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„Vielfalt beherrschen statt reduzieren“

Professor Günther Schuh: Produktkomplexität ist die Basis des wirtschaftlichen Erfolgs
„Vielfalt beherrschen statt reduzieren“

„Vielfalt beherrschen statt reduzieren“
Prof. Dr.-Ing. Günther Schuh leitet den Lehrstuhl für Produk-tionssystematik des WZL: „Der Schlüsselbegriff für die Beherrschung der Vielfalt ist die Produktstrukturierung.“
Wer die Produktkomplexität richtig managt, kann die Variantenvielfalt als Waffe im Wettbewerb einsetzen. WZL-Professor Günther Schuh ist überzeugt davon, dass die Handhabung der Komplexität zum Kern der Managementaufgabe wird.

Das Gespräch führte unser Redaktionsmitglied Dietmar Kieser

Hat die attraktive Vielfalt, die Segmentierung des Produktionsprogramms bis hin zur Individualisierung um jeden Preis ausgedient?
Auf keinen Fall. Deutsche Unternehmen sind hier quasi die Weltmeister, und darauf basiert nach wie vor ihr Erfolg in verschiedenen Branchen. Oft ist ein großer Teil ihrer Premiumpreisfähigkeit auf die individuelle Konfigurierbarkeit zurückzuführen. Wer jedoch der relativ Beste ist bei Individualisierung und Customizing, muss auf diesem Niveau Maß halten können. Das Angebot weiter aufzufächern, birgt die Gefahr, dass sich die Vielfalt ausweitet. Wer darüber hinausgeht, schöpft im Markt in aller Regel nichts nennenswert Zusätzliches mehr ab.
Deutet das darauf hin, dass viele Unternehmen zu hohe Kosten der Vielfalt mit sich herumschleppen?
Definitiv ja, trotz der allseits bekannten produktionswirtschaftlichen Theorie: Einerseits erreichen wir durch Wiederholungseffekte maximale Economies of Scale, andererseits durch Flexibilität die Economies of Scope, um möglichst alle Bedürfnisse abdecken zu können. Die Kunst für jedes Unternehmen ist es jetzt, diese widersprüchlichen Ziele als Fernziel aufzulösen. Wir müssen die Künstler sein, die die Sortiments- und Angebotsvielfalt in einer Breite anbieten, worauf sich die anderen nicht verstehen.
Welche Erfolgsfaktoren greifen hier?
Das Schlüsselwort hinter der Beherrschung ist die Produktstrukturierung …
…ergänzt um eine Palette an Systemtechniken wie Baukästen, Modularisierung oder das Product Lifecycle Management. Womit sollte ein Mittelständler beginnen?
Als Wissenschaftler sage ich klar: immer mit der Logik, die in der Produktstruktur oder der Produktarchitektur steckt. Daraus resultiert eine Modularisierung, die kommunale, teilkommunale Module und individuelle Module unterscheidet. Der Mittelständler braucht eine Konfigurationslogik, und damit nicht nur einen Verwendungsnachweis als Ergänzung zur Strukturstückliste. Ungeachtet aller Systeme sollte er mit einem Merkmalsbaum und einem Variantenbaum beginnen. Allerdings darf er hier nicht übers Ziel schießen. Denn im Zuweitgehen haben wir uns immer noch nicht verbessert – in unserer Treffsicherheit sind wir glücklicherweise nicht wie viele andere schlechter geworden. Etwa zwei Drittel der Varianz, die wir anbieten, hat keinen Kundennutzen.
Wo sehen Sie weitere große Schwachstellen?
Wir glauben einfach nicht an die erheblichen Synergie- und Effizienzsteigerungspotenziale durch die PLM- und PDM-Welt. Wir nutzen solche Systeme nicht, was ich für sträflich halte. Die prozessoralen Potenziale, die sich hier etwa im Produktentwicklungsprozess, im Produkt selbst, in den Änderungsprozessen über den Lebenszyklus ausdrücken, und die sich letztendlich in der Auftragsabwicklung abspielen – da erschließen wir die Skaleneffekte bei Weitem noch nicht. Da fassen wir alles doppelt, dreifach und vierfach an und überprüfen zehnmal, wo zweimal auch genügen würde. Darin liegen die 50 Prozent unseres Potenzials vergraben, die uns auf dem Weg hin zu einer wettbewerbsfähigen Angebotsvielfalt bisher noch fehlen.
Komplexität also nicht reduzieren, sondern beherrschen?
Genau. Die Botschaft darf aber nicht heißen: wir gehen jetzt in Standardprodukte. Vielmehr werden wir weiterhin eine besonders breite Vielfalt, eine treffsichere Sortimentsbreite anbieten. Aber wir werden die Produktstrukturierung, die Wiederholhäufigkeitseffekte massiv weiter maximieren müssen und damit Skaleneffekte schließen, die heute noch brachliegen und die uns am Standort Deutschland maßgeblich Wettbewerbsvorteile zurückbringen werden.
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