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IE3-Norm: Gegen den Strom

IE3-Norm
Gegen den Strom

Seit dem 1. Januar 2017 gilt die IE3-Norm für Elektromotoren ab 0,75 kW. Lohnt der Umstieg auch bei bestehenden Anlagen? Und was ist dabei zu beachten?
Ungefähr die Hälfte des industriell verbrauchten Stroms fließt in Elektromotoren. Deshalb wirken sich Vorgaben für den Energieverbrauch von Motoren besonders effizient auf den Klimaschutz aus. Laut einer Schätzung des ZVEI gehen ungefähr ein Viertel aller Treibhausgasemissionen in Deutschland auf industriell genutzte Elektromotoren zurück. Darüber hinaus rechnet das Umweltbundesamt vor, dass der Stromverbrauch in Deutschland durch den Einsatz effizienterer Industriemotoren bis zum Jahr 2020 um rund 27 Mrd. kWh reduziert werden könnte – das entspricht 16 Mio. t eingespartem CO2. Ziel der EU-Norm ist ein konkreter Beitrag zu dem umfassenden EU-weiten Maßnahmenpaket, das die CO2 -Emissionen bis zum Jahr 2020 um 20 % senken und gleichzeitig die Energieeffizienz um ein Fünftel steigern soll.
Angesichts dieser Zahlen ist der stramme Fahrplan der Europäischen Union in Sachen Energieeffizienz verständlich. Stufe zwei der entsprechenden Ökodesign-Richtlinie ErP trat am 1. Januar 2015 in Kraft. Sie besagt, dass Elektromotoren im Netzbetrieb mit einer Nennleistung von 7,5 bis 375 kW nur noch mit der Effizienzklasse IE3 eingesetzt werden dürfen. Ab dem 1.  Januar 2017 gilt diese Verordnung auch für den Leistungsbereich von 0,75 bis 7,5 kW. IE2-Motoren dürfen zwar weiterhin als Alternative eingebaut werden, jedoch nur in Kombination mit elektronischen Drehzahlreglern.
Vorhandene Anlagen sind nicht davon betroffen, das regelt die ergänzende EU-Verordnung 640/2009. Für Altanlagen gelten damit nach wie vor die zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme geltenden Vorschriften. Das gilt auch für Motoren, die in einem Konsignationslager auf ihren Einsatz warten, sowie instandgesetzte Antriebe ohne wesentliche Veränderung ihrer ursprünglichen Leistung. Die EU-Verordnung 640/2009 betrifft damit nur neu in den Verkehr gebrachte Motoren, sofern nicht Ausnahmeregelungen greifen. Zu diesen Ausnahmen zählen beispielsweise Motoren mit fester Drehzahl und 10 oder mehr Polen, Motoren mit mechanischen Kommutatoren (wie Gleichstrommotoren) oder auch Antriebe, die vollständig in eine Maschine integriert sind (zum Beispiel Pumpen, Lüfter und Kompressoren). Ebenfalls ausgenommen sind unter anderem Unterwassermotoren oder Motoren für spezielle Einsatzbedingungen wie extreme Höhen oder Umgebungstemperaturen. Im Vergleich zu einem älteren 4-poligen Antriebsmotor mit einer Wellenleistung von 30 kW und einem Wirkungsgrad von 85 % spart ein Motor der Klasse IE2 real ungefähr 7,3 % Energie, ein Motor der Klasse IE3 8,6 % und ein IE4-Antrieb mehr als 10 %.
Internationaler Vergleich
In den Vereinigten Staaten, Kanada, Südkorea und China sind Normen, die IE2 oder sogar IE3 entsprechen, bereits lange vor den europäischen Richtlinien eingeführt worden. Ein Fünftel aller in den USA eingesetzten Elektromotoren erfüllen bereits die IE3-Vorgaben, in Europa sind es nur halb so viele. Die Vorreiter sichern sich handfeste Wettbewerbsvorteile. Denn der eigentliche Kaufpreis macht im Dauerbetrieb nur einen Bruchteil der Total Cost of Ownership (TCO) aus. Als Faustregel gilt für den dauernden Betrieb: Die Anschaffungskosten schlagen nur mit 2 bis 4 % zu Buche, während bis zu 98 % der Kosten auf die verbrauchte Energie entfallen.
