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„Singapur bringt Geschäfte viel schneller in Gang“

Dr. Ahmad Magad und Alan Yeo zu den Perspektiven deutscher Mittelständler im südostasiatischen Stadtstaat
„Singapur bringt Geschäfte viel schneller in Gang“

Immer mehr deutsche Mittelständler erschließen sich über Singapur die ASEAN-Region. Wie produzierende Betriebe von den exzellenten Möglichkeiten im Stadtstaat profitieren, erläutern der Fertigungsexperte Dr. Ahmad Magad von II-VI Corp. und Alan Yeo, Regional Director Europe des Singa-pore Economic Development Board (EDB).

Herr Dr. Magad, was hat in Singapur dazu geführt, dass die Laser- und optischen Technologien eine so bedeutende Rolle als Impulsgeber spielen?

Dr. Magad: Als einer von fünf produzierenden Schlüsselsektoren in Singapur ist die Laser- und Optikindustrie seit Jahrzehnten ein Treiber und knüpft an eine sehr erfolgreiche Vergangenheit an. In den frühen 70er-Jahren siedelten sich deutsche Konzerne wie Leica hier an. Rollei startete 1970 die Produktion und beschäftigte innerhalb von vier Jahren 14 000 Mitarbeiter. Diese und weitere Unternehmen der Branche kamen nach Singapur, um die Optikindustrie zu etablieren…
… und machten den Stadtstaat zum Pionier der Branche in Asien?
Dr. Magad: Richtig, wobei die Laser-Technologie in den 80er-Jahren hinzukam. Mein Unternehmen II-VI Corp entschied sich in dieser Zeit auch für Singapur als Standort. Unsere Erwartung, dass sich die Laserindustrie hier wie in der ganzen Region dynamisch entwickeln würde, hat sich voll und ganz erfüllt.
Was macht den eigentlichen Erfolg von Singapur in der Optik- und Feinwerktechnikindustrie aus?
Alan Yeo: Um die gewaltigen Investitionen von Rollei in die Fertigung in den 70er-Jahren zu unterstützen, bot die Regierung in mehreren Einrichtungen Schulungen an, gründete spezielle Schulen und bildete so einige hundert Techniker aus. Damals gab es ja kaum qualifizierte Arbeitskräfte. Das Singapore Economic Development Board (EDB) hat eng mit Rollei zusammengearbeitet und ein spezielles Ausbildungssystem etabliert. Beide Unternehmen, Rollei wie Leica, hinterließen Jahre später einen Pool hochqualifizierter Techniker, von denen viele später Feinwerktechnik-Unternehmen gründeten, die heute das Rückgrat dieser Industrie bilden.
Wie nah steht das Ausbildungssystem Singapurs dem deutschen?
Alan Yeo: Es besteht eine sehr enge Verbindung. In der Erkenntnis, mit der betrieblichen Ausbildung auf die Anforderungen der Unternehmen, die spezielle Fähigkeiten benötigen, flexibel reagieren zu können, haben wir außerdem das deutsche duale System übernommen, um Techniker und Ingenieure auszubilden. So ist das Ausbildungsystem des Institute of Technical Education’s (ITE) und der Fachhochschulen nach dem dualen System aufgebaut. Hingegen vermittelt das Meisterausbildungsprogramm für Feinwerktechnik der Nanyang Polytechnic praktische Erfahrungen, angeleitet durch Technologieexperten in führenden Unternehmen.
Wie viele nutzen diese Möglichkeit?
Alan Yeo: Ein Hauptziel ist die Meisterausbildung von 2800 Arbeitskräften in den nächsten zehn Jahren. Dies spiegelt unseren Wunsch wider, deutschen Mittelständlern in Singapur eine zweite Heimat zu bieten, da beide Länder auf ähnlichen Werten wie Zuverlässigkeit, Qualität und Vertrauen beruhen.
Mittelständler investieren aber eher konservativ. Da geht es häufig nicht so schnell voran…
Alan Yeo: Mittelständler wie Dorma haben vor 30 Jahren in Singapur auch mit einem Vertriebsbüro begonnen. Heute unterhält der Türschließtechnikspezialist hier einen seiner wichtigsten F&E-Standorte außerhalb Deutschlands. Rohde & Schwarz hat seit vielen Jahren einen Standort in Singapur. Seit zwei, drei Jahren investieren die Münchener vermehrt in F&E und Engineering. Singapur ist für den Funktechnikexperten heute zweitwichtigster Standort. Dies zeigt: Wer konservativ investiert, kann in Singapur risikolos mit einem Vertriebsbüro starten. Läuft es gut, folgen F&E und Fertigung als nächste Schritte.
Das heißt, ein Unternehmen agiert erst dann global, wenn nicht mehr alles vom Stammsitz aus gesteuert wird?
Dr. Magad: Globalität ist dann gegeben, wenn ein Unternehmen die Anwendungs- und zunehmend auch die Produktentwicklung in die jeweiligen Weltregionen verlagert. Nur so kann es Produkte in der Region für die Region herstellen. Wer sich als deutscher Mittelständler in Singapur ansiedelt, profitiert zudem von den Arbeitskräften aus der Region mit ihren Ideen und Expertisen. Unternehmen wie Rohde & Schwarz zeigen deutlich, dass man hier F&E betreiben muss, um die richtigen Produkte für den asiatischen Markt herzustellen. Zudem lässt sich von hier aus die Konkurrenz auf dem asiatischen Markt besser beobachten. Überdies wird in Singapur geistiges Eigentum bestmöglich geschützt. Nicht ohne Grund werden viele wissensintensive Technologien und Produkte hier hergestellt. Deshalb produzieren Konzerne wie Rolls Royce in Singapur. In China würden sie dies nicht wagen.
