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Werkzeugbruch ist kein Thema mehr

Spanloses Verfahren ersetzt Gewindeschneiden
Werkzeugbruch ist kein Thema mehr

Beim Herstellen von Gewinden in der Radsatzfertigung hat die Gutehoffnungshütte Radsatz das spanende Gewindeschneiden durch das spanlose Gewindeformen ersetzt. Dadurch ließen sich die Kosten bei bestimmten Bauteilen um 15 % reduzieren.

Dr. Roland Heiler ist Produktmanager Gewindewerkzeuge bei der Titex Plus Günther & Co. GmbH in Frankfurt/M.

Unterschiedliche Bauteile lösbar und dennoch hochfest miteinander zu verbinden – mit dieser Aufgabe sehen sich Konstrukteure und Fertigungstechniker in vielen Bereichen des Maschinenbaus konfrontiert. Am häufigs- ten werden in diesen Fällen Schrauben-Gewinde-Verbindungen eingesetzt.
Die Herstellung entsprechender Gewinde spielt beispielsweise in der Radsatzfertigung der Gutehoffnungshütte Radsatz GmbH in Oberhausen eine wichtige Rolle. In dieser Abteilung werden Achsen, Wellen, Räder und deren Komponenten für Schienenfahrzeuge kundenbezogen gefertigt und teilweise zu Radsätzen zusammengebaut. Es handelt sich dabei um hoch sicherheitsrelevante Bauteile und Baugruppen. Die zu fertigenden Losgrößen liegen zwischen 1 und 250.
Dr. Ronald Seidelmann, Fertigungsleiter des Unternehmens, ist stets bestrebt, die Fertigungsabläufe nach möglichen Einsparpotenzialen zu durchleuchten. Er machte sich daher auch bei der Gewindeherstellung Gedanken über eine wirtschaftliche Alternative zum bisher verwendeten spanenden Verfahren. Die Gründe lagen auf der Hand: „Beim konventionellen Gewindeschneiden hatten wir Standzeitprobleme und häufigen Werkzeugbruch mit erheblicher Nacharbeit durch Erodieren. Es waren fünf verschiedene Sackloch-Gewindebohrer erforderlich, die ihrerseits keine ausreichende Gewindetiefe brachten, und letztlich bestand keine Prozessicherheit.“
Der Fertigungsleiter – in seinen Überlegungen unterstützt durch Ingo Rennspies, Außendienstmitarbeiter der Frankfurter Titex Plus GmbH, – entschied sich dafür, Gewindeformer nach DIN 371 von Titex einzusetzen: „Bisher konnten wir an Radreifen aus niedriglegiertem Kohlenstoffstahl mit Gewindebohrern nur jeweils zwanzig Gewinde M6/M8 18 bis 25 Millimeter tief schneiden. Hingegen ließen sich nun mit Titex B 1227 TFL auf einer Carnaghi-Vertikaldrehmaschine mit angetriebenen Bohrwerkzeugen und Ölschmierung neunzig Gewinde formen.“
Dass dabei keine Späne anfielen, sei ein guter Nebeneffekt, da gerade bei den im Rahmen der Radsatzfertigung eingesetzten Werkstoffen und bei größeren Gewindetiefen die Gefahr des Werkzeugbruchs durch Spanverklemmungen bestehe. Außerdem könnten Wirrspäne zu erheblichen Maschinenstillstandzeiten beitragen, wenn das Bedienpersonal die Späne manuell entfernen müsse, um Werkzeugbruch zu vermeiden. Seidelmanns Fazit: „Dank der Umstellung vom Gewindeschneiden auf das Gewindeformen können wir heute eine Kostenreduktion bei Bauteilen mit M6- und M8-Gewinden von 15 Prozent nachweisen.“
Beim Gewindeformen werden Flanken sehr gut geglättet