Auch wenn eine Umrüstung zuerst Geld kostet, so bieten die Effizienz-Anforderungen letztendlich Vorteile: Bei den meisten Motoren sinken die Lebenszykluskosten. Oft übersteigen die Energiekosten schon nach einem halben Jahr die ursprünglichen Investitionskosten. Die höchsten Einsparungen bringt der Austausch von Altmotoren. Durch geringere Energiekosten rechnet sich aber auch bei Neuanlagen die vorgeschriebene Energieeffizienzklasse IE3. Dabei muss die Auswahl und die elektrische Dimensionierung der Schaltgeräte den Anforderungen der neuen Motorengeneration entsprechen. Damit müssen mehrere Faktoren bei der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung zu einem Motorenaustausch betrachtet werden: Investitionskosten für Motor und Peripherie, die Betriebszeiten des Motors, die Energie-Einsparung und geplante Ersatzinvestitionen.
Um verschiedene Anlageninvestitionen realistisch beurteilen zu können, hat der ZVEI in Kooperation mit Deloitte ein herstellerneutrales, betriebswirtschaftliches Lebenszykluskosten-Berechnungstool auf Basis der Kapitalwertmethode entwickelt. Das Excel-basierte Tool vergleicht die Projektalternativen anhand ihres Barwertes und der Annuität. Dafür müssen zuerst einmal Basisinformationen wie Anschaffungs-, Energie- und Betriebskosten eingegeben werden. Danach evaluiert das Tool, welche Option energieeffizienter ausfällt und welche Alternative zu geringeren Gesamtkosten führt. Es kann kostenfrei auf der Website des Verbands unter www.zvei.org/lebenszyklusbgerufen werden.
Auch eine Frage der Peripherie
Ab Energieeffizienzklasse 3 können während des Anlaufvorganges hohe Ströme auftreten, die konventionelle Schaltgeräte eventuell schnell überlasten. In Folge spricht dann ungewollt die Kurzschlusserkennung des Leistungsschalters an. Dabei sind zwei Stromarten zu unterscheiden: Inrush-Strom und Anlauf-Strom. Der Inrush-Strom tritt in der ersten und zweiten Halbwelle nach dem Einschalten des Motors auf und kann bis zu 50 % höher ausfallen als der eigentliche Nennstrom. Erst nach dem Abklingen des anschließenden Anlauf-Stroms wird dann der niedrigere Nennstrom erreicht. Diese Ströme sind konstruktionsbedingt, weil die Energieeinsparung größtenteils durch geringere Bemessungsströme erreicht wird. Dabei variieren diese Ströme abhängig vom Aufbau des Motors, den Netzverhältnissen (insbesondere von der Größe der Kurzschlussleistung des Trafos und damit der Spannungsstabilität), der Länge der Motorzuleitungen sowie der Einschaltphasenlage.
In niedrigen Leistungsbereichen ist die erforderliche Effizienzsteigerung höher, folglich ist dort auch die Abweichung des Bemessungsstroms größer. Grundsätzlich gilt: je höher die Leistung, desto geringer die Abweichung der Bemessungsströme im Vergleich zu IE1- und IE2-Motoren.
