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Produktionsstraße im Klassenraum

An den Berufsbildenden Schulen Fredenberg wird an realitätsnah nachgebildeter Großserienfertigung gelernt
Produktionsstraße im Klassenraum

Die Berufsbildenden Schulen Fredenberg in Salzgitter gestal- ten den theoretischen Teil der Ausbildung für Industrie- und Zerspanungsmechaniker seit 2011 deutlich praxisorientierter als es in der schulischen Ausbildung gemeinhin üblich ist. Das neue Innovationszentrum basiert auf einem realitätsnahen Anwendungsbeispiel aus der Großserienfertigung.

„Wir wollen theoretische Inhalte möglichst praxisnah vermitteln“, sagt Otto Tacke über die Ausbildungsphilosophie an den Berufsbildenden Schulen Fredenberg. Als Projektverantwortlicher hat der studierte Diplom-Ingenieur hier mit seinen Kollegen ein Innovationszentrum ins Leben gerufen, das diesem Anspruch mehr als gerecht wird. Das nahegelegene Volkswagen-Werk stand als Vorbild Pate: „Uns war es möglich, Teile einer Produktionsstraße, wie sie bei VW in Betrieb ist, in unseren Schulungsräumen nachzubauen – in einem kleineren Maßstab, versteht sich“, erläutert der Oberstudienrat.

