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Stärkere Felder mit immer kleineren Magneten

Optimierte Werkstoffe sorgen für Trend zur Miniaturisierung
Stärkere Felder mit immer kleineren Magneten

Magnetwerkstoffe haben in ihrer Leistungsfähigkeit enorme Sprünge gemacht. Seltenerd-Dauermagnete miniaturisieren zum Beispiel die Antriebssysteme, und nanokristalline Legierungen decken in der Weichmagnetik eine bisher unerreichte Anwendungsbreite ab.

Dr. Jörg Petzold ist Leiter Entwicklung Magnetkerne bei der Vacuumschmelze GmbH & Co. KG in Hanau

Den besten Überblick über die wichtigsten Magnetwerkstoffe gibt das Diagramm: Werkstoffe mit Koerzitivfeldstärken von 1 bis 103 mA/cm werden als weichmagnetisch bezeichnet, oberhalb 104 mA/cm folgen die Dauermagnete.
Weichmagnetische Werkstoffe
Für weichmagnetische Werkstoffe ist neben der niedrigen Koerzitivfeldstärke (HC) ein großer elektrischer Widerstand und eine möglichst hohe Sättigungsmagnetisierung (MS) wichtig. Wegen der hohen Sättigung von 2,2 T und seines günstigen Preises ist daher zunächst reines Eisen von Bedeutung für Joche, Relaisteile, Ankerkörper und Polschuhe. Ein wesentlicher Vorteil ist die Fließpressbarkeit.
Nachteile sind die Korrosionsanfälligkeit und ein niedriger spezifischer Widerstand, der bei schnell bewegten Teilen zu hohen Verlusten führt. Zulegieren von Silizium erhöht den Widerstand um ein Vielfaches und verbessert die Magneteigenschaften. Dies hat zu einem riesigen Bedarf von etwa 8 Mio t pro Jahr in der Energietechnik geführt, wo das kostengünstige Material zur Stromerzeugung und -verteilung und in Antrieben eingesetzt wird.
Nichtorientiertes Elektro- oder Dynamoblech mit isotropen Eigenschaften in der Blechebene findet Verwendung in Maschinen, Generatoren oder Aktoren. Kornorientiertes Elektro- oder Trafoblech besitzt dagegen die für Transformatoren notwendige niedrige Koerzitivfeldstärke und hohe Permeabilität.
Da die maximale Haftkraft eines Elektromagneten von MS2 abhängt, ist der vergleichsweise teure Werkstoff CoFe mit höchsten MS-Werten von 2,4 T überall dort gefragt, wo magnetomechanische Teile trotz kleiner Volumina hohe Kraftmomente aufbringen müssen (Seite 64). Er wird in Relaisteilen, Aktoren, Jochen, Motoren und Generatoren für den Flugzeugbau, in Nadeldruckern, Ventilen oder Spezialtrafos eingesetzt.
NiFe-Legierungen sind bei guter Verarbeitbarkeit die vielseitigste kristalline weichmagnetische Legierungsgruppe. Mit 80 % Ni erreichen Permalloys die höchste Anfangspermeabilität von rund 300 000. Dieser Legierungstyp kommt in Magnetkernen für hochempfindliche FI-Schalter und Übertrager zum Einsatz, aber auch in Abschirmungen oder Relaisteilen. Bei mittleren Ni-Gehalten von 45 bis 65 % ergeben sich Permeabilitätswerte bis etwa 60 000 mit einer Sättigungsinduktion von 1,2 bis 1,6 T. Anwendungsbeispiele sind Relaisteile, Aktoren, Motorenbleche oder spezielle Magnetkerne. Ni-Gehalte von 35 bis 40 % bewirken einen hohen elektrischen Widerstand. Sie führen zu verlustarmen Übertragerwerkstoffen, die wegen des niedrigen thermischen Ausdehnungskoeffizienten auch als Einschmelzlegierung oder Lochmaske für Bildröhren verwendet werden.
Amorphe Fe- oder Co-Legierungen sind im Gegensatz zu kristallinem Material glasartig isotrop und besitzen daher niedrigste Koerzitivfeldstärken. Hergestellt werden sie durch Abschrecken einer flüssigen Schmelze in Form dünner Bänder mit etwa 20 µm Dicke. Je nach Zusammensetzung erreichen sie entweder hohe Sättigungswerte bis 1,7 T oder höchste Permeabilitäten bis rund 300 000, wobei die Ummagnetisierungsverluste um Faktoren niedriger liegen als bei kristallinen Werkstoffen. Anwendungen sind induktive Bauelemente der Leistungselektronik, Telekommunikation, Stromerfassung, aber auch Sensoren, flexible Antennen oder Diebstahlsicherungsetiketten.
Spezielle Fe-Legierungen werden zunächst amorph hergestellt und dann mittels Wärmebehandlung in eine nanokristalline Struktur überführt. Diese Legierungen haben ein ultrafeines Gefüge mit etwa 10 nm großen Körnern und besitzen ein einzigartiges Eigenschaftsprofil aus hoher Sättigungsinduktion, weiträumig einstellbarer Permeabilität von 10 000 bis 200 000 und niedrigsten Verlusten. Zum attraktiven Spitzenwerkstoff werden diese Legierungen außerdem durch ihre hohe thermische Stabilität und die preisgünstigen Rohstoffe. Die Anwendungsbreite geht weit über die anderer Magnetwerkstoffe hinaus.
