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Systematisch von Beginn an

Ansatz „Design to IP“ verschafft Mittelstand Erfolg mit Patenten
Systematisch von Beginn an

Patentarbeit | Mittelstandsunternehmen müssen sich immer mehr die Frage stellen, ob der Nutzen aus traditioneller Patentarbeit den Aufwand wirklich rechtfertigt. Der Teufel steckt oft im Detail. Die Lösung ist eine Neustrukturierung der Patentarbeit.

Dr.-Ing. Jan GottschaldInhaber der Patentanwaltskanzlei Gottschald, DüsseldorfDr. rer. nat. Arnd Schaff Beiratmitglied der Patentanwaltskanzlei Gottschald

Die Gesamtheit geistigen Eigentums wird im internationalen Raum als Intellectual Property (IP) bezeichnet. Hierzu gehören Erfindungen, die sich der geistige Eigentümer durch gewerbliche Schutzrechte wie etwa Patente schützen lassen kann. Schutzrechte und alles, was damit zu tun hat, werden jedoch in mittelständischen Unternehmen oft nur als ungeliebter Zeit- und Kostenfaktor gesehen. Folgt die Patentarbeit keinem strategischen Prozess, verschaffen Patente häufig nicht den erhofften Wettbewerbsvorteil und Patentrisiken lassen sich auch nicht rechtzeitig erfassen. So werden in vielen Unternehmen jährlich sechsstellige Patentbudgets ausgegeben, ohne dass ein Nutzen direkt erkennbar wird. Das lässt sich über eine dezidierte Methodik ändern.
Im Unternehmen ist der Aufbau eines relevanten Patentportfolios erforderlich, um dem Wettbewerber den Zugang zum Markt zu erschweren. Basis hierfür ist die rechtzeitige Erkennung und Wertung von Erfindungen, die in eigene Patente umgesetzt werden können. Dabei sind jene Erfindungen zu identifizieren, deren Schutz auch tatsächlich einen Wettbewerbsvorteil begründet. Das sind oftmals weniger die rein technisch anspruchsvollen Erfindungen, sondern die Erfindungen auf Produktmerkmale, die vom Kunden auch wahrgenommen und wertgeschätzt werden. Eine wichtige Voraussetzung für die Identifikation dieser kundenrelevanten Erfindungen (auf Produktmerkmale) ist neben dem Willen, ein Patentportfolio aufzubauen, auch die kontinuierliche Überwachung des Produktentstehungsprozesses.
Nur wenige Unternehmer, Entwickler und Ingenieure aber wissen: Die Patentwelt bietet weit mehr Chancen als den bloßen Schutz von Erfindungen im Wettbewerb. Zusätzliche Chancen ergeben sich aus der einfachen Tatsache, dass jedes Patent die Beschreibung einer Lösung für ein technisches Problem enthält. Sofern für die betreffende Lösung kein Schutz mehr besteht, ist diese frei nutzbar. Damit hat sich in den letzten Jahrzehnten aus Patenten eine Wissensbasis für technische Lösungen aufgebaut, die über Patentdatenbanken gut zugänglich ist. Diese Patent-Wissensbasis kann als Sprungbrett für eigene Entwicklungen genutzt werden, was stets mit einer Beschleunigung einhergeht. Aber auch hier braucht es eine Methodik, einen kontinuierlichen und strukturierten Zugang zu den Datenbankinformationen. Wesentliche Voraussetzung für diese Beschleunigung ist der Zugang zu der Patent-Wissensbasis zum richtigen Zeitpunkt im Produktentstehungsprozess.
Die andere Seite der Medaille sind eigene Patentverletzungen gegenüber Dritten, gleichgültig ob vorsätzlich oder fahrlässig. Zu einem Risiko wird eine eigene Patentverletzung je nachdem, ob – und wenn ja, wie spät – sie entdeckt wird. Je nachdem, wann die eigene Patentverletzung erkannt wird, können sich unterschiedliche Reaktionsmöglichkeiten ergeben.
In einem frühen Stadium des Produktentstehungsprozesses kann auf eine Patentverletzung ohne weiteres noch mit einer Änderung des Produktes reagiert werden, ohne dass dies zu spürbaren Mehrkosten führt. In einem späten Stadium des Produktentstehungsprozesses dagegen ist eine Produktänderung oft nur mit hohem Aufwand oder gar nicht mehr möglich. In jedem Fall ist dies mit massiven Mehrkosten, manchmal sogar mit einem Verlust des Produktes insgesamt, verbunden. Allein um dieses Risiko zu vermeiden, ist eine ständige Überwachung des Produktentstehungsprozesses notwendig.
Situation im Mittelstand
Je nach Unternehmensstruktur wird die traditionelle Patentarbeit im Mittelstand mehr oder weniger einzelfallbezogen durchgeführt. Dies bedeutet, dass die Patentarbeit in erster Linie durch den Zeitpunkt der Fertigstellung von Erfindungen oder von Produkten gesteuert wird. Erst dann kommt die Patentabteilung ins Spiel.