Die Realisierung dieses Projekts erforderte finanzielle Mittel aus dem Konjunkturpaket II. Die BBS Fredenberg haben sich im Sommer 2009 um die Unterstützung beworben. „Schon zu diesem Zeitpunkt mussten wir ein gut ausgearbeitetes Konzept vorlegen inklusive der möglichen Dienstleister, die das Innovationszentrum realisieren würden“, erinnert sich der Projektleiter. Die offizielle Ausschreibung folgte EU-weit im Januar 2010. Otto Tacke ergänzt: „Aufgrund seiner Komplexität und Größe wurde das Projekt in zwei Losen ausgeschrieben – eines für die Maschinentechnologie und eines für die Automatisierungstechnik.“
Die Vorarbeit, bis das Land den eigentlichen Zuschlag erteilt und das Projekt ausgeschrieben hatte, war enorm. Das gilt für die BBS Fredenberg ebenso wie für die beteiligten Lieferanten, darunter auch DMG/Mori Seiki, einer der führenden Hersteller spanender Werkzeugmaschinen. Maik Karmann, Product Sales Manager der DMG/Mori Seiki Academy, blickt auf die arbeitsintensive Zeit zurück: „Das war sicherlich eines der anspruchsvollsten Projekte, die die Trainings-Akademie je realisiert hat.“
Die DMG/Mori Seiki Academy hat während dieser Vorarbeit mit der Köster Systemtechnik GmbH aus Iserlohn kooperiert, die für die Automatisierung der Produktionsstraße verantwortlich zeichnet. Für Maik Karmann eine fruchtbare Zusammenarbeit: „Da es hier auch um die labortechnische Ausstattung ging, war es nur sinnvoll, die Kompetenzen mit Köster zu bündeln, damit die Schule am Ende die bestmögliche Lösung bekommt.“ Die Arbeitsteilung sei zudem notwendig gewesen. „Weltweit gab es keinen Maschinenhersteller, der das gesamte Projekt hätte realisieren können“, fügt Maik Karmann hinzu.
Die an der Berufsschule nachgebaute Produktionsstraße von VW kennen Otto Tacke und die Projektteilnehmer sehr genau aus vielen Besuchen im Werk des Automobilherstellers. Für den Oberstudienrat eine wertvolle Erfahrung: „So sind wir auch an die richtigen Ansprechpartner für die jeweiligen Fertigungsstationen gekommen.“ Auch die Schüler profitieren heute von dem detailliert ausgearbeiteten Projekt, welches das Einpressen von Ventilführungen in einen Zylinderkopf als Vorbild hat. Insgesamt wurde der Prozess jedoch deutlich vereinfacht, um Kosten zu senken und das Handling zu erleichtern. „Den Zylinderkopf haben wir durch einen kleinen Aluminiumblock ersetzt. Dort wird die gleiche Bohrung eingebracht wie im Originalbauteil“, erklärt Otto Tacke.
Die Bearbeitung des Aluminiumblocks erfolgt auf einer CNC-Universal-Fräsmaschine DMU 50, die – gemessen an anderen Werkzeugmaschinen im Schulbetrieb – in puncto Ausstattung einzigartig ist. Die 5-Achs-Simultan-Ausführung mit 14 000er HSK-Spindel ist bereits eine vielseitige und leistungsstarke Basis. Hinzu kommen Features wie das Nullpunktspannsystem mit Spannhydraulik und der Blum-Laser für die interne Werkzeugvermessung. Nicht zuletzt erwähnt Maik Karmann Ausstattungsmerkmale, die dem Betrieb im Klassenraum zugutekommen: „Dazu zählen die Absauganlage und ein Maßnahmenpaket, das die Umgebungsgeräusche minimiert.“
Der ganzheitliche Ansatz der DMG/Mori Seiki Academy umfasste an den BBS Fredenberg nicht nur die Beratung zur Auswahl der Werkzeugmaschinen. Otto Tacke und der zuständige Lehrer für Fachpraxis konnten auch auf ein umfangreiches Schulungsprogramm zurückgreifen: „Den Umgang mit neuen Maschinen muss jeder Bediener zunächst lernen, also auch wir. Die intensiven Kurse durch die DMG/Mori Seiki-Trainer waren deshalb nicht nur erforderlich, sondern auch absolut sinnvoll.“
Sowohl die DMU 50 als auch die CTX alpha 300 – auf der CNC-Universal-Drehmaschine werden die Ventilführungen gefertigt – sind mit Automatisierungsschnittstellen versehen, um eine Verbindung mit den Handling-Lösungen von Köster Systemtechnik herzustellen. Kameras in den Maschinen übertragen zudem Videobilder von den Innenräumen auf große Flachbildfernseher oder zeigen die aktuelle Steuerungsansicht, so dass alle Schüler die Bearbeitung gut verfolgen können.
Das anschließende Einpressen der Ventilführungen in die Modelle der Zylinderköpfe ist ebenfalls nach dem Vorbild im VW-Werk aufgebaut. Köster Systemtechnik hat hierfür eine Anlage installiert, die sowohl die Paletten mit den Aluminiumblöcken in Position bringt als auch die Ventilführungen mittels eines Hydraulikzylinders einpresst. Abgerundet wird das Schulungsangebot am Innovationszentrum durch einen Computerraum, in dem die Auszubildenden an steuerungsidentischer DMG Programming/Training Software die Programmierung der CNC-Werkzeugmaschinen üben können.
Wenngleich die Abbildung der VW-Produktionsstraße am Innovationszentrum der BBS Fredenberg eine sehr vereinfachte ist, so bekommen die Schüler doch einen guten Eindruck davon, wie Fertigung und Montage in der Realität ablaufen. Die Produktionsstraße dient jedoch nicht nur der Demonstration. „Die Schüler arbeiten aktiv an Maschine und Automatisierung“, betont Otto Tacke. Diese Arbeit beinhalte das Einrichten und die Programmierung der Maschinen, die Bestückung der Paletten, die Überwachung der Fertigung, die anschließende statistische Prozesskontrolle sowie erforderliche Prozesseingriffe.
Nach der Inbetriebnahme der Produktionsstraße und Sanierungsarbeiten am Schulgebäude ist das Innovationszentrum seit dem Schuljahr 2011/2012 in Betrieb und stößt auf breite Zustimmung bei den Schülern. Viele von ihnen arbeiten auch im eigenen Ausbildungsbetrieb an Werkzeugmaschinen von DMG/Mori Seiki, so dass sie hier eine gewohnte Arbeitsumgebung vorfinden. Otto Tacke sieht im Konzept des Innovationszentrums einen gewinnbringenden Vorteil für die künftigen Elektroniker für Automatisierungstechnik, Zerspanungsmechaniker und Industriemechaniker: „Mit dieser zusätzlichen Anwendung von Maschinen- und Automatisierungstechnologie erweitern wir den Horizont unserer Schüler und bereiten sie auch im theoretischen Teil ihrer Ausbildung optimal auf das spätere Berufsleben vor.“
Ralph Schiffler Freier Fachjournalist in Köln
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