Weichferrite sind trotz niedriger MS-Werte bis maximal 0,4 T die in der Nachrichtentechnik und Leistungselektronik meistgebrauchten Induktivitäten: Sie bestehen aus kostengünstigen Verbindungen von Eisen- mit anderen Metalloxiden. Die bekanntesten Vertreter sind die MnZn- und NiZn-Ferrite. Da die Weichferrite pulvermetallurgisch hergestellt werden, haben sie keramische (und nicht metallische) Grundeigenschaften und daher einen extrem hohen elektrischen Widerstand bis 106 Vm. Bei Frequenzen unter 2 MHz werden die relativ hochpermeablen MnZn-Ferrite in Drosseln, Signal- oder Leistungsübertragern eingesetzt. Darüber kommen NiZn-Ferrite in Antennen oder Hochfrequenz-Filterspulen zum Einsatz.
Dauermagnetische Werkstoffe
Dauermagnete benötigen höchste Koerzitivfeldstärken (HC), um ein stabiles äußeres Feld bieten zu können.
Dennoch spielen AlNiCo-Magnete mit HC-Werten unter 1,6.106 mA/cm und Energiedichten von nur 60 bis 80 kJ/m³ seit Jahren eine wichtige Rolle. Der Grund sind Einsatztemperaturen bis 500 °C und die geringe Temperaturabhängigkeit der Kenngrößen. Sie kommen in Motoren, als Haltemagnete in Auslöserelais und in Mess-Systemen zum Einsatz.
Seltenerd-Dauermagnete besitzen auf Grund der atomaren Besonderheiten der Elemente Neodym und Samarium höchste Energiedichten: Bei Nd2Fe14B-Magneten lassen sich (B×H)max-Werte von 200 bis 420 kJ/m³ über die Legierungszusammensetzung einstellen. Allerdings verhalten sich die maximale Einsatztemperatur (50 °C bis 230 °C) und die Koerzitivfeldstärke dazu gegenläufig. Derart hohe Energiedichten ermöglichen es, das Magnetvolumen gegenüber konventionellen Werkstoffen signifikant zu verkleinern und ganze Systeme oder Baugruppen zu miniaturisieren. Dies erschließt neue Konstruktionsprinzipien und neue Anwendungsgebiete. Beispiele sind Hochleistungs- und Servomotoren, Linearantriebe, Aktoren im Motormanagement, Positioniersysteme für Festplattenlaufwerke, Sensoren in der Automobiltechnik, Dauermagnetlager, Magnetseparatoren, Haftsysteme für den Maschinenbau und Strahlführungssysteme in der Beschleunigertechnik. Bei höheren Betriebstemperaturen, wie sie etwa in Magnetkupplungen für die Verfahrenstechnik oder in Schrittmotoren auftreten können, ist dagegen SmCo5 oder Sm2Co17 vorzuziehen (bis 350 °C).
Eine weitere wichtige Variante von Seltenerd-Magneten sind polymergebundene Magnete. Der Hersteller pulverisiert das Magnetmaterial, mischt es mit organischen Bindemitteln und verarbeitet es durch Spritzgießen oder Formpressen zum endgültigen Teil (Seite 61). Der große Vorteil liegt in der Realisierbarkeit komplizierter Bauteilgeometrien und wiegt bei weitem den Nachteil auf, dass die Energiedichten gegenüber dem reinen Seltenerd-Material sinken.
Hartferrite sind Verbindungen von Strontium- oder Bariumoxid mit Eisenoxiden. Sie bilden einen Kompromiss mit ausreichenden Magneteigenschaften bei moderaten Kosten. Weltweit werden rund 90 % aller Dauermagnet-Anwendungen mit Sr- oder Ba- Ferriten realisiert. Ähnlich wie bei den Weichferriten, besteht der Nachteil einer relativ niedrigen Remanenz und damit von Werten unter 40 kJ/m³ für die maximale Energiedichte. Auch bei den Hartferriten spielt die kunststoffgebundene Variante eine wichtige Rolle.
Weichmagnet-Werkstoffe
Weichmagnetische Werkstoffe müssen sich durch ein äußeres Feld leicht in der gewünschten Richtung aufmagnetisieren lassen. Dazu benötigen sie kleine Koerzitivfeldstärken HC (Mindestfeldstärke, um die Magnetisierung zu ändern) und eine hohe Permeabilität µ (Verhältnis von Magnetisierungs- zu Feldstärke-Änderung). Außerdem muss das Material magnetisch isotrop sein, was undefinierte Vorzugsrichtungen und sonstige Gitterstörungen verbietet. Um gute Hochfrequenzeigenschaften und niedrige Ummagnetisierungsverluste zu realisieren, braucht der Werkstoff einen hohen elektrischen Widerstand und muss sich in Form dünner Bänder herstellen lassen. Schließlich ist eine hohe Sättigungsmagnetisierung MS die Voraussetzung dafür, bei geringem Bauvolumen hohe Leistungen zu übertragen.
Dauermagnet-Werkstoffe
Die Bedingung für stabile äußere Felder von Dauermagneten sind höchste Koerzitivfeldstärken. Das erreichen Legierungs-Ingenieure durch magnetische Härtung, indem sie Einfluss nehmen auf das Gefüge und atomare Eigenschaften. Ein weiterer Kennwert ist die maximale Energiedichte (B×H)max. Von ihr hängt die Größe des Dauermagneten ab, um ein bestimmtes Feld an einem vorgegebenen Ort erzeugen zu können. Unterschieden werden isotrope Magnete ohne Vorzugsrichtung und anisotrope Magnete. Letztere lassen sich nur in Vorzugsrichtung magnetisieren, weisen jedoch hohe Flussdichten auf.
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