Eine systematische Begleitung des Produktentstehungsprozesses findet erfahrungsgemäß dann statt, wenn die unternehmenseigene Patentabteilung gut strukturiert ist und professionell arbeitet. Das ist – je nach Betriebsgröße und Betriebskomplexität – in kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) tendenziell nicht der Fall. Angesichts dieses weit verbreiteten Mankos ist mit Blick auf die Patentarbeit im Mittelstand fast immer eine erhebliche Verbesserung des Status Quo möglich. Oft wird der Zustand übrigens noch verstärkt durch die Zusammenarbeit mit einem externen Patentanwalt. Denn typisch für diese Kooperationsmodelle ist, dass der Patentanwalt immer erst auf Zuruf und regelmäßig nicht vorausblickend und begleitend tätig wird.
Lösungsansatz – Design to IP (DTIP)
Wie es anders gehen kann, zeigt der DTIP-Ansatz. Im Rahmen von Design to IP begleitet die Patentarbeit den Produktentstehungsprozess systematisch von Beginn an. DTIP bedeutet die Synchronisierung zwischen Produktentstehungsprozess und Patentarbeit. Damit wird die Patentarbeit genau dann vorgenommen, wenn sie wirklich gebraucht wird. Die oben genannten Chancen können somit voll ausgeschöpft werden. Da beide Prozesse stetig und parallel laufen – gewissermaßen auf Augenhöhe – werden Aussetzer, blinde Flecken und Risiken weitgehend ausgeschaltet.
Die Basis für DTIP bildet der Aufbau einer effizienten Infrastruktur für schützenswertes geistiges Eigentum (Intellectual Property), die auf dem bestehenden Produktentstehungsprozess des Unternehmens aufsetzt. Drei Säulen sind hierbei wichtig:
Die Benennung eines IP-Managers im Unternehmen, der die direkte Schnittstelle zwischen Produktentstehungsprozess und externem Patentanwalt bildet.
Die Erweiterung des Produktentstehungsprozesses zu einem DTIP-Prozess, so dass der Produktentstehungsprozess optimal mit der Patentarbeit synchronisiert werden kann. Der DTIP-Prozess stellt vorrangig auf so genannte Triggerpunkte im Produktentstehungsprozess ab; hier werden Wissenspotentiale, Verletzungsrisiken und Anmeldepotentiale regelmäßig geprüft.
Das fachliche Training aller direkt und indirekt in den IP-Prozess eingebundenen Mitarbeiter. Hierzu gehören der IP-Manager wie auch die am technischen Produktentstehungsprozess beteiligten Mitarbeiter.
Das DTIP-Konzept stellt auch neue Anforderungen an den externen Patentanwalt, der nunmehr von Beginn an in den Produktentstehungsprozess einbezogen ist. Er muss eine reibungslose Schnittstelle zum DTIP-Manager und den Entwicklungsingenieuren bereitstellen. Das Team um den Patentanwalt sollte daher auf das DTIP-Konzept geschulte Patentingenieure aufweisen, um diese Schnittstelle effizient zur Verfügung stellen zu können.
Der Lösungsansatz DTIP geht zurück auf das Grundkonzept, wonach alle mit dem technischen Produktentstehungsprozess wechselweise verknüpften Faktoren systematisch und vor allem frühzeitig analysiert werden. So können Chancen erkannt und Potenziale gehoben werden. Vor allem hilft dieser professionelle Arbeitsansatz, Risiken so weit wie möglich zu reduzieren. Das alles lässt sich mit überschaubarem Aufwand in den Produktentstehungsprozess integrieren. Mit DTIP wird das Unternehmen den Pfad verlassen, externe Patentanwälte nur noch fallgesteuert einzusetzen. Das schützenswerte geistige Eigentum (IP) wird vielmehr aus einem strategischen und prozessorientierten Blickwinkel heraus betrachtet, wodurch neue, entscheidende Wettbewerbsvorteile im Markt genutzt werden können.
DTIP ist somit ein wesentlicher Bestandteil der Unternehmensstrategie. Damit wird ein strukturelles Defizit von Mittelstandsunternehmen im Vergleich zu Großbetrieben kompensiert: Während KMU oft die besseren, flexibleren Ideen haben, verfügen Konzerne oft über die besseren Prozesse und Strukturen. Mit DTIP verkleinert der Mittelstand das Professionalitäts-Delta deutlich.

Exemplarische Anwendung von Designto IP im Produktentstehungsprozess: Ergonomische Kombizange
Industrieanzeiger
Titelbild Industrieanzeiger 4
Ausgabe
4.2024
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