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Kein Spaziergang an den Persischen Golf

Iran ist nach wie vor kein Handelspartner wie jeder andere
Kein Spaziergang an den Persischen Golf

Trotz gelockerter Sanktionen gegen den Iran lauern bei Geschäften mit dem Land am Persischen Golf nach wie vor rechtliche Fallstricke. Gute Kenntnisse im Exportkontrollrecht und eine strukturierte Prüfung sind unerlässlich.
Viele Firmen haben den Tag lange herbeigesehnt: Mit dem „Implementation Day“ am 16. Januar 2016 wurden die Wirtschafts- und Finanzsanktionen gelockert, die seitens der EU und der USA wegen des Nuklearprogramms gegen den Iran verhängt worden waren. Die Internationale Atomenergie-behörde IAEA hatte zuvor bestätigt, dass das Land am Persischen Golf seine Verpflichtungen zum Rückbau des Atomprogramms erfüllt habe. Unternehmen können seither leichter Geschäfte mit dem Iran aufnehmen und abwickeln. Der in den Medien zum Teil erweckte Eindruck, dies sei nun völlig ohne Beschränkungen möglich, ist allerdings falsch. Nach wie vor sind im Wirtschaftsverkehr mit dem Iran eine ganze Reihe rechtlicher Vorgaben zu beachten. Nur wer gute Kenntnisse im Exportkontrollrecht hat, wird seine Irangeschäfte rechtssicher abwickeln können.
Der Bedarf des Iran an Erneuerungsinvestitionen ist groß. Die jetzt gelockerten Sanktionen hatten sich nicht nur gegen direkt mit dem Nuklearprogramm verbundene Bereiche gerichtet, sondern sollten die iranische Wirtschaft insgesamt treffen. Dadurch ist das Land etwa bei Erdölförder-methoden in einen Rückstand geraten. Auch bei Gasprojekten, in der Petrochemie oder beim Eisenbahnnetz muss der Iran aufholen. Beim Ausbau der Solarenergie gibt es für Unternehmen aus dem Ausland jetzt ebenfalls neue Geschäftschancen.
Güterlisten: Die neue Systematik birgt Fehlerquellen
Als rechtliche Grundlage für die Prüfung, ob ein angestrebtes Geschäft verboten, genehmigungspflichtig oder genehmigungsfrei ist, ist vorrangig die Iran-Embargoverordnung (EU) Nr. 267/2012 in der Fassung der Verordnungen 1861/2015 und 1862/2015 vom 18. Oktober 2015 heranzuziehen. Die Anzahl der zu beachtenden Güterlisten wurde von bisher vierzehn auf nunmehr fünf reduziert. Letzteres klingt zunächst nach einer reinen Vereinfachung, bringt aber auch neue Schwierigkeiten mit sich. Denn: Die Listen entsprechen nicht mehr dem, was bis zum 16. Januar galt. Die Anhänge wurden neu gefasst und inhaltlich verändert – mit der Folge, dass Unternehmen, die im Iran Geschäfte machen möchten, ihren Warenstamm erneut nach den Güterlisten des Iranembargos bewerten müssen.
Eine besondere Herausforderung stellt der Handel mit Dual-Use-Gütern dar. Dual-Use-Güter sind zivile Güter, die auch militärisch genutzt werden können. Bisher war die Ausfuhr von Gütern dieser Kategorie in den Iran grundsätzlich verboten. Diese Beschränkungen wurden weitgehend aufgehoben, sodass nun Irangeschäfte auch in Bezug auf viele der gelisteten Dual-Use-Güter möglich sind. Dual-Use-Güter unterliegen beim Export immer einer Genehmigungspflicht, die es selbstverständlich auch bei Irangeschäften zu beachten gilt. Allerdings gehen die spezielleren Regelungen der Iran-Embargoverordnung dieser allgemeinen Genehmigungspflicht für die Ausfuhr von Dual-Use-Gütern vor. Zu beachten sind beispielsweise für die in Anhang I der Iranembargoverordnung gelisteten Frequenzumwandler besondere formelle Anforderungen an das Genehmigungsverfahren.