Der erhöhte Inrush-Strom führt zwangsläufig zu höheren Anforderungen an die verwendeten Schaltgeräte; die Motorenabsicherung muss jedenfalls ausreichend dimensioniert und projektiert werden, um zwischen dem Normalfall (Inrush-Strom des Motors) und dem Störfall (Kurzschluss) unterscheiden zu können. Eine Frühauslösung kann vor allem dann auftreten, wenn der Nennstrom des Motors im oberen Bereich der Einstellskala des Leistungsschalters liegt. Eine generell höhere Toleranz des Schalters ist dabei nicht ratsam, weil dann die Schutzwirkung im Normalbetrieb geschwächt wird. Siemens beispielsweise löst dieses Problem mit seinen Sirius-Schaltgeräten. Diese weiten nicht einfach die Grenzschwellen nach oben und unten aus, sondern entsprechen mit überlappenden Einstellbereichen den spezifischen Kennlinien von energieeffizienten Motoren. Dank dieser überlappenden Einstellbereiche kann der Nennstrom des Motors im unteren Bereich der Einstellskala liegen – damit werden Frühauslösungen zuverlässig vermieden. So wird der Spagat möglich: IE3- und IE4-Motoren ohne Probleme zu starten und gleichzeitig einen sicheren Schutz gegen Kurzschluss zu gewährleisten.
Konstruktive Klippen
Die Entwicklung immer effizienterer Asynchronmotoren muss sich mehreren Herausforderungen stellen: einerseits die Verluste zu minimieren, andererseits aber auch Kostensteigerungen zu verhindern. Gleichzeitig sollen auch Geräusch- und Vibrationsentwicklung, Temperaturen sowie die auftretenden Ströme in Grenzen gehalten werden.
Mehr Effizienz kann vor allem durch die Reduktion von Energieverlusten erreicht werden. Bezogen auf einen IE3-Motor müssen für die Energieeffizienzklasse IE4 diese Verluste nochmals um bis zu 25 % verringert werden. Sie entstehen hauptsächlich durch Joule-(Wärme) und Eisen-Verluste (Magnetisierung) im Umfeld der Statorwicklung, aber auch des Rotors. Dabei treten allerdings unerwünschte Nebenwirkungen auf: So beeinflusst die Reduzierung einzelner Verluste tendenziell die Gesamtkosten des Motors, das Anlaufmoment oder auch die Leistung.
Joule-Verluste in der Statorwicklung können beispielsweise durch größere Drahtdurchmesser erreicht werden – das reduziert den Widerstand der Wicklungen. Der höhere Füllfaktor erschwert aber das Einsetzen der Wicklungen in die Statornuten, was die Produktionskosten erhöht. Eisenverluste können dagegen durch die Verwendung von höherwertigen und verlustärmeren Blechschnitten erreicht werden. Das Problem dabei: Die Materialkosten steigen. Unter dem Strich muss die konstruktive Effizienzoptimierung deshalb immer als ein System mit vielen Einstellschrauben gesehen und behandelt werden.
Die Zukunft ist geregelt
Die Zukunft gehört dem Asynchronmotor mit elektronischer Drehzahlregelung – das fordert nicht nur die Europäische Union, das prognostiziert auch der ZVEI und erwartet damit einen deutlichen Anstieg bei den Drive Controllern. Dass sich der Aufwand lohnt, rechnet der Zentralverband im Rahmen eines Best-Practice-Beispiels für ein Pumpensystem vor. Pumpen bieten ein erhebliches Einsparpotenzial, weil sie oft im Teillast-bereich betrieben werden. Die tatsächlich notwendige Fördermenge liegt wegen der Überdimensionierung des Systems in der Regel unterhalb des Nenn-Betriebspunktes und wird in vielen Fällen durch mechanische Regelsysteme kontrolliert – beispielsweise durch Ventile oder Drosselklappen. Im ZVEI-Beispiel wurden bei einer Kühlmittel-Pumpstation mit fünf Kreiselpumpen und fünf Motoren mit je 55 kW in der Automobil-Produktion alle Rohrblenden entfernt und die Drosselventile geöffnet. Zur Regelung der Fördermenge wurde stattdessen die Drehzahlregelung mit Drive Controllern eingesetzt. Das Ergebnis war beachtlich: die Energieeinsparung betrug 60 %; die Energiekosten sanken um 160 000 Euro pro Jahr.
Michael Grupp, Redakteur in Stuttgart
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