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Wenn die Pumpe nach Hause telefoniert

Digitalisierung ganzer hydromechatronischer Systeme
Wenn die Pumpe nach Hause telefoniert

Ausgestattet mit Rechenleistung, Sensorik und IP-Adressen, lassen sich Pumpen heute schon vielfach aus der Ferne überwachen und steuern – und tragen so zu einer effizienteren Produktion bei. Die ersten Hersteller bieten nun auf dieser Basis Dienstleistungen an. ❧ Sabine Koll

Das durchschnittliche Lebensalter von Pumpen ist hoch. In der Großchemie liegt es nach Schätzungen von Pumpenhersteller KSB bei weit über 30 Jahren. Dass diese Fördergeräte nicht mit dem Internet verbunden sind und somit auch kein Bestandteil von Industrie 4.0 oder dem Internet der Dinge werden, dürfte klar sein. „Die Zahl der vernetzten Pumpen ist noch sehr gering“, sagte Dr. Thomas Paulus, verantwortlich für die Umsetzung von Industrie 4.0 bei KSB, vor einigen Wochen auf der Hannover Messe. Es gebe hier noch großen Nachholbedarf. Denn die Chancen seien groß: Enorme Einsparpotenziale bei den Energiekosten winken nach seiner Einschätzung. „Wir brauchen smarte Aggregate, um die Energieeffizienz zu verbessern. Dies ist mit einzelnen modernen Pumpen nicht möglich. Sie müssten vor allem miteinander vernetzt sein, über eine Cloud Sensordaten austauschen und sich so gegenseitig optimieren“, so Paulus.

In großen Industrieanlagen sind hunderte, manchmal auch mehrere tausend Pumpen verbaut. Pumpen gehören damit zu den wichtigsten Anlagenteilen, vor allem, wenn es um Betriebssicherheit geht. Bislang ist ein Betreiber in der Regel froh, wenn in seiner Anlage alles gut läuft. Über den Zustand der einzelnen Pumpe weiß er wenig. Dafür gibt es Wartungspläne, die vorschreiben, wann gewartet werden muss, damit der Betrieb weiter störungsfrei läuft. Besser wäre es nach Ansicht des VDMA, der Betreiber wüsste jederzeit, wie es um jede seiner Pumpen bestellt ist – oder noch besser: Er könnte sicher sein, dass sie jederzeit optimal laufen.
Paulus: „Der Nutzen, den wir in der Digitalisierung von Pumpen sehen, liegt bei den Betreibern der Industrieanlagen. Die Lebenszykluskosten spielen eine große Rolle. Wir sind deshalb kontinuierlich dabei, die Kosten des Betriebs einer Pumpe zu optimieren. Die Aufgaben, die ein Arbeiter heute täglich zu erledigen hat, zu vereinfachen, ist ein überzeugendes Argument auch für konservative Betreiber.“ Vor allem für kleinere und mittlere Unternehmen, in denen Mitarbeiter verschiedene Hüte aufhaben, könnte dies Entlastung bringen
Smarte Pumpen lassen sich vergleichen mit Gesundheitsüberwachungssystemen am Handgelenk einer Person: So, wie diese unregelmäßigen Herzschlag, Schlafmuster oder Gesundheitsprobleme aufzudecken in der Lage sind, so können entsprechende Monitoring-Systeme Anlagenbetreiber über den Zustand ihrer Pumpen informieren. Gründe für Maschinen-Ausfälle sind typischerweise der Dauerbetrieb unter dem Minimalfluss; Trockenlaufen, verursacht durch geschlossene Saugventile; Kavitation (Hohlraumbildung) verursacht durch eine unzureichende Haltedruckhöhe; oder Hitzestau und anschließende Flüssigkeitsverdampfung, resultierend aus einem geschlossenen Ablassventil.
Frühzeitig von Problemen wissen, bevor die Pumpe sich verabschiedet
Smarte Pumpen und Monitoring-Systeme können gegen solche Probleme schützen, indem sie frühzeitig auf diese Gefahren aufmerksam machen. Die Vorteile: Über mögliche Ausfälle von Geräten sind Anlagenbetreiber frühzeitig informiert und können handeln – anstatt von unerwarteten Ausfällen überrascht zu werden, die wiederum zusätzliche Kosten verursachen über ihren Zustand oder gar die Sicherheit der Mitarbeiter gefährden.
Auch in der Vergangenheit ließen sich Pumpen mit Sensorik ausstatten, um etwa kritische Bereiche wie Durchfluss oder Druck zu überwachen. Doch war jeder Sensor hartverdrahtet mit einem zentralen Rechner mit teuren Anwendungen, die Berichte nur ausgewählten Schlüsselanwendern im Unternehmen zur Verfügung stellen konnten.
