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„Wunsch nach individueller Mobilität bleibt ungebrochen“

Automobilindustrie/IAA: VDA-Präsident Matthias Wissmann sieht Chancen auf US-Markt und in Asien
„Wunsch nach individueller Mobilität bleibt ungebrochen“

„Wunsch nach individueller Mobilität bleibt ungebrochen“
„Die IAA 2009 findet zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Platz statt. Auf den Märkten ist eine Bodenbildung zu spüren.“
Zur 63. Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA PKW) im September in Frankfurt/Main werde die Automobilindustrie ein Innovationsfeuerwerk zünden, betont Matthias Wissmann, Präsident des Verbandes der Automobilindustrie e. V. (VDA).

Herr Wissmann, was erwartet den IAA-Besucher?
Diese IAA wird ein beeindruckendes Innovationsfeuerwerk bieten. Optimierte klassische Antriebe – Clean Diesel und hoch aufladende Ottomotoren mit Direkteinspritzung – werden ebenso zu sehen sein wie die Fortschritte bei der Elektrifizierung des Automobils, vom Mild Hybrid bis zum Pkw mit reinem Elektroantrieb. So lässt sich der Verbrauch weiter konsequent reduzieren – und damit die CO2-Emissionen. Daneben stehen neuartige Assistenzsysteme im Vordergrund, die das Autofahren noch sicherer und komfortabler machen. Insgesamt 700 Aussteller – darunter über 60 Automobilhersteller aus aller Welt – werden vom 17. bis 27. September 2009 ihre Weltneuheiten präsentieren. Auf dieser IAA werden die Antworten auf die Anforderungen von heute und die Herausforderungen von morgen gegeben. Daher sind in diesem Jahr auch besonders diejenigen Unternehmen stark vertreten, die sich diesem Wettbewerb der Innovationen stellen. Gerade angesichts der jüngsten Marktentwicklung in Deutschland und Westeuropa sind wir mehr denn je davon überzeugt: Die IAA 2009 findet zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Platz statt. Auf den Märkten ist eine „Bodenbildung“ zu spüren. Wir gehen davon aus, dass zum IAA-Start im September erkennbar ist, wann die Talsohle der Krise durchschritten sein wird. Mit ihren neuen Modellen zeigen insbesondere die deutschen Automobilhersteller den Weg für künftiges Wachstum auf.
Sie sprachen Assistenzsysteme an. Verbessert das vor allem die Sicherheit?
Ja, die Sicherheitsausstattung unserer neuen Fahrzeuge spielt eine immer größere Rolle. Über 90 Prozent aller Innovationen kommen von der Elektronik, Sensorik und Software. Die Zahl der Assistenzsysteme, die den Fahrer entlasten und unterstützen, nimmt deutlich zu, etwa „Night Vision“ bei Nachtfahrten oder „Attention Assist“, das den Fahrer vor Müdigkeit warnt. Auch das adaptive Kurvenfahrlicht gehört immer stärker zur Ausstattung der Premiumfahrzeuge, genauso wie der serienmäßige Seiten-Airbag für die Passagiere im Fonds. Ein weiterer Schwerpunkt auf der IAA wird die „Car-to-Car-Communication“ sein: Damit lassen sich Unfallrisiken bereits im Vorfeld ausschalten, indem der Fahrer bereits vor einer Kuppe vor einem dahinter liegenden Hindernis gewarnt wird. Ziel ist es, die Unfallzahlen weiter zu reduzieren. Hier sind wir auf gutem Weg.
Welche Herausforderungen kommen insbesondere auf die Zulieferer zu?
Der weltweite Umsatzrückgang macht insbesondere der Zulieferindustrie schwer zu schaffen. In den ersten fünf Monaten diesen Jahres ging deren Inlandsumsatz um 30 Prozent zurück, das Auslandsgeschäft fiel um 45 Prozent geringer aus. Die Finanzierungssituation ist weiterhin kritisch. Die angespannte Situation unserer Unternehmen gegenüber dem Banken- und Versicherungssektor bereitet uns erhebliche Sorgen. Es ist nicht hinnehmbar, dass sich die Finanzierungslage unserer Unternehmen trotz des Schutzschirms für die Banken weiter verschlechtert. Besonders bei mittelständischen Unternehmen wird daraus schnell eine bedrohliche Existenzfrage. Der VDA appelliert an die Verantwortung des Kreditgewerbes: Ihr Geschäftszweck ist die Versorgung der Wirtschaft mit Finanzierungsmitteln. Diesem Zweck müssen die Kreditinstitute nachkommen. Ähnlich prekär ist die Situation bei den Warenkreditversicherungen. Mit Unterstützung des Gesamtverbandes der Versicherungswirtschaft versucht der VDA bei den Versicherungsunternehmen durchzusetzen, kein allgemeines Down-Rating unserer Branche vorzunehmen, sondern ausschließlich aufgrund von Einzelfallprüfungen zu entscheiden. Auch hier können wir in Einzelfällen Erfolge vermelden. Wir erwarten, dass die Bundesregierung eine Rückversicherungslösung für die Warenkreditversicherungen durchsetzt. Wir brauchen schnell Klarheit. Insgesamt sind die deutschen Zulieferer aber gut aufgestellt und auf den globalen Märkten positioniert. Ihre Innovationsdynamik ist die beste Voraussetzung dafür, auch nach der Krise auf den Weltmärkten erfolgreich zu sein.
An welchen Stellen kann oder muss die Politik aktiv werden?
