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MES braucht die richtige Startstrategie

MES: Fertigungssoftware in mehreren Stufen einführen
MES braucht die richtige Startstrategie

Software ebnet den Weg zu mehr Produktivität: Denn MES-Systeme reduzieren die Informationsflut aus der Fertigung auf relevante Daten für Entscheider. Aber: MES-Projekte scheitern nicht selten in der Startphase.

Manufacturing Execution Systems (MES) ist für die Industrie längst mehr als ein kurzlebiges Modewort: „In den produktionsnahen Abteilungen beginnt sich der Begriff fest zu etablieren. Aufklärungsbedarf hinsichtlich der vielfältigen Einsatzmöglichkeiten und immensen Vorteile besteht allerdings noch in fertigungsfernen Bereichen wie etwa im Management“, erläutert Dr. Hans-Hermann Wiendahl, Fachreferent Auftragsmanagement und MES-Experte des Stuttgarter Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA). Bei der Nutzenerwartung stehe klar die Verbesserung der Logistikleistung und eine effizientere Fertigung im Vordergrund: Kürzere Durchlaufzeiten, Produktivitätsverbesserung, mehr Planungssicherheit, höhere Transparenz sowie gesteigerte Termintreue seien die wesentlichen Vorteile einer MES-Einführung.

Derzeit allerdings stellt sich der MES-Markt nach IPA-Erkenntnissen äußerst heterogen dar. So hat der Interessent beim Kauf erst einmal die Qual der Wahl: Allein im deutschsprachigen Raum werden derzeit rund 70 MES-Softwarelösungen angeboten, hebt man am IPA hervor. Deren Schwerpunkte, so die Gemeinschaftsstudie, reichen von Lösungen für das Erfassen oder Auswerten von Betriebs- und Maschinendaten über Optimierungen für die Ressourcenbelegung bis hin zu modularen Komplettlösungen. „Die unterschiedlichen Schwerpunkte dieser Systeme in Verbindung mit der Größe des Marktangebots lassen die Entscheidung zu einem anspruchsvollen Vorhaben werden“, betont Dr. Karsten Sontow, Vorstand der Trovarit AG in Aachen (Halle 5, Stand D17). Zudem würden Fragen nach dem Leistungsspektrum, der Effektivität, Anschaffungs- und Betriebskosten stark vom jeweiligen Anwendungsfall abhängen. Gleichzeitig müssten weitere relevante Kriterien wie etwa Branchenausrichtung und Systemphilosophie ebenso in die Betrachtung mit einbezogen werden wie die Kompetenzen und wirtschaftliche Stabilität des Anbieters. „Verschärft wird diese Situation noch durch die Neigung vieler Softwareanbieter, ihrer Kreativität beim Entwickeln modischer Schlagworte freien Lauf zu lassen“, warnt Sontow.
Angesichts dieser Herausforderungen raten die MES-Experten bei Trovarit und am IPA zu einer systematischen MES-Einführung in mehreren Stufen, was die nötigen Investitionsentscheidungen auf eine solide Grundlage stellen soll. Der Ausgangspunkt: Eine klar strukturierte Projektorganisation. „Hierbei wird unter anderem das Projektteam zusammengestellt, die Vorgehensweise festgelegt, betriebliche Abläufe durchleuchtet und ein Projektplan erstellt. Bereits an dieser Stelle wird der Grundstein für alle weiteren Schritte bis zum erfolgreichen Betrieb des Systems gelegt“, betont Rolf Kipp, MES-Spezialist bei Trovarit. Ebenso klar ist aber für ihn, dass die Einführung eines MES-Systems zunächst kein Patentrezept zur Beseitigung organisatorischer Probleme ist. Im Gegenteil: „Die Erfahrung zeigt, dass betriebliche Abläufe durch die Einführung einer Softwarelösung gefestigt und Schwachstellen unter Umständen manifestiert werden.“ Die in der Startphase festgestellten Schwachstellen in den Geschäftsprozessen und Fertigungsplanung sollten von daher auf jeden Fall vor Einführung der MES-Software komplett beseitigt werden.
