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Elektromobilität – Zulieferer im Wandel

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Elektromobilität – Zulieferer im Wandel

Gussprodukte | Elektromobilität ist Teil einer künftigen Smart-Energy-Strategie. Doch was ändert sich damit für die Zulieferindustrie und speziell die Gießereien? Branchenexperten diskutieren engagiert Risiken und neue Strategien.

Edgar Lange Freier Fachjournalist in Düsseldorf

Auch wenn die E-Mobilität heute eher noch die Gemüter als große Personen- und Güterströme bewegt, befassen sich schon zahlreiche Fachleute mit den Auswirkungen auf die Zuliefer-Branche. Zwar scheiden sich noch die Geister beim erwarteten Anteil von E-Fahrzeugen, bei der Art der Umsetzung und den Auswirkungen. Unbestritten ist jedoch, dass unabhängig vom Tempo der Markteinführung durch die E-Mobilität massive Veränderungen bei den Zulieferern zu erwarten sind.
Diese Entwicklung war Kern der Bremer Veranstaltung „Elektromobilität – Gießerei-Industrie abgehängt?“ des Vereins Deutscher Giessereifachleute e.V. (VDG) in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung (Ifam) mit namhaften Referenten. So zeigten sich viele Teilnehmer aus der Gießerei-Branche verunsichert von der hochgelobten E-Auto-Technologie, die im Kontrast steht zu den derzeit noch kleinen Stückzahlen. Das ehrgeizige Ziel, bis 2020 rund eine Million E-Autos auf deutsche Straßen zu bringen, wurde allseits skeptisch gesehen. Und die Referenten diskutierten die Entwicklung eher kontrovers.
Neuere Zahlen gehen davon aus, dass bis 2025 lediglich 2 % E-Fahrzeuge auf deutschen Straßen fahren werden, erläuterte der Leiter des Ifam, Prof. Matthias Busse: „Wir bauen konventionelle Autos seit 120 Jahren. Und jetzt nehmen wir uns vor, dass wir das mal eben in zwei Jahren auf links krempeln. Das funktioniert so aber nicht.“ Außerdem hätten die Autohersteller viele Milliarden in ihre Produktionswerke in und außerhalb Deutschlands investiert. Aus Sicht eines Konzerns wäre es unvernünftig, einen schnellen Schwenk hin zu Elektroautos zu machen. Sie müssten ihre Anlagen stilllegen oder runterfahren und würden damit all ihre Investitionen in den Sand setzen. Busse glaubt daher, dass der Weg viel länger sein wird, als die meisten denken. Die Elektromobilität werde aber kommen und nicht wieder in der Versenkung verschwinden.
Busse präsentierte in Bremen das Forschungsspektrum seines Instituts zur Elektromobilität: Die Demonstrator-Fahrzeuge „AutoTram“ und „Fraunhofer e-concept car type 0 – Frecc0“ dienen als wissenschaftliche Integrationsplattformen für Elektrofahrzeug-Komponenten.
Highlights sind zum Beispiel ein energiegünstiger elektrischer Radnabenmotor auf Basis gegossener Aluminiumspulen sowie dessen Integration in eine Verbundlenkerachse. Im Zuge der Fahrzeugelektrifizierung seien aber zahlreiche Gussprodukte zu ersetzen, wie etwa Zylinderköpfe, Motorblöcke, Nockenwellen, Ventile, Kolben, Treibstoffsysteme, Kupplung, Getriebe und Abgassysteme – was laut Busse grundlegende Änderungen in der Automotive-Industrie zur Folge hat. „Nicht wenige Zulieferer haben ausschließlich solche Produkte in ihrem Portfolio, was eine nicht zu unterschätzende Gefahr für sie bedeutet.“ Er warnt die Zulieferer deswegen davor, sich in Sicherheit zu wiegen, weil das bisschen E-Auto sie schon nicht umhauen werde.
Chancen durch neue E-Auto-Bauteile
