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Werkzeugmaschine als Messmaschine

Industrie 4.0 funktioniert nicht ohne Inline-Messtechnik
Werkzeugmaschine als Messmaschine

Qualitätssicherung | Für die vernetzte Fertigung spielen Daten aus der Qualitätssicherung eine elementare Rolle, um fehlerfreie Produkte und Prozesse zu realisieren. Voraussetzung ist, dass die Messtechnik inline in die Fertigung wandert. ❧ Sabine Koll

„Für Industrie 4.0 braucht es eine Qualitätssicherung 4.0“, stellt Dr. Benedikt Sommerhoff, Leiter DGQ Regional, klar. Er prognostiziert, dass die Relevanz von Qualitätssicherung für die Fertigung von morgen steigen wird. Die smarte Fabrik der Zukunft ist gekennzeichnet durch eine vollständige Vernetzung. Daraus leitet er folgende Tendenzen ab: „Die Bedeutung von Qualitätsthemen und -prüfungen wird steigen, und der Automatisierungsgrad der Qualitätssicherung nimmt zu. So ist die Inline-Messtechnik bei geringen Losgrößen in der Serienfertigung beispielsweise eine der kommenden Herausforderungen.“

Dass es noch Nachholbedarf hinsichtlich des Automatisierungsgrads in der Qualitätssicherung gibt, bestätigt Dr. Boris Peter Selby, Leiter Software Technologie bei Carl Zeiss Industrielle Messtechnik. Er nennt ein Beispiel: Wenn ein Automobilbauer eine Autotür fertigt, dann läuft dies heute bereits fast vollständig automatisch. Die Messung von Prüfmerkmalen wie die Größe der Fensteraussparung erfolgt ebenfalls bereits vorwiegend autonom. Und auch die Auswertung der Mess- und Prüfdaten findet schon jetzt komfortabel auf Knopfdruck statt. Doch die Ergebnisse müssen immer noch vom Messtechniker ausgewertet werden. Liegt etwa ein Merkmal außer Toleranz, muss dies dem Maschinenbediener in der Fertigung in Papier- oder elektronischer Form mitgeteilt werden, damit er Korrekturen einleiten kann. Künftig jedoch, so Selby, wird es autonome Regelkreise zwischen Messmaschinen und Fertigungsmaschinen geben. Das heißt, die Fertigungsmaschinen „erfahren“ dann von der Messmaschine automatisch, wie sie was zu bearbeiten haben.
Messergebnisse sorgen für den autonomen Betrieb von Werkzeugmaschinen
Kundenprojekte von Zeiss zeigen, dass Messmaschinen beziehungsweise -ergebnisse die Fertigung bereits autonom und effizient steuern können. Bei Erodiermaschinen nutzen sich die Elektroden, mit welchen das Werkstück bearbeitet wird, während der Fertigung ab. Dadurch, dass Koordinatenmessgeräte den Zustand der Elektroden prüfen, können automatisch korrigierende Einstellungen an der Erodiermaschine vorgenommen werden. Die Maschine „weiß“ dann, wie sie gezielt Strom aufbringen muss, um das Werkstück dennoch entsprechend der Vorgaben zu gestalten.
Lässt sich im Industrie-4.0-Zeitalter also eine Werkzeugmaschine in eine Messmaschine verwandeln? „Vielleicht nicht so, dass die Werkzeugmaschine zur Messmaschine wird, aber wir und Kollegen vom WZL und Fraunhofer IPT arbeiten an der Sensorintegration“, sagt Robert Schmitt, Leiter des Lehrstuhls für Fertigungsmesstechnik und Qualitätsmanagement am Werkzeugmaschinenlabor der RWTH Aachen. „Es kommt darauf an, den Großteil potenzieller Messfehler inline zu bestimmen und zu korrigieren. Allerdings muss hier auch etwas bei den Steuerungen geschehen, die bisher noch nicht für Messstrategien ausgelegt sind und strukturell keine Messaufgaben übernehmen können.
„Für den Mess-Einsatz einer klassischen Dreiachs- oder Fünfachs-Anlage spricht, dass sie die gleiche Kinematik wie eine Koordinatenmessmaschine hat“, sagt WZL-Gruppenleiter Martin Peterek. „Daher lassen sich ähnliche Vorgehensweisen und Richtlinien nutzen. Ziel ist die Bestimmung einer Messunsicherheit für den Messprozess, denn nur durch die Angabe einer Messunsicherheit, liefern die Messergebnisse eine verwertbare Aussage.“ Kenntnisse über die geometrischen Fehler und Verhaltensweisen beim Allerdings müsse man sich darüber bewusst sein, dass die Werkzeugmaschine und insbesondere das Arbeitsumfeld einige für das Messen nachteilige Eigenschaften besitze: Gefragt sind unter anderem genaue Bearbeiten und Messen, um so die Störgrößen mit entsprechender Messtechnik und Software zu kompensieren.