Alan Yeo: Hinzu kommt: Viele Leute sprechen gut Deutsch. Selbst Paulaner wird hier ausgeschenkt und es gibt viele gute deutsche Bäckereien. Singapur gilt für Expats als die einfachste Stadt in Asien, um sich einzuleben, und ermöglicht es ihnen, sich in einer relativ sicheren und modernen Umgebung mit den verschiedenen asiatischen Kulturen vertraut zu machen.
Was schätzen Mittelständler in Singapur eher als Konzernmultis?
Dr. Magad: Bereits zum siebten Mal in Folge hat die Weltbank in ihrem Report „Doing Business 2013“ Singapur das weltweit freundlichste Geschäftsklima bescheinigt. Bürokratie wird möglichst einfach gehalten. Es gibt kaum Kriminalität, das politische System ist annähernd so stabil wie in Deutschland und nicht zu vergessen die vielen talentierten Arbeitskräfte. Diese Faktoren dürften eher von mittelständischen Firmen geschätzt werden.
Ist Singapur auch ein Sprungbrett für mittelständische Firmen, um ihre Position in den benachbarten südostasiatischen Ländern weiter auszubauen?
Dr. Magad: Viele nutzen Singapur auch als Drehkreuz für Geschäfte in China und der gesamten Region. Noch sind die zehn Länder der ASEAN-Gruppe hinsichtlich ihrer Entwicklung, eingesetzten Technologien und Märkte sehr unterschiedlich. Mit der Zeit sollen alle auf dem gleichen Stand sein, damit ein einheitlicher Wirtschaftsraum entsteht. Singapurs Vorteil ist, dass hier alles vor Ort ist: die Expertise, die notwendigen operativen Konditionen, ein gutes Netzwerk. Dies bringt Geschäfte viel schneller in Gang.
Alan Yeo: Singapur ist ideal für eine mittelständische Firma, die Kontakte zu asiatischen und anderen internationalen Unternehmen aufbauen will. Ziel ist es, Singapur zur führenden Kraft in Südostasien zu machen. ASEAN als Ganzes ist jetzt ein einheitlicher Wirtschaftsraum. Wir haben ein künftiges Abkommen und Singapur ist ein Teil davon. Im letzten Jahrzehnt kamen chinesische und andere südostasiatische Unternehmen nach Singapur, um von hier aus ihre Internationalisierung voranzutreiben. Für Mittelständler ist dies ideal, um Geschäfte zu machen und Asien in einem gut vernetzten Land wie Singapur kennenzulernen.
Wie funktioniert in Singapur die Verzahnung von Wissenschaft und Industrie?
Dr. Magad: Die Regierung in Singapur führt einen Wissenschafts- und Industrie-Plan, der alle fünf Jahre aktualisiert wird. Der Staat investiert Millionen von Dollar, um insbesondere kleine und mittlere Unternehmen zu unterstützen und sie mit Firmen und Institutionen zu vernetzen.
Alan Yeo: Diese hohen Mittel stellen sicher, dass Wissenschaft und Industrie eng kooperieren, ähnlich der Fraunhofer-Gesellschaft in Deutschland. Dem EDB ist es sehr wichtig, dass die Wissenschaft die Bedürfnisse der Industrie erfüllt.
Wie fördert das neue COLE-Forschungszentrum an der Nanyang Universität den Transfer von Wissen in die Praxis?
Dr. Magad: Mit hohen F&E-Fördermitteln ermuntert die Regierung große und kleine Unternehmen, mit den Forschungszentren zu kooperieren. Sie können dadurch ihre Prozesse verbessern und neue Produkte marktgerecht entwickeln.
Alan Yeo: Am COLE, also dem Centre of Optical and Laser Engineering, wurde soeben ein neues Kollaborations-Programm gestartet. Jährlich werden 20 Graduierte für die Kooperation mit Industriepartnern geschult. In den nächsten drei Jahren sollen zehn solcher Kollaborationen auf die Beine gestellt werden. Auf diese Weise unterstützt Singapur den Wissenstransfer und Anwendungen für die industrielle Entwicklung.
Mehr Informationen unter

Vitae

Dr. Ahmad Magad ist Group Managing Director II-VI Infrared Optics Manufacturing Operations in Asien mit Sitz in Singapur. 15 Jahre war er Mitglied des Parlaments des Landes. Dr. Magad hat in Aalen Feinwerktechnik (Ing. Grad) studiert, in England Business Administration (promoviert), er trägt einen MBA-Titel und ist u.a. Präsident der Singapore Productivity Association.
Alan Yeo ist Regionaldirektor Europa des Singapore Economic Development Board (EDB) mit Sitz in Frankfurt. Der diplomierte Ingenieur hat Energie- und Prozesstechnik an der Technischen Universität Berlin studiert.
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