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„RFID ist ein logistischer Motor“

Jürgen Heim, Geschäftsführer Psion Teklogix, über die Zukunft von RFID
„RFID ist ein logistischer Motor“

„RFID ist ein logistischer Motor“
Aus Sicht von Jürgen Heim, Geschäftsführer von Psion Teklogix, hat der RFID-Chip nicht nur für große Konzerne eine Bedeutung. Auch mittelständische Betriebe können aus der boomenden Technologie Nutzen ziehen.

Herr Heim, damit wir über das gleiche reden, zunächst die Frage: Was verstehen Sie unter RFID?

Der Begriff Radio Frequency Identification, kurz RFID, subsummiert technologische Varianten der automatischen Identifizierung per Funk. Zu einem RFID-System gehören Transponder, mit denen Objekte gekennzeichnet werden und Lesegeräte. Schon bei den Transpondern gibt es große Unterschiede: Im einfachsten Fall handelt es sich um passive Tags. Sie haben keine Batterie und werden beim Auslesen vom Reader mit Energie versorgt. Daher ist ihre Reichweite auf wenige Meter begrenzt. Aktive Transponder besitzen eine eigene Energiequelle. Unterschiede gibt es auch bei den Speichereigenschaften: Hier werden einfache Nur-Lese-Tags mit fest eingespeicherter Produktkodierung und wiederbeschreibbare Tags angeboten. Das technologische Spektrum ist weit gespannt.
RFID ist ein Thema, das seit Jahren hochgekocht wird. Warum ist das so? Was hat RFID, was andere Ident-Techniken nicht haben?
Die Technik an sich ist weder neu noch spektakulär. Schon im Zweiten Weltkrieg dienten Transponder zur Freund-Feind-Unterscheidung von Flugzeugen. Und seit den achtziger Jahren nutzen Landwirte RFID zur Tier-Identifikation. Der gegenwärtige Hype, von dem Sie sprechen, hängt mit Veränderungen in der globalen Wirtschaft zusammen. Genauer: Mit der immer engeren Vernetzung multinationaler Lieferketten. RFID spielt hierbei die Rolle eines logistischen Motors, der die Integration von Supply Chains weiter vorantreibt. Gerade an großen Warenumschlagplätzen, etwa in einem Hafen mit seinen rauen Umgebungsbedingungen, werden die Vorteile von RFID evident: Anders als Barcodes sind Funkwellen nicht auf Sichtverbindungen angewiesen. Zudem verursachen äußere Verunreinigungen keine Lesefehler.
Hat die RFID-Technologie bereits den Durchbruch erzielt?
Noch nicht, aber sie ist auf dem Vormarsch. Die Zahl erfolgreicher Implementierungen wächst, auch im Mittelstand. Diese Beispiele werden Schule machen. Sinkende Transponder-Preise öffnen überdies das Tor in Richtung Massenmarkt.
In welchen Industrie-Bereichen wird RFID bereits am häufigsten eingesetzt?
RFID setzt sich am ehesten durch, wo bewegliche Güter und unstrukturierte Prozesse im Spiel sind. Das Marktforschungsunternehmen Gartner sagt, dass die Logistikbranche, das Gesundheitswesen und die Pharmaindustrie RFID am schnellsten auf breiter Front implementieren. Ein enormes Potenzial bietet die Funkidentifikation auch in der Luftfahrt und im Einzelhandel.
Für welche Unternehmen macht der Einsatz von RFID am meisten Sinn?
Sinnvoll ist der Einsatz überall dort, wo RFID die Effizienz und Stabilität von Prozessen verbessert. Alles hängt davon ab, ob RFID in einem konkreten Business-Kontext genügend Mehrwert erzeugt, der die Investition tatsächlich auch rechtfertigt. Wenig gewonnen ist beispielsweise, wenn etablierte Abläufe lediglich eins zu eins von Barcodes auf Funketiketten umgestellt werden. Für Unternehmen kommt es also in erster Linie darauf an, die Chancen der Technologie im Licht ihrer eigenen Geschäftsprozesse zu bewerten.
Was sind die wichtigsten Vorteile, die durch RFID entstehen?
RFID bringt mehr Transparenz in die Lager- und Produktionslogistik. Automatisierte Erfassungs- und Überwachungsprozesse lassen sich nahtlos auch auf solche Umgebungen ausdehnen, wo Barcode-Systeme nicht ausreichen. Simultanes Einlesen mehrerer Tags steigert gleichzeitig die Effizienz. Außerdem kann ein RFID-Tag deutlich mehr Informationen speichern als im Strichcode chiffriert ist. Ein wiederbeschreibbarer Transponder kann bildlich gesprochen als eine Art Produkt-Tagebuch dienen, das die Lieferhistorie vom Hersteller bis zum Kunden dokumentiert.
Welches Umsatzpotenzial verspricht RFID?
Die Marktprognosen schwanken. Das Bundeswirtschaftsministerium rechnet bis 2010 mit einem weltweiten Marktvolumen für RFID-basierte Waren und Dienstleistungen von rund 16 Milliarden Euro. Im laufenden Jahr erwartet die deutsche RFID-Branche einen Zuwachs von 10 Prozent. Dies ergab jüngst eine Umfrage des Verbands der EDV-Software- und Beratungsunternehmen VDEB.
Lohnt sich RFID auch für mittelständische Betriebe?
Prinzipiell bietet RFID in kleineren Firmen die gleichen Chancen zur Prozessautomatisierung wie in großen Unternehmen. Allerdings sind die Prämissen für Investitionsentscheidungen ganz anders gelagert, vor allem im Hinblick auf die Budgets. Umso wichtiger ist es, dass nicht nur über das Ob und Wann, sondern auch über das Wie der RFID-Einführung sehr genau nachgedacht wird. Hier empfiehlt sich unbedingt eine Strategie der sanften Migration. Existierende Ident-Lösungen sollten schrittweise in Richtung RFID erweitert werden, ohne frühere Investitionen zu gefährden. So bewältigen auch kleinere Unternehmen den Einstieg in die neue Technologie.
Welche Probleme müssen für eine breitere Anwendung noch überwunden werden?
Als vordringliche Aufgabe erscheint mir, die Akzeptanz in der Bevölkerung zu fördern. Die Bedenken von Verbraucherschützern müssen ernst genommen werden. Sie fürchten zum Beispiel, dass RFID-Kassen im Supermarkt zum „gläsernen Kunden“ führen. Hier muss die Industrie offensiver als bisher aufklären und klar aufzeigen, wie der Datenschutz in ihren Lösungen verankert ist. Die offenen Integrations- und Standardisierungsfragen auf technischer Ebene lassen sich demgegenüber leichter klären. Das zeigen die positiven Erfahrungen der vergangenen Jahre.
Welche Änderungen an der IT-Infrastruktur kommen auf den Anwender zu, wenn er sich für RFID entscheidet?
Die Business-Software muss gegebenenfalls angepasst werden. Nämlich dann, wenn RFID-Tags zusätzliche Informationen liefern, die natürlich auch verarbeitet werden müssen. Auch steigt das Datenaufkommen im Netz, weshalb für ausreichende Kapazitäten zu sorgen ist. Wichtig ist zudem, dass die Komplexität der Gesamtinfrastruktur nicht ausufert durch zu viele unterschiedliche Lesegeräte.
Wie bewerten Sie den Fortschritt in der Forschung bei RFID?
Da gibt es ganz faszinierende Beispiele. Ein führender Hersteller hat gerade einen staubkorngroßen RFID-Chip entwickelt, der gerade einmal 0,05 mal 0,05 Millimeter misst. Unsichtbar eingearbeitet in wertvolle Ringe und Colliers, könnte der Winzling den illegalen Handel mit Hehler-Ware erschweren. Für die logistische Praxis kommt es jedoch verstärkt auf verfahrenstechnische Innovationen an, um die Tag-Preise weiter zu senken. Im Fraunhofer-Institut hält man weniger als einen Cent für passive Transponder für durchaus realistisch.
Denken Sie, RFID wird die herkömmliche Ident-Technik einmal vollständig ersetzen?
Derzeit ist das nicht absehbar. Dafür sind bei den Kunden zu viele Barcode-Lösungen mit gut strukturierten Prozessen implementiert. Hier sehe ich einfach nicht genügend Optimierungspotenzial für RFID. Vermutlich werden alte und neue Ident-Technologien noch lange Zeit parallel zum Einsatz kommen.

Globalisierung
Schon vor 20 Jahren nutzten Landwirte Funkchips zur Tier-Identifikation. Doch manche Technologien gewinnen erst durch die Globalisierung so richtig an Bedeutung. So auch RFID. In der immer engeren Vernetzung multinationaler Lieferketten ist RFID zum logistischen Motor geworden. Global agierende Unternehmen kommen daher an RFID langfristig nicht vorbei.
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