Die Bundesregierung hat mit dem Konjunkturpaket I und II sowie den Bürgschaftsprogrammen rasch und angemessen auf die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise reagiert. Die Umweltprämie erfüllt ihre Brückenfunktion und stabilisiert in diesem Jahr den Inlandsmarkt. Angesichts der nach wie vor schwachen Exportmärkte ist das ein wichtiger Beitrag, auch wenn wir eine asymmetrische Erfolgsverteilung haben, da vor allem Hersteller von Kleinwagen und Autos der Kompaktklasse davon profitieren. Jetzt muss es darum gehen, langfristige und nachhaltige Wachstumsimpulse zu setzen. Dafür müssen die Rahmenbedingungen am Standort Deutschland weiter verbessert werden. Eine weitere steuerliche Belastung der Autofahrer ist ebenso wenig zielführend wie eine erneute Belastung der Unternehmen, die derzeit ja alle Anstrengungen unternehmen, um aus der Krise herauszufahren. Der VDA hat sich stets für wirtschaftspolitische Maßnahmen ausgesprochen, die langfristige Wachstumspotenziale erschließen und vor allem in ihrer Wirkung wettbewerbsneutral sind.
Wie schätzen Sie die Situation auf dem deutschen Markt ein?
Bis Juli 2009 stiegen die Pkw-Neuzulassungen auf dem Inlandsmarkt um 27 Prozent auf 2,4 Millionen Einheiten. Allein im Juli wurden 30 Prozent mehr Fahrzeuge neu zugelassen als im Vorjahresmonat. Diese Entwicklung ist allerdings stark auf die Wirkungen der Neuordnung der Kfz-Steuer und der Umweltprämie zurückzuführen. Der inländische Auftragseingang der deutschen Pkw-Hersteller entwickelte sich ebenfalls recht lebhaft und übertraf im Juli das Vorjahresniveau um 21 Prozent. Bis Juli legten die Inlandsorder um nahezu ein Viertel zu. Der Auftragsbestand bleibt damit weiterhin sehr hoch und wird in den nächsten Monaten dazu beitragen, die Produktion der Werke zu stabilisieren. Es wäre allerdings vermessen, die bisherigen Zuwachsraten bei den Neuzulassungen einfach fortzuschreiben. Da der Inlandsmarkt bis Juli um rund eine halbe Million Pkw zugelegt hat, ergibt sich für das Gesamtjahr ein Volumen von etwa 3,6 Millionen Pkw, selbst wenn in den nächsten fünf Monaten lediglich Vorjahresniveau erreichen sollte. Aufgrund des hohen Auftragsbestandes rechnen wir daher 2009 mit einem Gesamtmarkt, der die 3,5-Millionen-Marke überschreiten dürfte. Dieses hohe Niveau wird im kommenden Jahr sicherlich nicht zu erreichen sein.
Wie sieht die Situation in den Auslandsmärkten aus?
Entscheidend für die Automobilindustrie ist ihr Erfolg auf den Auslandsmärkten. Schließlich produziert die deutsche Automobilindustrie weltweit rund 11 Millionen Pkw, gut vier Fünftel davon für Kunden außerhalb Deutschlands. Bei den weltweiten Pkw-Neuzulassungen sind im Juli zunehmend Stabilisierungsanzeichen erkennbar. Neben China und Brasilien konnten auch in Indien und Westeuropa die Absatzzahlen gesteigert werden. Damit verfestigte sich die seit einigen Monaten abzeichnende Bodenbildung, eine durchgreifende Erholung lässt sich jedoch daraus noch nicht ableiten. In den westeuropäischen Ländern sorgten die zahlreichen nationalen Incentive-Programme für eine Stützung des Marktgeschehens; sie haben in den letzten beiden Monaten zu einem Anziehen der Pkw-Nachfrage geführt. In Westeuropa lagen die Neuzulassungen von Pkw mit einem Plus von 5 Prozent zum zweiten Mal in Folge über dem Niveau des Vorjahresmonats. In den ersten sieben Monaten 2009 wurden mit 8,2 Millionen Pkw jedoch 8 Prozent weniger Fahrzeuge abgesetzt als im gleichen Zeitraum des letzten Jahres. Die deutschen Konzernmarken konnten in Westeuropa ihren Marktanteil auf über 47 Prozent erhöhen. Auf dem russischen Automobilmarkt zeichnet sich noch kein Ende der Talfahrt ab. Dafür kam es in den USA im Juli zu einer Eindämmung des Abwärtstrends. Allerdings ging der Markt für Light Vehicles im bisherigen Jahresverlauf um 32 Prozent zurück. Die Einführung der Verschrottungsprämie in der letzten Juliwoche weckt jedoch Hoffnung auf eine weitere Abflachung des Abwärtstrends. Besonders erfreulich ist die Marktsituation in China. Gestützt durch staatliche Kaufanreize und eine anziehende lokale Wirtschaft, ist die Pkw-Nachfrage im Juli weiter auf Rekordkurs – plus 64 Prozent. Bis Juli verzeichnete China eine Absatzsteigerung von 25 Prozent auf nahezu 4,3 Millionen Fahrzeuge, von der auch die deutschen Hersteller profitieren konnten. Auch der indische Markt entwickelt sich positiv. Wenn sich also der US-Markt langsam wieder stabilisiert und die asiatischen Wachstumsregionen ihre Dynamik beibehalten, dann spricht vieles dafür, dass wir im kommenden Jahr wieder mit einem Anstieg des Exports rechnen können. Es wird allerdings ein langer und steiniger Weg. Langfristig bin ich zuversichtlich: Das Auto bleibt Wachstumsmotor, der Wunsch der Menschen in allen Regionen nach individueller Mobilität ist ungebrochen.
Die Fragen stellte Michael Corban, Fachjournalist in Nufringen
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