Ergonomie | Bei Audi in Ingolstadt müssen die Werker in der Automobil-Endmontage keinen krummen Rücken mehr machen. Ein kollaborierender Roboter der MRK-Systeme GmbH reicht ihnen die Bauteile in einer ergonomisch günstigen Position. Mit der Lösung schafften die Augsburger Entwickler den Sprung aufs Treppchen. §
Autor: Uwe Böttger
Für die Mitarbeiter in der Montage der Modelle A4, A5 und Q5 im Ingolstädter Audi-Werk ist die direkte Zusammenarbeit mit dem Roboter eine echte Erleichterung. Bislang mussten sie sich immer wieder in eine Materialbox beugen, um die Ausgleichsbehälter für Kühlmittel heraus zu holen. Auf den ersten Blick ein einfacher Arbeitsschritt, der aber im Laufe der Zeit zu Rückenproblemen führen kann. Diesen Part übernimmt jetzt ein kollaborierender Roboter von MRK Systeme, einem Systempartner der Kuka Roboter GmbH. Im Einsatz ist das Modell KR5 SI, ein Standard-Roboter von Kuka mit Schutzummantelung, der im Audi-Werk die Bezeichnung „Part4you“ hat. Die ersten vier Buchstaben des Namens stehen für „Produktions-Assistent reicht Teil“.
„Die Mensch-Roboter-Kollaboration ist in den letzten Jahren zu einem immer wichtigeren Thema geworden“, weiß MRK-Geschäftsführer Peter Heiligensetzer. „Verschiedene Systeme auf Basis der Kraft- und Leistungsbegrenzung sind bereits in der Erprobung, doch keine der Lösungen hat meines Wissens bislang eine Baumusterprüfung für Traglasten über 2 kg.“ Die Lösung bei Audi hingegen wurde durch die Berufsgenossenschaft baumusterzertifiziert.
Der Roboter bei Audi ist mit einem Kamerasystem für den so genannten Griff in die Kiste ausgestattet. Aus einer ungeordneten Menge von Bauteilen in einem Ladungsträger wählt der Roboter automatisch das Teil aus, das sich am besten greifen lässt. Dieser Vorgang ist außerdem personensicher, da kein Laserscanner im Einsatz ist. Hat der Roboter das passende Teil gefunden, hebt er es mit einem Saugnapf, der am Ende des Arms angebracht ist, aus dem Behälter und reicht es schließlich dem Werker. Ganz ohne störende Schutzabtrennung, zur richtigen Zeit und in einer ergonomisch optimalen Position. Durch eine einfache Mensch-Maschine-Schnittstelle mit optischem Feedback und intuitivem Abnehmen des Bauteils interagiert der Mensch direkt mit dem Roboter. Der Werker muss sich nicht mehr bücken und das Bauteil aufnehmen. Gesundheitliche Probleme, allen voran Rückenbeschwerden, werden minimiert und die Produktivität durch die neue Teamarbeit gesteigert. So können Assistenzroboter auch im Hinblick auf den demografischen Wandel einen Beitrag leisten und den Standort Deutschland sichern.
„In einer Produktion mit zunehmender Variantenvielfalt ist das System eine wichtige Unterstützung für den Mitarbeiter“, bestätigt auch Johann Hegel, Leiter Technologieentwicklung Montagen bei Audi. „Der Roboter wählt für ihn das richtige Bauteil aus und hält es bereit. Somit sind weite Greifwege oder umständliches Bücken nicht mehr notwendig.“ Die Kreativität der Lösung liegt auch darin, dass der Mensch in dem Kollaborations-Team den Takt vorgibt. Der Roboter reagiert auf den Werker und nicht umgekehrt. „Der Roboter wird zum Fertigungsassistenten, der sich dem Rhythmus des Menschen anpasst“, ergänzt Hegel. Für Peter Heiligensetzer gibt es noch ein weiteres Alleinstellungsmerkmal, nämlich die Tatsache, dass die Basis der Lösung ein Standard-Roboter von Kuka ist: „Dadurch sind viele Probleme wie Ersatzteilversorgung, Wartung, Handhabung oder Programmierung gleich im Vorfeld gelöst.“ Außerdem habe der Anwender Zugriff auf viele Basisfunktionalitäten und eine weltweite Verfügbarkeit sei natürlich auch sichergestellt.
Nach Einschätzung von Heiligensetzer werden in der Automobil-Endmontage bislang nur sehr wenige Roboter eingesetzt. Ein wirtschaftliches und sicheres System wie das vom MRK könne theoretisch Hunderte von Applikationen ermöglichen. „Mit unserem Ansatz lassen sich nicht nur Bauteile mit einem geringen Gewicht anreichen“, so der MRK-Chef. „Das technische Prinzip lässt sich zum Beispiel auch beim Kleben einsetzen.“
Aus Sicht von Dr. Hubert Waltl, Produktionsvorstand der Audi AG, eröffnet die Mensch-Roboter-Kooperation ganz neue Möglichkeiten: „Die zunehmende Vernetzung von Mensch und Maschine wird die Fabrik der Zukunft prägen. Sie gibt uns die Chance, anstrengende Routinetätigkeiten zu automatisieren und ergonomisch ungünstige Arbeitsplätze zu optimieren.“ Eine menschenleere Fabrik werde es aber auch zukünftig nicht geben. Der Mensch werde weiterhin die Entscheidung über die Fertigungsvorgänge treffen. „Unsere Mitarbeiter sind nach wie vor der Schlüssel für eine zukunftsfähige, erfolgreiche Produktion“, versichert der Audi-Manager. •
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