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Rohrpost im Großformat

Logistik: Unterirdischer Gütertransport
Rohrpost im Großformat

Wissenschaftler der Ruhr-Universität Bochum wollen Güter in Ballungsräumen automatisch und unterirdisch in Röhren befördern. Die erste Teststrecke steht schon – ausgerüstet mit einer pfiffigen Antriebslösung.

Die Rohrpost kommt in neuer Form zurück. Eine Gruppe von Wissenschaftlern der Ruhr-Universität Bochum (RUB) plant, in Ballungsräumen den Gütertransport in den Untergrund zu verlagern. Sie nennen es die 5. Transportalternative zu Straße, Schiene, Wasser und Luft.

„Die Idee, den Gütertransport in unterirdische Rohrleitungen zu verlegen, kam mir als leidgeprüftem Verkehrsteilnehmer“, erinnert sich Prof. Dr. Dietrich Stein, der Antreiber der Projektes mit dem Namen CargoCap. Er sehe keine Perspektive, dass die Verkehrsprobleme mit dem bestehenden System behoben werden können, begründet der Professor die mutige Idee.
Der Kniff ist es, die Güter mit dem Lkw oder der Bahn bis an den Rand des Ballungsraumes zu bringen. Dann werden sie in unterirdischen Verteilzentren umgeladen und durch ein Röhrensystem in Gewerbegebiete, Fabriken und Stadtzentren verteilt. Am Anfang könnte nach den Planungen des Interdisziplinären Teams eine doppelte Rohrverbindung zwischen Dortmund und Duisburg stehen. Später sollen unter dem ganzen Ruhrgebiet unbemannte Güterzüge fahren.
Die direkten Folgen von Staus und Verspätungen kosten die deutsche Wirtschaft rund 200 Mrd. Euro jährlich, schätzen Wissenschaftler. „Alle Prognosen zur Verkehrsentwicklung werden stets weit übertroffen“, sagt Prof. Dr. Paul Klemmer von der RUB, „der Verkehrskollaps wird nicht nur kommen, er ist schon da.“ Denn schon kleine Störungen auf den überfüllten Straßen führen täglich zu veritablen Mega-Staus.
Die Röhren sollen entlang den Straßentrassen gebaut werden. „Der Mut, dieses Leitungssystem zu kreieren, kam mir durch die Entwicklungen in der Bohrtechnik des letzten Jahrzehnts“, berichtet CargoCap-Macher Prof. Stein. Ein neues Verfahren ermöglicht es, die Rohrleitungen in geschlossener Bauweise zu verlegen: also unbemerkt von der Bevölkerung, ohne Gräben auszuheben, kostengünstig und ferngesteuert. Von einer Startbaugrube aus werden die Tunnelelemente hydraulisch Stück für Stück vorangetrieben. Die nächste Baugrube wäre erst wieder nach 2 km Strecke nötig.
Die Größe der Fahrzeuge, Caps genannt, orientiert sich an der Euro-Palette, die 80 % des Güterverkehrs abdeckt. Dadurch reicht ein Rohrdurchmesser von nur 1,60 m aus. Fahrzeugverbände fahren dann mit einer konstanten Geschwindigkeit von 36 km/h, während einzelne Caps an Weichen ausscheren können, ohne den Verband zu stören, so die Vision. Fahrerlose Transportsysteme entladen die Caps und bringen die Paletten zu Aufzügen, die die Güter ans Tageslicht zu Verladeterminals bringen.
Einen Schritt weiter ist das Projekt, seit es in Bochum eine Testrecke im Maßstab 1:2 gibt. So sollen die elektro- und maschinenbautechnischen Aspekte untersucht werden, die nur im richtigen Betrieb getestet werden können. Das 160 m lange Schienensystem mit Energieversorgungs- und Steuerungseinrichtungen verfügt über Kurven, Steigungen und Verzweigungen. In einem unterirdischen Transportsystem müssen die Betriebssicherheit und Zuverlässigkeit garantiert sein, begründen die Entwickler den Aufwand. Sie simulieren in einem speziellen Bereich Risikosituationen und entwickeln Notfallkonzepte. Bis zu drei Fahrzeuge fahren dort derzeit zur gleichen Zeit (weiter S. 48).
Als Antriebslösung hat sich das Forscherteam für einen Elektroantrieb entschieden. Der Bruchsaler Antriebsspezialist SEW Eurodrive liefert als Entwicklungspartner die Lösung Movitrans. Das wartungsfreie System überträgt die Energie induktiv, kommt also ohne Schleifkontakte oder bewegliche Leitungen aus. Die Steuerung erfolgt dezentral über die Lösung Movipro von SEW, die die Informationen ebenfalls drahtlos über einen Leckwellenleiter von einem stationären Controller erhält. Die Fahrzeuge erhalten ihre Energie über zwei Übertragerköpfe, die bis zu 4 kW liefern. Den Antrieb übernehmen pro Cap zwei Servomotoren von SEW.
Die Bruchsaler stellen das System für das Projekt kostenfrei zur Verfügung. „Wir erhoffen uns davon ein neues Geschäftsfeld“, begründet Dirk Schedler, Leiter des Bereichs Dezentrale Antriebssysteme bei SEW das Engagement. In der Praxis kommt der Antrieb laut Schedler schon in Flurförderzeugen oder Elektrohängebahnen zum Einsatz.
Die Vision der Bochumer Wissenschaftler geht so weit, dass eines Tages ein Röhrennetz alle Ballungsräume durchziehen könnte. Ein angeschlossenes Netz aus Fahrrohrleitungen mit noch geringerem Durchmesser könnte dann sogar – ähnlich wie eine Abwasserleitung – einzelne Haushalte oder Wohngebiete per Mini-Caps mit Waren versorgen. Und wem die Geschwindigkeit von 36 km/h langsam vorkommt: In Paris beispielsweise schaffen Lastwagen gerade eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 9 km/h.
Tilman Vögele-Ebering tilman.voegele@konradin.de

Berührungslos und wartungsfrei

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Antriebslösung Movitrans

SEW Eurodrive stellt alle Movitrans-Komponenten zur Energieversorgung für die Fahrzeuge auf der Cargocap-Testanlage zur Verfügung. Das System funktioniert nach dem Prinzip der induktiven Energieübertragung. Dabei wird die elektrische Energie kontaktlos von einem fest verlegten Leiter auf einen oder mehrere mobile Verbraucher übertragen. Die elektromagnetische Kopplung erfolgt über einen Luftspalt und ist wartungs und verschleißfrei. Diese Eigenschaft ist entscheidend, wenn im späteren realen Betrieb die Fahrzeuge in Röhren von 1,60 m Durchmesser fahren und es so bei einer Störung äußerst schwierig wird einzugreifen. Kontaktbehaftete Energieübertragungssysteme haben eine wesentich höhere Ausfallwahrscheinlichkeit. Ein weiteres Plus: diese Art der Energieversorgung verursacht selbst keine Verschmutzung und ist unempfindlich gegen Fremdverschmutzung. Movitrans wird bevorzugt eingesetzt, wenn lange Verfahrwege mit hoher Geschwindigkeit zu überbrücken sind und wartungsfreier Betrieb gefordert wird. Ebenfalls interessant sind Anwendungen in schmutzkritischen Bereichen.
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