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Messtechnik darf nicht zum Nadelöhr werden

Carl Zeiss in Oberkochen beschleunigt die Qualitätssicherung
Messtechnik darf nicht zum Nadelöhr werden

Die steigenden Qualitätsanforderungen an Produkte erhöhen zugleich den Messaufwand. Schnelligkeit ist deshalb eine zentrale Herausforderung für die Branche. Der Messtechnik-Spezialist Carl Zeiss entwickelt seit jeher Strategien, mit denen sich diese Aufgabe lösen lässt, ohne dass dabei die Qualitätssicherung zum Flaschenhals im Produktionsablauf wird.

Ob tonnenschwere Getriebe von Lokomotiven oder Zahnräder, deren Größe sich im Millimeter-Bereich bewegen – heute wird praktisch alles gemessen und dies mit Toleranzen von oft nur wenigen Mikrometern.

Drei Entwicklungen tragen dazu bei, dass Unternehmen die wachsenden messtechnischen Möglichkeiten auch nutzen: Erstens verlangen gesetzliche Vorgaben immer häufiger nach einer ganzheitlichen Dokumentation der Produktqualität. Die gilt vor allem für die Automobil- und Luftfahrtindustrie und die Medizintechnik. Zweitens prüfen Unternehmen nicht mehr nur Stichproben, sondern hundert Prozent einer Charge. Zu groß ist das Risiko, dass der Abnehmer die Lieferung bei Mängeln zurückschickt oder Schadensersatzforderungen auf den Hersteller zukommen. Und zu klein sind die Toleranzen, die darüber entscheiden, ob ein Produkt perfekt funktioniert oder nur Mittelmaß erreicht.
Und drittens schließlich werden die Losgrößen immer kleiner. Das führt dazu, dass sich lange Produktionsanläufe und Vorserien nicht mehr rentieren. Stattdessen versuchen die Hersteller, die einzelnen Prozessschritte durch häufigere und umfangreichere Messungen abzusichern. „In der Produktion wird immer mehr gemessen“, fasst Dr. Dietrich Imkamp, Leiter Visual Systems & Partner bei Carl Zeiss Industrielle Messtechnik in Oberkochen zusammen. „Das erfordert intelligente Messsysteme, deren Einsatz sich aber auch wirtschaftlich rechnen muss.“
Eine Spritzgussmaschine fertigt ein Produkt in weniger als einer Sekunde. Wesentlich länger braucht dagegen ein Messgerät, um 20 oder 30 Merkmale dieses einen Werkstücks zu prüfen. Während die Produktionsverfahren immer schneller werden, ist der Zeitaufwand für die Qualitätsprüfung gestiegen. Das führt in manchen Betrieben dazu, dass die Messtechnik zum Nadelöhr wird. Diese Entwicklung verschärft sich noch dadurch, dass auf mehrere Bearbeitungsmaschinen in der Regel nur ein Messgerät kommt. Fertigungsunternehmen und Messtechnikhersteller stehen daher vor der Herausforderung, die Geschwindigkeit der Qualitätsprüfung zu erhöhen. Im Rahmen einer im Mai vorgestellten Studie nannte die VDI/VDE-Gesellschaft Mess- und Automatisierungstechnik (GMA) Schnelligkeit als die zentrale Anforderung an die Fertigungsmesstechnik von morgen. Dieser Trend zieht sich durch alle Branchen.
Die Messtechnik-Industrie hat diesen Trend erkannt: „Im Prinzip gibt es zwei Ansätze, die Qualitätssicherung zu beschleunigen“, erklärt Imkamp. „Zum einen kann man die Messtechnik in den Produktionsablauf integrieren und zum anderen lässt sich der Messvorgang selbst beschleunigen.“ Letzteres erreicht man zum Beispiel durch eine höhere Scanning-Geschwindigkeit bei der taktilen Messung oder durch optische Messtechniken.
Mit der Navigator-Technik von Carl Zeiss lässt sich die Geschwindigkeit, mit der der taktile Sensor die Werkstücke misst, auf über 100 mm/s steigern, ohne dass dabei die Messgenauigkeit sinkt. Die Messmaschine kompensiert zudem die Fliehkräfte, die bei hohen Geschwindigkeiten entstehen. Dadurch wird verhindert, dass sich die Taster verbiegen und so möglicherweise die Ergebnisse verzerrt werden. Auch durch den Einsatz eines Drehtischs als Teil des Messgerätes kann der Messtechniker Zeit sparen. Mit dieser zusätzlichen Ausrüstung lässt sich ein Werkstück mit nur einem Taster von allen Seiten erfassen. Ein zeitraubender Tasterwechsel entfällt.
Schneller als die taktile Messtechnik sind in der Regel optische Verfahren, bei denen eine Kamera oder ein Linien-Triangulationssensor viele Informationen auf einmal erfasst. Das geht wesentlich schneller, als wenn ein Werkstück über Punktfolgen Linie für Linie erfasst wird. Bei Produkten, deren Eigenschaften unterschiedliche Messungen erfordern, lohnt sich der Einsatz eines Multisensor-Messgeräts. Relevant wird diese Technik zum Beispiel bei bestimmten, medizinischen Dosiersystemen. Der Anwender kann in diesem Fall je nach Bedarf optisch und taktil messen, ohne dabei das Messgerät wechseln zu müssen.
Ein zweiter Ansatz, um der Qualitätssicherung Beine zu machen, ist die so genannte Inline-Messtechnik, sprich die fertigungsnahe oder -integrierte Messtechnik. Betriebe, die in ein robustes Messgerät investieren, das für den Einsatz in der Fertigungsumgebung geeignet ist, sparen sich damit die Zeit, die für den Transport der Werkstücke in den Messraum erforderlich wäre. Ein weiterer Vorteil der fertigungsnahen Messtechnik: Der Mitarbeiter, der für die Qualitätssicherung zuständig ist, kann vor Ort zeitnah auf die Messergebnisse reagieren. Im Notfall kann er die Bearbeitungsmaschine unmittelbar anhalten.
„Unsere Koordinatenmessgeräte für den fertigungsnahen Einsatz sind gefragt“, berichtet Imkamp. Deshalb erweitern die schwäbischen Messtechnik-Spezialisten ihr Spektrum an Messgeräten für die Fertigungsumgebung kontinuierlich. Zuletzt wurde das jüngste und kleinste Gerät der Duramax-Baureihe für diesen Zweck weiter entwickelt. Das Koordinatenmessgerät eignet sich jetzt auch für die Messung von Verzahnungen in der Produktionsumgebung. „Der Techniker spart einfach Zeit, wenn er direkt in der Fertigungshalle misst“, versichert Imkamp.
Allerdings ist nicht das Messverfahren allein ausschlaggebend dafür, wie viel Zeit ein Unternehmen in die Qualitätssicherung investieren muss. Es kommen meist noch andere Umstände hinzu, die sich direkt auf den Aufwand auswirken, der in die Qualitätssicherung gesteckt werden muss. Mit entscheidend ist zum Beispiel, wie viele Messgeräte parallel zum Einsatz kommen und welche Merkmale an den Produkten überprüft werden müssen. Ausschlaggebend ist auch, wie umfangreich die Stichproben sind und in welcher Größenordnung sich die Toleranzen bewegen. Alles zusammen bestimmt am Ende den Aufwand für die Qualitätssicherung.
Welchen Weg ein Betrieb letztlich wählt, hängt von der Gesamtstrategie und den Auswirkungen möglicher Qualitätsmängel ab. Ein Hersteller von Steckern für Haushaltsgeräte wird sicherlich andere Maßstäbe ansetzen als ein Hersteller von Flugzeugteilen, von deren Funktion Menschenleben abhängen. Bei einem Zulieferer für die Flugzeugindustrie füllt die Dokumentation der Prüfung eines einzigen Turbinenrades mehrere Datenträger. In diesem Fall spielt die Beschleunigung der Messtechnik eine ganz wesentliche Rolle. Nur durch entsprechende Maßnahmen kann die Qualitätssicherung mit dem Fertigungstakt Schritt halten und wird nicht zum Nadelöhr im Unternehmen.
Judith Schwarz Fachjournalistin in Tübingen

