Industrielle Dienstleistungen | Mit Hilfe betriebswirtschaftlicher Kennzahlen wollen Wissenschaftler die Produktivität industrieller Dienstleistungen zu einer berechenbaren und damit steuerbaren Größe machen.
Vera Münch Fachjournalistin in Hildesheim
In puncto Profitabilität produktbegleitender Dienstleistungen gilt die Automobilindustrie als Vorbild einer gelungenen Verknüpfung der Sachgüterproduktion mit Dienstleistungen, die das Produkt über den ganzen Lebenszyklus begleiten und damit planbar zur Wertschöpfung beitragen. Ein Beispiel nennt Professor Dr. Peter Weiß vom ISM Institute of Service Management, Hamburg: „Automobilhersteller investieren heute bereits in Car-Sharing-Modelle, um die neue Käuferschicht besitzteilender Kunden besser kennenzulernen. In Zukunft könnte das Auto nur noch eine Plattform sein, über die Services ablaufen, mit denen Hersteller ihr Geld verdienen.“
Weiß koordiniert mit dem Wissenschaftler Andreas Zolnowski das Projekt Promidis. Der Name steht für „Produktivität industrieller Dienstleistungen stärken“. Partner aus Wissenschaft und Industrieverbänden erforschen bis September 2015 mit kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) Methoden für die Dienstleistungsmessung sowie deren Steuerung und Optimierung anhand von Key Performance Indicators (KPI).
Geeignete Indikatoren und Messgrößen zur Messung der Produktivität von Dienstleistungen sind für Unternehmen schwer festzulegen. Sie müssen neben internen quantitativen und qualitativen Faktoren wie Mitarbeiterverhalten auch externe Faktoren managen, beispielsweise Servicequalität und Kundenzufriedenheit erfassen, gleichzeitig auch noch zukünftige Marktentwicklungen berücksichtigen. Neben der Erfassung und Bewertung der weichen Faktoren gibt es noch ein Problem: „Profitabilität, also Effizienz, und Wirkung im Sinne von Effektivität stehen beim Erbringen von Dienstleistungen in einer engen Wechselbeziehung. Das löst Zielkonflikte aus“, so Weiß.
Darüber, wie profitabel rund um Produkte erbrachte Dienstleistungen sind, wissen die Betriebe meist wenig. „Wir erbringen eine größere Zahl an Serviceleistungen, haben das aber bislang eher als ein Mitnahmegeschäft betrachtet. Der Umsatz fließt zwar auf ein gesondertes Konto, es erfolgen aber keine detaillierten Auswertungen“, sagt Dirk Molthan, Geschäftsführer des Sensoren- und Messgeräteherstellers Wilh. Lambrecht, Göttingen. Das Unternehmen beteiligt sich als Praxispartner an dem Projekt. Für Molthan steht schon nach einem knappen Jahr Forschung fest: „Künftig werden wir ausgewählte Dienstleistungen als Geschäftsmodell betrachten. Wir werden eine Produktstruktur mit den Elementen Markt, Vertriebsweg, Budget und Ziel-Kunden entwickeln.“
Beim Präzisionsmaschinenhersteller Präwema Antriebstechnik, Eschwege, führte die Prozessbetrachtung und retrospektive Analyse des Montage- und Integrationsaufwandes bei der Inbetriebnahme, die der Promidis-Verbundpartner Deutsche Gesellschaft für Qualität durchgeführt hat, zu ersten Prozessverbesserungen, vor allem aber zu einer anderen Betrachtung des Tagesgeschäfts: „Wir haben unsere Blickrichtung vollkommen geändert“, berichtet der Qualitätsmanagementbeauftragte Marc Müller.
Auf die richtigen Kennzahlen kommt es an
Weiß hat diese Reaktionen erwartet: „Produktivität von Dienstleistungen muss man im Gesamtkontext denken. Man braucht dafür eine Servicestrategie, clevere Geschäftsmodelle und entsprechende Geschäftsprozesse ebenso wie geeignete Methoden und Instrumente zur Kennzahlenerfassung.“ Kennzahlen gebe es genug, so der Forscher, der bereits einen Katalog mit rund 560 Kennzahlen zur Messung der Produktivität von Dienstleistungen in Software gegossen hat. „Die Kunst besteht darin, die richtigen auszuwählen; nämlich die Dienstleistungs-KPI, die zur Geschäftsstrategie und zur Unternehmensphilosophie passen.“
Unternehmen, die ihr Geschäft von bislang produktbezogener zu servicebezogener Betriebsführung weiterentwickeln und „von einer sachgüterdomierten zu einer servicedominierten Logik kommen“ wollen, empfiehlt Weiß, zunächst Geschäftsprozess, Nachfrage und Kundenzufriedenheit unter dem neuen Blickwinkel ihres Wertschöpfungsbeitrages zur Unternehmensgesamtleistung zu betrachten.
Zur Prozessverbesserung könne man dann an sechs Stellschrauben drehen:
- Am Leistungsversprechen gegenüber dem Kunden
- am Einnahmenmodell
- an den internen Ressourcen
- am Partnernetzwerk
- an der Positionierung des Unternehmens
- am Zielmarkt/Marktsegment
Weiß mahnt jedoch: „Um eine stärkere Serviceorientierung zu erreichen, ist in den Unternehmen in erster Linie ein Umdenken gefordert. Ohne geeignete Strategie ist die Anwendung von Messverfahren zur Produktivitätsmessung in der Umsetzung meist zum Scheitern verurteilt.“ •
Unsere Whitepaper-Empfehlung
Benutzeridentifizierung und Zugangskontrolle verbessern Sicherheit und Transparenz im Flottenmanagement
Teilen: