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Wo dicke Brocken unter den Hammer kommen

Schmieden: Breite Produktpalette sichert gleichmäßige Auslastung
Wo dicke Brocken unter den Hammer kommen

Das traditionsreiche Stahl-, Walz- und Hammerwerk Dirostahl hat den Sprung in die Moderne geschafft. Mit seinem umfangreichen Maschinenpark fertigt das Familienunternehmen ein breites Produktspektrum. Es reicht von freiformgeschmiedeten Wellen für Windkraftanlagen bis zu gewalzten Druckringen für Drehstrommotoren von Lokomotiven.

Von unserem Redaktionsmitglied Dr. Bernhard Reichenbach – bernhard.reichenbach@konradin.de

Wie die Faust eines Riesen senkt sich der Obersattel der Freiform-Schmiedepresse immer wieder auf den balkenförmigen Block aus gelbglühendem Stahl. Dieser wird vom Greifer eines auf Schienen fahrenden Manipulators wie von einer zweiten Riesenhand an einem Ende festgehalten, ständig hin und her bewegt und gedreht. In der dämmrigen, von der Hitze der Schmiedeteile und der Öfen aufgeheizten Werkhalle werden die Kanten des Blocks unter den fortgesetzten Drücken des Sattels allmählich abgerundet, und das Werkstück erhält die Form eines Baumstamms. Aus diesem entstehen in nachfolgenden Bearbeitungsschritten drei tonnenschwere Walzen für eine Zeitungsdruckmaschine.
Presse und Manipulator, die von einem Schmied moderner Prägung von einer Steuerkabine aus bedient werden, gehören zum breitgefächerten Maschinenpark des Stahl-, Walz- und Hammerwerks Dirostahl Karl Diederichs in Remscheid-Lüttringhausen. Das Unternehmen hat Tradition: Seit über vier Jahrhunderten ist die Familie Diederichs im Bergischen Land ansässig, und ständig war sie im Bereich des Schmiedens tätig. Der einstige Kleinbetrieb nimmt heute eine Produktionsfläche von über 30 000 m² ein und beschäftigt 450 Mitarbeiter – zum großen Teil langjährige Fachkräfte, aber auch rund 40 Auszubildende. Das Unternehmen zählt zu den größten und modernst ausgestatteten privaten Freiformschmieden Europas.
„Der Schmiede, unserem traditionellen Kernbetrieb, haben wir Ringwalzwerke, Wärmebehandlungsanlagen und mechanische Werkstätten angegliedert“, berichtet der Geschäftsführende Gesellschafter Dr. Manfred Diederichs. „Damit können wir den gesamten Bereich des Freiformschmiedens abdecken.“ Erst Ende 1999 nahmen die Remscheider eine neue Ringwalzanlage in Betrieb, mit der sich nahtlos gewalzte Ringe bis 3500 mm Außendurchmesser und 8 t Endgewicht herstellen lassen. „Damit fertigen wir Ringe einer neuen Größenordnung – in einer Qualität, die weltweit führend ist“, berichtet der promovierte Betriebswirt stolz. „Mit der Anlage, die zwei ältere Ringwalzwerke ersetzt, können wir zudem wesentlich schneller, universeller und kostengünstiger produzieren.“
Neben gewalzten und geschmiedeten Ringen fertigt Dirostahl auch Scheiben bis etwa 2400 mm Durchmesser, Stäbe bis 15 m Länge und 1000 mm Vierkant-Seitenlänge sowie weitere Freiform-Schmiedestücke einzeln und in kleinen Serien. Deren Gewichtsspektrum reicht von mehreren Kilogramm bis etwa 35 t. „Bei Teilen zwischen einigen hundert Kilogramm und fünf Tonnen sind wir Marktführer“, merkt Diederichs an.
Eingesetzt werden die Teile im gesamten Maschinenbau, speziell im Getriebe- und Anlagenbau sowie bei schweren Werkzeug-, Kunststoff-, Textil-, Papier- und Druckmaschinen. Zu den wichtigsten Einsatzfeldern zählen auch die Off-Shore-Technik sowie der Schiffs- und Kraftwerksbau. Das Spektrum reicht von Antriebswellen und Getriebeteilen für Windkraftanlagen über Druckringe für Drehstrommotoren von Lokomotiven bis zu Zylindern für die Hydraulikanlage, mit der das russischen U-Boot Kursk gehoben wurde.
Ihre breite Produktpalette wollen die Remscheider beibehalten, um eine möglichst gleichmäßige Auslastung sicherzustellen und auf konjunkturelle Veränderungen flexibel reagieren zu können. „Wir sind darauf spezialisiert, nicht spezialisiert zu sein“, lautet die Devise des Geschäftsführers. Die Auslastung sei derzeit sehr gut, auch wenn eine leichte Beruhigung festzustellen sei. Der Exportanteil liegt bei 30 % – Tendenz steigend.
Da an die Teile immer höhere Anforderungen gestellt werden, weicht bei den zu verarbeitenden Werkstoffen unlegierter Stahl mehr und mehr legierten Güten. Um eine gleichbleibend hohe Qualität sicherzustellen, aber auch, um schnell lieferfähig und vom Tagesmarkt unabhängig zu sein, unterhält Dirostahl ein großes, gut sortiertes Lager mit rund 20 000 t Vormaterial.
Kleinere Teile wie Scheiben oder Fassonstücke zwischen 10 und 50 kg werden unter Dampfhämmern mit Bärgewichten von 300 oder 400 kg geschmiedet. Die Hammerbesatzung bringt sie hierzu mit Zangen und Hebeln in die richtige Lage. „Dies erfordert ein gutes Zusammenspiel aller und viel handwerkliches Geschick“, verrät der Dirostahl-Chef.
Zum Bearbeiten von 50 bis 4000 kg schweren Werkstücken sind größere Dampfhämmer mit Bärgewichten von 500 bis 6000 kg erforderlich. Die Teile werden nun nicht mehr von Menschen, sondern maschinell mit starken elektrohydraulisch betriebenen Manipulatoren bewegt.
Geht es um noch schwerere Stücke, reicht die Kraft von Hämmern nicht mehr aus. Dann werden drei hydraulische Unterflur-4-Säulen-Pressen mit Nennkräften von 10 000, 25 000 und 32 000 kN eingesetzt.
Gewalzte Ringe sind ebenfalls den Freiformschmiedeteilen zuzurechnen, da sie vor dem Walzen als Lochscheibe geschmiedet werden. Der Fertigungsbereich Ringwalzen produziert mit drei Walzwerken zwischen 10 und 8000 kg schwere, nahtlos gewalzte Ringe.
Nach dem Warmumformen werden die Teile je nach Anforderung noch durch Wärmebehandlung verbessert. In Glüh- oder Vergüteöfen sind sie Temperaturen von bis zu 1100 °C ausgesetzt. „Wir betreiben etwa 30 Öfen mit einem Fassungsvermögen von einigen Kilogramm bis 150 Tonnen“, berichtet Dr. Diederichs. Nach dem Erhitzen werden die Werkstücke im Ofen oder an der Luft abgekühlt oder in einer Flüssigkeit abgeschreckt. Danach wird die erzielte Härte geprüft.
Auf dem Programm der Remscheider steht auch die spanende Bearbeitung der umgeformten Scheiben, Wellen, Walzen oder Ringe mittels Dreh-, Fräs- und Bohrmaschinen. Großes Gewicht legt Dirostahl auf die Untersuchung der Werkstoffe und die Prüfung der Teile. Hierzu stehen eigene Einrichtungen zur Verfügung.
Bis zuletzt überlassen die Remscheider nichts dem Zufall: Um die Aufträge reibungslos abzuwickeln zu können, bieten sie einen Anlieferungsservice mit firmeneigenen Fahrzeugen.
Industrieanzeiger
Titelbild Industrieanzeiger 5
Ausgabe
5.2024
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