Anders als konventionelle Pumpen sind smarte Pumpen heute mit Standard-Computertechnologie und -sensoren sowie mit Netzwerkverbindungen ausgestattet – ohne dadurch viel teurer zu sein. Möglich machen dies mehrere Faktoren: Die Kosten von Sensoren sind in den vergangenen Jahren so gesunken, dass sie heute bereits routinemäßig für einmalige Einweg-Funktionen genutzt werden können. So sind Sensoren heute schon für 50 Euro und weniger zu haben.
Die Kosten und die Schwierigkeiten der Installation – einschließlich der Integration in übergeordnete Monitoring-Systeme – sind ebenfalls gesunken. Massensensorik und Monitoring lassen sich heute mit Datenanalyse-Tools so integrieren, dass sie über intuitive grafische Displays tiefe Einblicke in eine Fabrik gewähren. Sensoren können mehrere Überwachungssysteme und Anwender gleichzeitig unterstützen, sodass auf Wunsch auch mehrere Zielgruppen gleichzeitig über den Zustand der Pumpen in einer Fabrik informiert werden können.
Remote Monitoring ist heute problemlos möglich
Viele Pumpen-Hersteller machen sich diese technischen und finanziellen Fortschritte zunutze und bieten Industrie-4.0-fähige Produkte an: Grundfos nennt sein System Isolutions, das aus verschiedenen modularen Komponenten besteht. Für das Monitoring von Pumpen steht das Grundfos Remote Management (GRM) zur Verfügung. Als Internet-basiertes Telemetriesystem dient es sozusagen als Auge und Ohr zur Überwachung entfernt installierter Pumpensysteme.
Dazu sind die Pumpen und Steuerungen mit einem GPRS/GSM-Modul verbunden, das die Daten per Mobilfunk drahtlos zu einem zentralen Grundfos-Server sendet. Der Zugriff auf den Server und die Daten erfolgt mit Hilfe eines Internet-fähigen Endgeräts wie etwa eines Tablets. Laut Grundfos eignet sich die Lösung vor allem für Betreiber, die eine kostengünstige Fernüberwachung wünschen und keine komplette Leitwarte einrichten wollen.
Um seine Pumpensysteme in ein Feldbus-System integrieren zu können, nutzt Grundfos seit Jahren bereits pumpenspezifische Feldbuskarten. Neben den klassischen Feldbus-Protokollen werden mit einer Feldbuskarte durch Drehen eines Schalters auch mehrere unterschiedliche Industrial-Ethernet-Busprotokolle wie Profinet IO, Modbus TCP und Bacnet IP unterstützt.
Mit Isolutions können Betreiber oder Anlagenbauer eigene Lösungen für die Überwachung der Pumpen aufbauen. So hat der Wasseraufbereitungs-Spezialist Herco mit Isolutions-Komponenten – MGE-Motor, Sensoren und digitalen Dosierpumpen Smartdigital – eine innovative Wasseraufbereitungsanlage entwickelt, die aus energie- und wassersparenden Technologien in Verbindung mit digitaler Steuerungstechnik besteht Die Digitalisierung macht die Anlage transparent, der Betreiber gewinnt auf diese Weise eine höhere Prozesssicherheit und eine verbesserte Anlagenverfügbarkeit. Die Pumpen arbeiten am gewünschten Betriebspunkt und verbrauchen nur die für die Aufgabenstellung tatsächlich erforderliche Energie.
KSB ermöglicht mit den beiden Komponenten Pumpmeter und Pumpdrive die Vernetzung von Pumpen: Das Basic-Produkt Pumpmeter zeigt alle Zustandsparameter der jeweiligen Pumpe an – auf einer Anzeige an der Pumpe selbst oder auch in der Leitwarte. Es misst zum Beispiel den Saugdruck und den Enddruck und stellt auch ein Lastprofil bereit. Daraus kann man genau erkennen, wann eine Pumpe gewartet werden muss. Das Gerät zeigt auch an, wann Energieeinsparpotenziale vorhanden sind.
Pumpdrive geht noch ein Stück weiter: Die Drehzahlregelung ist in der Lage, zusätzlich in Kombination mit Pumpmeter dafür zu sorgen, dass die Pumpe je nach Zustand der Anlage immer optimal betrieben wird. KSB liefert zahlreiche Baureihen bereits ab Werk mit Pumpdrive aus.
Cloud-Lösung für die verbesserte Instandhaltung
„Mit beiden Produkten bekommt die Pumpe eine digitale Schnittstelle, die sowohl für die Einbindung in die klassische Automatisierungswelt genutzt werden kann als auch für die Fernüberwachung“, erklärt Christoph Emde, Leiter der Anwendungs- und Grundlagenforschung bei KSB. „So haben wir beispielsweise die Pumpensysteme in einem der größten und modernsten Rechenzentren Europas entsprechend ausgestattet. Hier kann unser Kunde die Betriebszustände seiner Pumpen und damit die zwingend benötigte Kühlung der Server via Maintenance Cloud überwachen.“ Beim Kunden handelt es sich um SAP mit seinem Rechenzentrum in St. Leon-Rot.