Weiterhin verboten ist unter anderem die Lieferung von Gütern des Anhang III der Iranverordnung. Gelistet sind hier Dual-Use-Güter, die von dem internationalen Exportkontrollregime des MTCR, dem Missile Technology Control Regime, erfasst sind. Grund hierfür ist, dass der Iran ein Raketenprogramm verfolgt, das international auf Kritik stößt. Auch hier ist die Prüfung, welche Güter unter die Regelung fallen, im Einzelfall zum Teil kompliziert. Kugellager beispielsweise sind auf den ersten Blick unkritische Bauteile. Weisen sie allerdings bestimmte technische Eigenschaften auf, sind sie für den Raketenbau verwendbar – und fallen damit unter das Verbot.
Spezielle Beachtung verdient außerdem der mit „Proliferation“ überschriebene Anhang II der Embargoverordnung. Er ist eine Art Sammelbecken, in dem unterschiedlichste Güter aufgeführt sind – bestimmte Dichtungsringe ebenso wie Werkzeugmaschinen. Erwähnenswert sind in diesem Zusammenhang die bislang in Anhang III und nunmehr in Anhang II gelisteten Viton-Dichtungen, Dichtungsringe, die in ganz unterschiedlichen Geräten oder Baugruppen Verwendung finden und damit weiterhin genehmigungspflichtig bleiben.
Bei der Prüfung sind die vier Schritte der Exportkontrolle zu beachten
Die aufgeführten Beispiele machen deutlich: Der Iran ist nach wie vor kein Handelspartner wie jeder andere. Nur mit Wissen um die einschlägigen Bestimmungen empfiehlt es sich, Geschäftsbeziehungen zu dem Land aufzunehmen. Am ehesten auf der sicheren Seite ist, wer sich bei der Prüfung an die vier Schritte der Exportkontrolle hält: Sanktionslistenprüfung, Länderprüfung, Güterprüfung und Verwendungszweckprüfung.
Die Sanktionslistenprüfung schließt aus, dass ein Unternehmen Geld oder Wirtschaftsgüter an Personen oder Organisationen übermittelt, gegenüber denen seitens der EU Finanzsanktionen bestehen. Mit der Länderprüfung stellt ein Unternehmen fest, ob für den Handel mit bestimmten Staaten Embargos aus außen- oder sicherheitspolitischen Gründen bestehen. Mittels Güterprüfung gleichen Unternehmen ihre Produkt-palette mit den Güterlisten ab. Bei der Verwendungszweckprüfung geht es schließlich darum, ob beim Ausführer Kenntnis einer kritischen Endverwendung vorliegt.
Die strukturierte Prüfung dieser vier Schritte stellt sicher, dass keine wichtigen Bestimmungen des Exportkontrollrechts übersehen werden. Einen Überblick über Iran-spezifische Besonderheiten finden Unternehmen im aktualisierten Merkblatt und in einer Sonderveröffentlichung des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle – die Lektüre ist unbedingt ratsam.
Dr. Ulrike Jasper, Juristin im Team Risk Management und Expertin für Außenwirtschaftsrecht, AEB GmbH, Stuttgart

Vier Schritte der Exportkontrolle
  • Sanktionslistenprüfung: Fällt ein Geschäftspartner unter die Antiterror-Verordnung der EU?
  • Länderprüfung: Bestehen Embargos aus außen- oder sicherheitspolitischen Gründen?
  • Güterprüfung: Gehört ein Produkt einer der 350 Warengruppen an, die derzeit Beschränkungen unterliegen?
  • Verwendungsprüfung: Führt der Ver-wendungszweck zu einer Genehmi-gungspflicht? Vier Verwendungszwecke sind ausdrücklich gelistet, etwa die Nutzung eines gelieferten Produktes zur Herstellung von ABC-Waffen.
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