Der richtige „Mix“ des Projektteams gehört für Hans-Hermann Wiendahl zu den weiteren Meilensteinen auf dem Weg zur erfolgreichen MES-Einführung. „Dabei sind betroffene Mitarbeiter und auch der Betriebsrat einzubinden, um Akzeptanzprobleme schon im Vorfeld auszuschließen.“ Die Zusammensetzung des Projektteams könne sich dabei in den unterschiedlichen Phasen je nach Anforderung unterscheiden. Wiendahl: „Es ist sinnvoll, zwischen einem Projektkernteam und einem begleitenden Team zu unterscheiden. Im Kernteam sind vor allem die Abteilungen Fertigungsplanung, Produktion, IT sowie – je nach Sachlage – die hauptsächlich betroffene Anwender vertreten.“ Zusätzlich könnten je nach Projektphase und Bedarf über das begleitende Team weitere, kompetente Mitarbeiter hinzugezogen werden. Diese Flexibilität im Team minimiere den Koordinierungsaufwand innerhalb des Projektes erheblich.
Trotzdem: Viele Software-Projekte scheitern an Defiziten im Bereich des Projektmanagements, so die einhelligen Erfahrungen von Trovarit und IPA. Neben fehlender Erfahrung und Kapazität der Projektleitung liege dies vor allem an den Erwartungen an das Projekt oder die Softwarelösung: „Oftmals haben die Anwender und das Management völlig unterschiedliche Vorstellungen über die einzuführende Software und ihren Nutzen“, ergänzt Rolf Kipp. Daraus resultierten vielfach Argumentations- und Akzeptanzprobleme während der Auswahlentscheidung. Endlose Diskussionen über vermeintliche Notwendigkeiten oder ein wiederholtes Infragestellen der Entscheidungsgrundlagen seien die Folge.
„Vor diesem Hintergrund ist deshalb grundsätzlich zu prüfen, inwieweit externe Fachexperten hier helfen können“, empfiehlt MES-Experte Wiendahl. Zwar würden viele Unternehmen aus Kostengründen vor der Einbinden einer Unternehmensberatung zurückschrecken, aber: „Die Erfahrung zeigt, dass Probleme im Projektmanagement und die dadurch hervorgerufenen Verzögerungen meist wesentlich höhere interne Kosten verursachen als der finanzielle Aufwand für externe Unterstützung.“
Gleichzeitig können auch „handfeste“ technische Probleme zu Stolpersteinen bei der MES-Einführung werden, denn fast immer sind Schnittstellen in Richtung anderer betrieblicher Anwendungssoftware wie ERP/PPS-Systemen zu realisieren. MES-Experte Kipp: „Grundsätzlich ist zu klären, welche Daten zwischen den einzelnen Systemen auszutauschen sind und wie Datenaustausch und Datenabgleich zu erfolgen haben.“ Zwar würden zahlreiche MES-Anbieter Schnittstellen zu verbreiteten Systemen, wie etwa „mySAP.com“ offerieren. Dennoch entstehe bei der Spezifikation und Konfiguration der Schnittstellen auch hier nicht selten ein nicht zu unterschätzender Aufwand. Für besonders problematisch hält er deshalb Schnittstellen zu proprietären und veralteten Systemen. Der Hinweis eines Systemanbieters über einen Schnittstellenkonfigurator zu verfügen, ist für ihn keine Garantie dafür, dass jede Schnittstelle mit vertretbarem Aufwand realisiert werden kann. „Die Kosten für die Erstellung von Schnittstellen können im schlimmsten Fall sogar die Lizenzkosten der MES-Software übersteigen“, so die deutliche Warnung von Rolf Kipp.
Mark Böhler Fachjournalist, Kiel
Eine klar strukturierte Organisation ist erforderlich

Kosteneffizienz
Mit MES kosteneffizienter produzieren versprechen die Anbieter. Mit welchen Problemen Unternehmen rechnen müssen, zeigt die Gemeinschaftsstudie Fertigungssteuerung 2007/2008 vom IPA und Trovarit. Sie soll als Navigationshilfe einen schnellen Überblick über den Markt für MES-Software geben. Ein Fragenkatalog sowie die jeweils aktuellsten Marktdaten sind über den IT-Matchmaker (www.it-matchmaker.com) der Trovarit AG verfügbar.
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