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„Wer die Schicht versteht, kann mehr aus seinen Tools holen“

CemeCon-Chef Dr. Toni Leyendecker wirbt für mehr Beschichtungskompetenz unter Werkzeugentwicklern
„Wer die Schicht versteht, kann mehr aus seinen Tools holen“

Werkzeugkonstrukteure sollten bereits bei der Konzeption ihrer Tools die Schichteigenschaften berücksichtigen, fordert Dr. Toni Leyendecker, Vorstandsvorsitzender der CemeCon AG in Würselen. Nur so lasse sich das optimale Ergebnis erzielen.

Herr Dr. Leyendecker, als zentrales Thema der neuen CemeCon-Internetseite und Ihres EMO-Auftritts haben Sie das Konstruieren von Hochleistungsschichten für Zerspanwerkzeuge gewählt. Warum?

Das Beschichten von Präzisionswerkzeugen wird noch viel zu oft als Hexenwerk angesehen. Wir wollen vermitteln, dass dem nicht so ist. Eine gezielt auf ein bestimmtes Werkzeug oder eine Anwendung zugeschnittene Schutzschicht kann man konstruieren, ähnlich wie eine Schneidengeometrie. Bei den großen Herstellern ist die entsprechende Kompetenz bereits vorhanden. Viele mittelständische Anbieter und vor allem Schleifereien verlassen sich aber noch zu häufig ausschließlich auf Dienstleister, ohne sich selbst Gedanken über die jeweils passenden Schichteigenschaften zu machen.
Warum sollten sich kleinere Unternehmen mit einem Thema auseinandersetzen, das sie zukaufen können?
Es gibt mittlerweile hunderte von Schichten und Schichtnamen. Kaum einer blickt da noch durch. In der Praxis läuft´s oft so: Eine Vielzahl von Schichten wird getestet, eine davon liefert das beste Ergebnis, aber keiner weiß warum oder ob eine andere nicht noch besser wäre. Das ist kein ingenieurmäßiges Vorgehen. Deshalb muss der Werkzeugkonstrukteur mit ins Boot. Er kennt die Philosophie hinter seinem Produkt. Wenn er den Einfluss der Schicht versteht, wenn er weiß wie sie funktioniert, dann kann er deutlich leistungsfähigere Werkzeuge entwickeln. Und zwar sowohl hinsichtlich der Schneidleistung als auch in Bezug auf die Standzeit und die Zuverlässigkeit.
Was müsste sich also ändern?
Gute Werkzeugkonstrukteure haben wie gesagt bereits eine eigene Beschichtungskompetenz. Aber auch sie können ihr Wissen mit unserer Hilfe weiter ausbauen. Allgemein sollten sich die Entwickler intensiver mit dem Thema Beschichtung auseinandersetzen und es schon bei der Konzeption einbeziehen. Bei der Konstruktion einer Schicht sind sechs Aspekte wichtig: die Vorbehandlung des Untergrunds, der Schichtwerkstoff, die Schichtdicke, die Toleranz, die Farbe und die Nachbehandlung. Interessant ist auch, dass von all den Computerprogrammen, die bei der Werkzeugauslegung helfen, keines die Beschichtung berücksichtigt.
Können kleinere Anbieter das stemmen?
Ich bin der Meinung ja. Man muss sich allerdings darüber klar sein, was man tut. Der Konstrukteur sollte in einem Lastenheft festlegen, was das Werkzeug können muss, die Schicht entsprechend zusammenstellen und das Ergebnis in einer Zeichnung festhalten. Dann sind die Schichteigenschaften auch jederzeit rekonstruierbar.
Ab wann lohnt sich eine eigene Beschichtungsanlage?
Selbst für kleinere Nachschärfbetriebe mit drei oder vier Schleifmaschinen kann sich das rechnen. Das Investitionsvolumen der Anlage liegt etwa in der Größenordnung einer besseren Schleifmaschine. Neben der höheren Wertschöpfung hat das Beschichten im eigenen Haus weitere Vorteile: Zeit und Kosten für den Transport zum Dienstleister entfallen und die Schicht lässt sich exakt auf die eigenen Prozesse – etwa das Schleifverfahren – abstimmen. Das wiederum kommt der Qualität zugute. Vor allem aber sind kurze Lieferzeiten ein enormer strategischer Vorteil.
Will sich CemeCon vom Dienstleister zum Anlagenanbieter wandeln?
Nein. Wir haben schon immer Schichten im Kundenauftrag entwickelt und aufgebracht und gleichzeitig Anlagen an jene verkauft, die selbst beschichten wollten. Je mehr Erfahrung und Wissen ein Werkzeughersteller oder -nachschärfer hat, umso größer ist sein Bedürfnis, diese Kompetenz im eigenen Haus zu behalten. Bei uns verteilt sich der Umsatz etwa je zur Hälfte auf die Bereiche Anlagentechnik und Dienstleistungen. Das Feld ist so groß, dass ich da auch keine grundlegende Änderung erwarte.
Sind die großen Werkzeughersteller denn bereit, ihr Know-how einem Nachschärfer preiszugeben?
Grundsätzlich haben sie kein Interesse daran, ihr Geometrie- und Schichtwissen zu verraten. Aber sie werden von ihren Kunden zunehmend gezwungen, einen Nachschärf-Service anzubieten. Wollen sie das nicht selbst machen, bleibt nur der Weg über einen Dienstleister. Dabei gibt es derzeit zwei gegenläufige Trends: Die einen geben alle Informationen an ihre Partner weiter, die anderen gar keine, so dass sich der Schleifer alles selbst erarbeiten muss.
Wie schwierig sind Beschichtungsprozesse zu beherrschen? Welche Vorkenntnisse sind erforderlich?
Wichtig ist, dass gewissenhaft und sorgfältig gearbeitet wird. Wenn das der Fall ist, dann können qualifizierte Fachkräfte, die am Schleifzentrum arbeiten, auch die Beschichtungsanlage bedienen. Wir haben auch viel Erfahrung darin, diese Leute zu schulen. Das hat bislang immer gut funktioniert.
Sehen Sie keine Gefahr, dass Billiganbieter und Produktpiraten mit diesem Wissen heimischen Werkzeugherstellern noch mehr zusetzen könnten?
Nein, eigentlich nicht. Deutschland und Japan sind die Führungsmärkte was das Thema Beschichtung angeht. In beiden Ländern gehen die Unternehmen sehr sorgfältig vor. Mit diesen Kunden macht die Zusammenarbeit großen Spaß. Das Ganze funktioniert nur, wenn das entsprechende Applikations-Know-how vorhanden ist, denn das hängt direkt mit dem Schichtwissen zusammen. Und das fehlt den Billiganbietern. Insofern habe ich da keine große Sorge.

CemeCon in Kürze
Das Unternehmen wurde 1986 von Dr.-Ing. Toni Leyendecker gegründet und 2001 in eine AG umgewandelt. CemeCon betreibt eines der größten Beschichtungszentren Europas und ist in den USA, in China, Skandinavien und Tschechien mit Produktionsstätten vertreten. 320 Mitarbeiter weltweit, 240 davon in Würselen, erwirtschaften rund 45 Mio. Euro Umsatz.
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