Die zu Hexagon Manufacturing Intelligence gehörende m&h Inprocess Messtechnik GmbH stellt auf der Metav beispielsweise Messtaster und Software vor, mit der sich die Inline-Messung schon realisieren lässt. „Unsere Technik kommt in der Maschine zum Einsatz, in der sie auch direkt im Prozess misst“, erklärt Geschäftsführer Ulrich Löhr. Eine wichtige Rolle spielt das CAD-basierende Programm 3D Form Inspect, welches das 3D-CAD-Modell des Anwenders einliest. Dank der Software lassen sich einfach und schnell Regelgeometrien sowie Formen an allen Seiten direkt auf der Werkzeugmaschine messen und protokollieren. Die Software überträgt sämtliche definierten Messpunkte an die Maschinensteuerung. Auf der Maschine kommt es zu einem direkten Soll-Ist-Vergleich, bei dem das Bauteil im gespannten Zustand gemessen wird.
Die Produktion der Zukunft:
fertigen, prüfen, fertigen, prüfen
Fertigen, prüfen, fertigen, prüfen – so wird laut Zeiss-Experte Selby die Produktion zukünftig laufen. Noch funktionieren diese geschlossenen Regelkreise nur bei relativ einfachen Bearbeitungen. Aber es ist nur eine Frage der Zeit, wann die Maschinen auch komplexe Informationen in einzelne Fertigungsschritte umsetzen können. „In zwei bis drei Jahren“, schätzt Selby, „werden die dafür notwendigen Standardschnittstellen für die Kommunikation zwischen Maschinen definiert sein.“
Zeiss arbeitet dafür eng mit verschiedenen Werkzeugmaschinenherstellern und Organisationen wie der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt zusammen. In Bezug auf die Entwicklung von Learning-Algorithmen sucht das Unternehmen ebenfalls die Kooperation mit Werkzeugmaschinenherstellern. Dank dieser Algorithmen werden die Maschinen laut Selby permanent dazu lernen und zukünftig selbstständig entscheiden, welches der zahlreichen Werkstücke wie bearbeitet werden muss, damit beispielsweise die Spaltbreite zwischen zwei Blechteilen einer Autokarosserie wieder im Toleranzbereich liegt.
Schmitt stellt allerdings klar: „Durch die Umwälzungen von Industrie 4.0 werden mehr Daten anfallen, die schneller miteinander verknüpft werden. Lebte das bisherige Qualitätsmanagement von sorgfältig begründeten Kausalketten, so führt morgen vermutlich die Korrelation zahlreicher, zunächst scheinbar nicht zusammenhängender Größen zu schnelleren Maßnahmen. Industrie 4.0 wird das Qualitätsmanagement auf jeden Fall beschleunigen.
„Angesichts der riesigen Datenmengen, die durch die Inline-Messtechnik entstehen, stellt sich für Qualitätsverantwortliche die zentrale Frage: Wie mache ich aus Big Data – provokant Datenhalden – Smart Data? Welche Algorithmen sorgen dafür, dass ich aus der unüberschaubaren Zahl von Daten die für mich relevanten Steuerungsparameter generiere?“, betont Sommerhoff, DGQ.
„Messgerätehersteller müssen sich überlegen, wer zukünftig der Herr über die Strukturen der Daten ist. Denn er bestimmt künftig das Geschäftsmodell“, ist Schmitt überzeugt.
Zeiss hat seit einem Jahr eine entsprechende Lösung im Programm: Mit jeder Messapplikation wird die Einstiegs-Software Piweb Reporting ausgeliefert. Damit können die Messergebnisse grafisch anspruchsvoll dargestellt werden. Selbst interaktive 3D-Modelle der gemessenen Teile lassen sich einfach in die Protokolle einfügen. Selby zufolge erkennen Messtechniker damit „sehr viel einfacher und schneller, wo die Probleme in der Fertigung liegen“.
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