Wo Taster und Kamera versagen

Weißlichtsensor kommt auch mit glänzenden Oberflächen klar

Durch die Erweiterung um einen chromatischen Weißlichtsensor hat der Hersteller Carl Zeiss das Anwendungsspektrum des Multisensor-Messgeräts O-Inspect optimiert. Der Anwender kann jetzt komplexe Teile aus verschiedenen Einsatzgebieten einfach, präzise und effizient prüfen. Zu den Einsatzgebieten zählen die Elektronik- und Kunststoffindustrie, die Medizin- und Automobiltechnik und die Feinmechanik.
Mit dem Weißlichtsensor lassen sich Bauteile messen, die weder mit einem Tastsensor noch mit einer Kamera erfasst werden können. Dazu gehören insbesondere sehr kleine und empfindliche Werkstücke, die zugleich eine transparente, glänzende oder kontrastarme Oberfläche haben. Spiegelungen oder fehlende Kontraste, die die korrekte Fokussierung einer Kamera erschweren, spielen künftig keine Rolle mehr. „Damit schließen wir die letzte Lücke im Messspektrum des Modells“, sagt Dr. Dietrich Imkamp, Leiter Visual Systems bei Carl Zeiss in Oberkochen.
Das Werkstück wird dabei mit gebündeltem weißem Licht bestrahlt. Eine spezielle Optik mit chromatischer Aberration im Messkopf spaltet das Licht anschließend in seine Spektralfarben auf. Ein Spektrometer analysiert das reflektierte Licht und stellt fest, bei welcher Farbe dessen Intensität am größten ist. Von der Spektralfarbe kann das Messgerät auf den Abstand zwischen Sensor und Oberfläche schließen und leitet daraus die genaue Topografie des Bauteils ab.
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