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Rot sehen genügt nicht, wenn viele blau machen

Fehlzeiten: Ursachenforschung wichtiger als vorschnelles Handeln
Rot sehen genügt nicht, wenn viele blau machen

Fehlzeiten senken bedeutet auch, die Motivation zu fördern und die Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen. Denn auf der Jagd nach den Blaumachern ist Fingerspitzengefühl gefragt.

Michael Gestmann ist Fachautor in Diessen

Die Kosten, die der deutschen Wirtschaft jährlich durch Krankentage und andere Fehlzeiten entstehen sind immens. Sie werden mit mehreren Milliarden Mark jährlich beziffert. Ganz zu schweigen von den fehlzeitenbedingten Kosten für Überstundenvergütung, Einstellung von Leiharbeitskräften oder sonstige Sachkosten. Wenn Fachkräfte ausfallen, kommt es zu Schwierigkeiten bei der Mitarbeiterdisposition, der Beschaffung von Ersatzkräften. Die Folge: niedrigere qualitative und quantitative Leistungsergebnisse.
„Ein gewaltiges Einsparpotenzial liegt bei den betrieblichen Krankenständen“, weiß Ehrhard Flato von Implus Training und Beratung, Ahnatal bei Kassel, aus Erfahrung. Der Fehlzeiten-Experte ist sich sicher: „Dort kann viel Geld eingespart werden.“
Das sagt auch Frank Illing, Bereichsleiter Personal und Soziales bei Kirchhoff Witte in Iserlohn, einem Zulieferer von Umformteilen für den Nutzfahrzeugbau: „Der Druck des Marktes zwang uns bereits vor Jahren, Kosten zu senken.“ Mit einem Maßnahmenbündel und unterstützt von Ehrhard Flato ging das Unternehmen konsequent das Thema Fehlzeiten an.
Denn wer nichts tut, wird bestraft: Die Zahl der kurzzeitig Kranken verdoppelte sich beispielsweise, als die Hoechst AG vor Jahren bei den Arbeitern auf das bis dahin vorgeschriebene Attest für den ersten Krankentag verzichtete. Und der Eindruck, dass es in den Betrieben eine stattliche Zahl von Blaumachern gibt, verstärkt sich beim Lesen der Fehlzeitenstatistik. Demnach üben die Brückentage zwischen zwei Feiertagen auf Mitarbeiter eine krankmachende Wirkung aus. Auffallend zudem: In einem Drittel der Fälle beginnen längere Krankheiten am Montag. Hingegen treten Kurzfehlzeiten meist am Anfang und am Ende der Woche auf.
Wer nichts tut, wird von Blaumachern hart bestraft
Bereits bei einer Fehlzeitenquote von über 5 % lohnt es sich, fehlzeitensenkende Aktoinen zu starten, raten Experten. So auch bei der Rhodius-Qualitätsschleifmittel GmbH & Co. KG, Burgbrohl, einem mittelständischen Unternehmen mit rund 150 Mitarbeitern. „Seit Einführung der Gruppenarbeit und flankierender Maßnahmen hat sich bei uns die Fehlzeitenquote um 48 % reduziert“, zeigt sich Horst Beitzel, Geschäftsführer bei Rhodius, mehr als zufrieden. Entscheidend ist für ihn, dass die Gruppenarbeit eine freiere und flexiblere Arbeitsorganisation ermöglicht. So verbesserte sich das Betriebsklima und erhöhte sich die Bereitschaft der Mitarbeiter, eigenständig Probleme zu lösen.
„30 bis 40 Prozent der Fehlzeiten lassen sich beeinflussen“, betont Spezialist Ehrhard Flato. Er weist darauf hin, dass so genannte harte Maßnahmen, zum Beispiel eine verschärfte Attestpflicht, das Verweigern der Lohnfortzahlung in Zweifelsfällen oder disziplinarische Methoden, eher kontraproduktiv wirken. Unternehmen, die die Fehlzeitenquote senken wollen, müssen nach seiner Ansicht beachten, dass zunächst gründliche Ursachenforschung betrieben werden muss. Denn es gibt mehrere Einflussfaktoren. Die wichtigsten sind:
– die Arbeitsbedingungen
– das Betriebsklima
– die Arbeitszufriedenheit
– die Mitgestaltungsmöglichkeiten am Arbeitsplatz
– ein partnerschaftliches Führungsverhalten der Vorgesetzten
– ein präventiver Unfall- und Gesundheitsschutz.
Bei Kirchhoff Witte entwickelten Personaler Illing und Berater Ehrhard Flato ein mehrstufiges Konzept. Zunächst wurden die Meister geschult, Fehlzeitengespräche zu führen. Kranke Mitarbeiter mussten zudem am ersten Fehltag ihrem Meister Nachricht über ihr Fehlen und die voraussichtliche Dauer geben.
Doch das Unternehmen wurde auch präventiv aktiv. So sorgten die Verantwortlichen dafür, dass sich das Arbeitsumfeld verbesserte. Unter anderem sorgte der Betrieb für verbesserte Beleuchtung, reduzierte Lärm, senkte Schadstoffemissionen und verschaffte bessere Luft in den Hallen. Desweiteren initiierte Frank Illing Gesundheitszirkel und in Kooperation mit der Betriebskrankenkasse eine Rückenschule für die Mitarbeiter.
„Um die Akzeptanz der Maßnahmen zu erhöhen, haben wir die Kosten, die unserem Unternehmen durch die Fehlzeiten entstehen, visualisiert“, berichtet Illing. „So wusste jeder Mitarbeiter, aus jeder Abteilung genau Bescheid.“ Härteres Geschütz fuhren die Kirchhoff-Witte-Verantwortlichen nur dann auf, wenn Mitarbeiter regelmäßig und länger fehlten. Dann lud die Personalabteilung zu einem Gespräch. Und als letzte Stufe kam es in Einzelfällen, zur krankheitsbedingten Kündigung.
Herzstück jeder Aktivität zur Fehlzeitensenkung sind individuell und situativ gestaltete Rückkehr-, Fehlzeiten- und Personalgespräche, ist Flato überzeugt. Wie erfolgreich diese Maßnahmen sind, zeigt das Beispiel Kirchhoff Witte. Im Laufe der Jahre sank die Fehlzeitenquote von über neun Prozent auf aktuell fünf Prozent.
So senken Sie den Krankenstand
Das Fehlzeiten-Management muss systematisch erfolgen. Hier die Tipps von Berater Ehrhard Flato
Rückkehrgespräche
sind unmittelbar zu führen, sobald der Mitarbeiter an den Arbeitsplatz zurückkehrt. Das Helfen und Betreuen stehen im Vordergrund. Das Gespräch sollte der Vorgesetzte führen. Sollte die Krankheitsursache betriebsbedingt sein, besteht die Möglichkeit, Ursachen zu analysieren.
Fehlzeitengespräche
sind erforderlich, wenn die Fehlzeitenquote hoch ist, aber die Krankheitsursachen unklar sind oder es Auffälligkeiten im Fehlzeitenverhalten gibt. Diese Gespräche sollte der unmittelbare oder nächst höhere Vorgesetzte führen. Inhalt des Gespräches ist das Fehlzeitenverhalten über einen längeren Zeitraum (ideal 3 Jahre). Ziel auch hier: Klärung der Ursachen.
Personalgespräche
sind die letzte Gesprächsinstanz. Es wird federführend von einem Mitarbeiter der Personalabteilung geführt unter Beteiligung der unmittelbaren Vorgesetzten sowie einem Betriebsratsmitglied. Hier entscheidet sich, welche Maßnahmen eingeleitet werden.
Dokumentation
der Gespräche hat sich als Erfolgsfaktor erwiesen. Sonst kann es passieren, dass die Regelmäßigkeit der Gespräche nachlässt und vor allem die unangenehmen und zeitintensiven Gespräche an Bedeutung verlieren.
Anzeige- und Meldepflichten bei Erkrankungen sind eindeutig zu regeln. Jeder Mitarbeiter muss wissen, was er im Krankheitsfalle zu tun hat. Zum Beispiel ist häufig unbekannt, dass krankgeschriebene Mitarbeiter ohne Verlust ihres Versicherungsschutzes vor Ablauf der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung die Arbeit wieder aufnehmen können.
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