Beim Fertigen von Innengewinden kann das Gewindeformen für fast 70 % aller industriell eingesetzten Werkstoffe, die eine Mindestdehnung von etwa 7 % besitzen, eine wirtschaftliche und zugleich sichere Alternative bedeuten. Nach Angaben von Titex eignet sich das Verfahren speziell für das Bearbeiten von
– Stählen bis etwa 1000 N/mm² Zugfestigkeit,
– rostfreien austenitischen Stählen,
– Aluminiumlegierungen bis rund 12 % Si-Anteil sowie
– weichen Kupferlegierungen.
Beim Gewindeformen wird das Werkzeug in einer Schraubenbewegung in die Kernlochbohrung eingedreht. Der Werkstoff weicht aus, fließt in die Zahnlücken des Formers und bildet das charakteristische Gewindeprofil aus. Bei diesem umformenden Prozess entstehen keinerlei Späne.
Auf Grund seiner Arbeitsweise unterscheidet sich die Konstruktion eines Formers grundlegend von der eines Bohrers. Um den Werkstoff leichter verdrängen zu können, besitzt der Former einen polygonalen Querschnitt mit ausgepägten Drückkanten. Da keine Span-Nuten erforderlich sind, ist der Querschnitt des Werkzeugs wesentlich stabiler. Dadurch lässt sich der Former auch unter ungünstigen Bedingungen sicher einsetzen. Bei tieferen Gewinden werden Former mit schmalen Schmiernuten verwendet. Die Nuten dienen jedoch nur zur besseren Schmiermittelzufuhr in den Bereich der Umformzone und wirken sich nicht auf die Stabilität des Werkzeugs aus.
Das Werkzeug führt sich beim Gewindeformen selbstständig im entstehenden Gewinde. Da dieses nicht geschnitten wird, kann das Werkzeug auch nicht verschneiden. Die Gefahr nicht lehrenhaltiger Gewinde und damit der Produktion von Ausschuss ist beim Formen sehr gering. Die Maßhaltigkeit der Gewinde wird praktisch nur durch den Verschleiß des Gewindeformers begrenzt. Da unter normalen Fertigungsbedingungen der Verschleißfortschritt kontinuierlich erfolgt, lässt sich der Fertigungsprozess bei Bedarf über eine Drehmoment- oder Leistungsüberwachung der Antriebsspindel kontrollieren.
Beim Gewindeformen werden die Flanken des Gewindes sehr gut geglättet und die Materialfasern umgelenkt und nicht, wie beim Gewindeschneiden, durchtrennt. Dieser Effekt bewirkt eine Kaltverfestigung des Gewindes. Dies wirkt sich günstig auf die Festigkeitseigenschaften der Verschraubung aus.
Gegenüber dem konventionellen Gewindeschneiden sind oft höhere Fertigungsgeschwindigkeiten prozesssicher möglich, da insbesondere bei Grundlochgewinden der Spänetransport entgegen der Vorschubrichtung des Werkzeuges entfällt. Darüber hinaus können bei gut formbaren Werkstoffen wie Aluminium-Knetlegierungen oder Baustählen die Standzeiten der Former die Lebensdauer konventioneller Bohrer deutlich übersteigen. Beides bedeutet für den Anwender reduzierte Fertigungszeiten und Kosten.
Ein weiterer wesentlicher Vorteil des Gewindeformens ist, dass sich eine Werkzeugausführung für alle formbaren Werkstoffe sowie für Grund- und Durchgangsgewinde eignet. Dies bedeutet Kosteneinsparungen auf Grund der deutlich geringeren Anzahl an Werkzeugen. „Aus unserer Sicht besitzt das Verfahren für viele Anwendungen klare Vorteile gegenüber einer konventionellen Gewindefertigung“, erklärt Ronald Seidelmann. „Es kann daher beim Planen einer Bearbeitungsaufgabe als spanlose Alternative vorbehaltlos berücksichtigt werden.“
Industrieanzeiger
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