Franz-Josef Wöstmann vom Ifam erinnerte daran, dass „das aktuelle Produkt- und Kundenportfolio vieler Gießereien vom Kurbelgehäuse bis zum Abgaskrümmer immer noch abhängig vom Antriebskonzept Verbrennungsmotor ist.“ Der Experte empfiehlt daher, das Portfolio rechtzeitig auf neue E-Auto-Komponenten auszuweiten wie Rangeextender, Turbolader, E-Motorengehäuse, Wärmetauscher, Getriebe, Gehäuse für Batterien, Umrichter und Leistungselektronik sowie Hybridgussteile. Der Mit-Initiator der Veranstaltung, Dr. Carsten Kuhlgatz, Geschäftsführer, Präsident & CEO der Hüttenes-Albertus Chemische Werke und Vorsitzender des VDG-Landesvorstandes Niedersachsen, ging darauf ein, dass der Übergang sicher nicht schlagartig kommen werde und damit kein massiver Absatzeinbruch für die Zuliefer-Branche einhergeht. „Ein Unsicherheitsfaktor ist allerdings China mit seinen Luftproblemen in den Großstädten“, so Kuhlgatz. „Wenn man sich dort politisch motiviert für mehr Neuzulassungen bei Elektrofahrzeugen entscheidet, wird dies auch westliche Automobilproduzenten unter Handlungsdruck setzen.“ Es gehe dabei nicht nur um den Wegfall klassischer Baugruppen wie Zylinderköpfe, Schaltgetriebegehäuse, Abgaskrümmer oder Einspritzpumpen, sondern beim E-Auto künftig auch um völlig neue Werkstoffkombinationen anstelle von Eisen- oder Alu-basierten Materialien: etwa um Materialmix, Mischbauweisen mit CFK oder Kunststoff, um Hybridbauteile.
Dass es trotz wachsendem Anteil von CFK- und anderen Leichtbau-Werkstoffen noch reichlich Potenzial für Gussprodukte im Elektromobil geben werde, erläuterte Jean-Marc Segaud von der BMW-Gießerei in Landshut: „Bei optimaler Nutzung der Vorteile von Guss kann dessen Anteil auch in modernen Fahrzeugkonzepten noch steigen.“ Segaud denkt etwa an die heute noch gefügten Längsträger oder Federbein-Elemente, die künftig durch ein Alu-Druckguss-Teil ersetzt werden können.
Guido Rau, Head of Research & Validation beim Technologieexperten Georg Fischer Automotive (GF), sieht auch Startvorteile für Gießer: „Die Formfreiheit, abgestimmte Materialeigenschaften und die Wirtschaftlichkeit beim Guss sind das große Plus.“ Hier lassen sich Bauteileigenschaften erzeugen, die den Belastungen optimal angepasst sind. Rau sieht vor allem in bionischen Strukturbauteilen neue Chancen für Gusslösungen im Leichtbau beziehungsweise bei der E-Mobilität. Er untermauert dies mit dem Beispiel eines Schwenklagers aus hochfestem Eisen im Bio-Design, bei dem 32 % Gewichtsreduzierung erreicht werden konnten. „Gießereien werden aber ihr verbreitetes Tonnagedenken revidieren müssen und sich an kleinere Mengen und Stückzahlen gewöhnen müssen“, konstatiert Rau.
Das glaubt auch Frank Schild von der Eisengießerei Dieckerhoff, die angesichts des Wandels zu Leichtbau und E-Fahrzeugen schon fünf Jahre dabei ist, sich neu auszurichten. „Die technische Entwicklung ist für einen Zulieferer durchaus beherrschbar. Sorge haben wir einzig vor nicht planbaren Schnellschüssen der Politik“, so Schild.
Die Referenten waren sich am Ende des Tages mit Ihrem Fazit nahezu einig: Um den durch die E-Mobilität bewirkten Wandel in der Gießerei-Branche bewältigen zu können, müssen Gießer künftig mehr intelligente Werkstoff- und Technologie-Innovationen anbieten, Entwicklungspartnerschaften eingehen, sowie verstärkt auch Konstruktionsverantwortung mit übernehmen. •
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