Colfax hat mit der IN-1000 ebenfalls eine Plattform für das Condition und Operation Monitoring im Programm: Mit ihr lassen sich von der einfachen Zustandsüberwachung bis hin zu komplexen Überwachungstätigkeiten inklusive Operation Monitoring an mehreren Pumpen der Marke Allweiler viele Anforderungen an Sicherheit und geringe Betriebskosten gleichzeitig realisieren. Beispiele sind die Überwachung von Druck, Temperatur, Leckage und Vibration. Eine Erweiterung mit industrieller Standardsensorik ist möglich. Die Kommunikation mit der Leitwarte erfolgt über Ethernet-Verbindungen. Je nach Konfiguration kann aufgrund der Informationen aus der „Smart Platform“ automatisch reagiert werden, beispielsweise ein Wechsel auf eine andere Pumpe.
Der „Haken“ an der Sache ist allerdings, dass sich mit den Monitoring-Lösungen der einzelnen Anbieter jeweils nur deren eigene Pumpen überwachen lassen. Wer also Produkte mehrerer Hersteller im Einsatz hat, muss entweder mehrere Monitoring-Lösungen installieren oder aber eine individuelle übergeordnete Lösung finden.
Hersteller entwickeln neue digitale Geschäftsmodelle
Smarte Pumpen werden nach Ansicht von Experten die Zukunft der gesamten Pumpenindustrie verändern, weil sie nicht nur den Anwendern Vorteile bringen, sondern auch die Geschäftsmodelle der Hersteller umkrempeln können. „Während ich davon ausgehe, dass die Kreiselpumpe auch nach Vollzug der vierten industriellen Revolution starke Ähnlichkeit mit einer Pumpe aus heutiger Produktion hat, so wird das Produkt ein gänzlich anderes sein“, ist KSB-Experte Emde überzeugt. „Zukünftige Produkte werden einen größeren Dienstleistungsanteil aufweisen. Neue Geschäftsmodelle werden den Kunden dabei unterstützen, sich auf seine Kernaufgabe zu konzentrieren und dabei seine Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen.“
Ein erster Schritt in diese Richtung ist der Pump Operation Check von KSB, mit dem sich Optimierungspotenziale ungeregelter Pumpen in Einzelpumpenanwendungen erfassen lassen. Dazu misst Pumpmeter die Drücke der Pumpe während eines repräsentativen Zeitraums. Aus den Messdaten erstellt KSB das qualitative Lastprofil der Pumpe sowie Empfehlungen zur Optimierung. Außerdem erhält der Kunde eine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung und auf Wunsch auch ein Angebot zur Umsetzung der Optimierungsmaßnahmen durch KSB. Für die Analyse komplexer Anlagensysteme bietet der Anbieter den System Effizienz Service (SES) an.
Ein echtes Dienstleistungsprodukt auf Basis vernetzter Pumpen hat auch Wilo geschnürt: Mit Wilocare überwachen die Dortmunder Anlagen per geschütztem Internet-Portal. Dank einer installierten Kommunikationsbox ist es den Anlagen durch intelligente Sensorik möglich, bei Unregelmäßigkeiten im Betrieb eine direkte Meldung an den Techniker zu senden. „Über eine LAN-Verbindung können die Daten direkt aufs Smartphone, Handy, Tablet oder den PC gesendet werden“, sagt Niko Kösling, Service Portfolio Manager bei Wilo. „Der Servicetechniker kümmert sich dann, ohne zusätzliches Einwirken des Betreibers oder Auftraggebers, um jedes Detail und kann so bei unvorhergesehenen Störmeldungen direkt Maßnahmen ergreifen und so Störungen vermeiden.“
Die Dienstleistung kann im ersten Schritt für alle Druckerhöhungs-, Feuerlösch- und Abwasseranlagen von Wilo eingesetzt werden. Erhältlich ist das Serviceangebot in den Varianten Basic, Comfort und Premium. Je nach Wahl des Vertrags werden so zusätzlich sämtliche Risiken und Kosten für Wartung, Einsätze und/oder Ersatzteile abgedeckt. Die Premium-Variante beispielsweise funktioniert wie ein Rund-um-Sorglos-Paket. Dank eines monatlichen Festpreises bleiben die Kosten übersichtlich und sind leicht zu kalkulieren. Zusätzlich gibt es, basierend auf der konstanten Dokumentation, einen monatlichen Statusbericht über den Zustand der Pumpe oder Anlage sowie potentielle Maßnahmen zur Optimierung des Betriebs.
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