglich ist, lassen sich zukünftig durch die weltweit anerkannten Standards Prozessverbesserungen realisieren. Das gilt nicht nur für das Datenübertragungsprotokoll, sondern auch für den Dateninhalt eines Transponders.
Mit RFID soll die gesamte Supply-Chain transparenter werden. Wo stehen die Unternehmen heute?
Global agierende Handels- und Retailkonzerne nutzen RFID am meisten. Die haben das Potential frühzeitig erkannt. Daneben setzen auch kleinere Unternehmen RFID zur Produktionssteuerung und -optimierung ein. Häufig sind das sehr spezielle Lösungen, die sich für einen universellen Einsatz nur bedingt eignen.
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