Startseite » Themen » Robotik »

RWTH Aachen schafft Zukunft

technologietransfer: Hochschule baut campus für das 21. Jahrhundert
RWTH Aachen schafft Zukunft

In Aachen könnte ein neues Silicon Valley entstehen. Die Infrastruktur entsteht demnächst. Mit dem RWTH Aachen Campus verdoppelt sich die Eliteuniversität flächen- und personalmäßig. Rund 150 Unternehmen sollen sich ansiedeln und in 15 Clustern eng mit den Forschern Zukunftstechnologien entwickeln.

Die Geschichte beginnt mit einer Spende von 5000 Talern – Anschubfinanzierung eines Preußenprinzen, der vor genau 150 Jahren den Aufbau eines polytechnischen Institutes dekretierte. Ob in Aachen oder Köln blieb lange offen. Den Zuschlag erhielt 1863 die Kaiserstadt am Dreiländereck – wegen der bereits starken Industrialisierung der Region und dem Bedarf an qualifizierten Fachkräften, die damals schon fehlten.

Wenig später nahm das heutige Hauptgebäude am Templergraben stattliche Gestalt an. Bald wurde aus den Fachschulen für Ingenieurwesen, Maschinenbau und Chemische Technik die „Königliche Technische Hochschule“. Von Anfang an prägten Ingenieursfächer das Bild. Anfang der 20er-Jahre lösten Fakultäten die Abteilungen ab, mit Erweiterungsbauten wie dem Werkzeugmaschinenlabor verzahnte sich die Hochschule weiter mit der historischen Innenstadt. Die Studenten kamen und kommen in Scharen, über 31 000, betreut von 450 Professoren und 4000 wissenschaftlichen und nichtwissenschaftlichen Mitarbeitern.
Die RWTH Aachen ist ein vitaler Teil der Stadt. Sie ist ihr Aushängeschild, wie Karl der Große, der seine Lieblingsresidenz zu einer Art Hauptstadt Europas gemacht hat. Die jüngsten Pläne werden Aachen in den nächsten Jahren nachhaltiger verändern, als dies Römer, Karolinger und die Industrialisierung je vermochten. Nicht weniger als 73 ha Fläche werden neu überplant und bis 2015 bebaut. Entstehen wird eine Wissenschaftsstadt, die die bisher getrennten RWTH-Quartiere in der historischen Altstadt, das 26 ha große Areal am Westbahnhof und die Hochschulgebiete in den Stadtteilen Seffent und Melaten mit 45 ha in einen zusammenhängenden Campus fasst. Gesamtfläche: rund 2,5 Quadratkilometer. Bis zu 2 Mrd. Euro werden in Gelände, Gebäude und Ausrüstung investiert. Das Herzstück des Campus-Vorhabens bilden 15 Kompetenz-Cluster mit Büros und Forschungseinrichtungen für mehr als 10 000 Mitarbeiter (siehe Kasten).
Neben dem Prestige geht es den Initiatoren des Megaprojekts vor allem um Unternehmen, die sich im RWTH Aachen Campus ansiedeln können – zur Miete oder in eigenen Gebäuden. Firmenforscher, Wissenschaftler und Professoren sollen in den Clustern Seit an Seit Spitzenprodukte von morgen entwickeln und sich in ihrer Arbeit gegenseitig befruchten. Damit avanciert die RWTH nicht nur zum Motor der Entwicklung Aachens, sie stößt auch bei der Forschung in eine neue Dimension vor.
Professor Günther Schuh, geistiger Vater und Ideengeber für die Erweiterungspläne, legt Wert darauf, dass das Campus-Projekt „nicht primär ein Immobilienvorhaben ist, sondern die Konzeptweiterentwicklung einer modernen Technischen Hochschule“.
Gewiss: Forschung im Zweckverbund mit der Industrie funktioniert nirgends so gut wie in den Ingenieurfakultäten – allen voran die RWTH Aachen, die mit jährlich rund 162 Mio. Euro das Ranking der drittmittelstärksten deutschen Universitäten anführt. Die Stärken ließen sich jedoch noch weit besser ausspielen, gelänge es, die ingenieurwissenschaftliche Forschung mit noch höherer Relevanz zu versehen. Dass gute Arbeit in Deutschland geleistet wird, stellt Günther Schuh nicht in Abrede. Manchmal sei jedoch der Aufsetzpunkt nicht relevant genug, wenn man sich mit Hypothesen und Annahmen begnüge. Die Chancen auf Punktlandungen steigen indes, wenn Hochschulforscher mit führenden Unternehmen kontinuierlich und nicht nur punktuell zusammenarbeiten. Wird dies ordentlich gemacht, verheißt das Unternehmen „weniger Anlaufverluste, mehr Tiefgang und somit bessere Ergebnisse“, wirbt Günther Schuh für gemeinsame Zentren der Exzellenz.
Das setzt voraus, dass in den Forschungsstätten über neue Strukturen nachgedacht wird. Dabei zeichnen sich drei große Veränderungen ab: Während Hochschulen mit ihren Fakultäten, Instituten und Lehrstühlen disziplinär aufgestellt sind, plagt sich die Industrie mit Problemen systemischer Natur. Zwar beforschen einige wenige Branchenlehrstühle ihr Thema interdisziplinär. Das Gros ist jedoch strukturell nicht dazu in der Lage. Ihren Auftrag, in die Grundlagen so tief wie möglich einzutauchen, müssen deutsche Universitäten auch künftig hervorragend erfüllen. Daran gibt es laut Prof. Schuh auch nichts zu rütteln. Doch in dieser Form „kann uns die Wirtschaft nicht beauftragen“, kritisiert er die fehlende Querspange zwischen den Säulen.
Eine Hochschule muss sich seiner Meinung nach zusätzlich aufstellen, um auch an dieser Stelle zu punkten und mit den Weltklasse-Unis mithalten zu können. Mit ihrem Campus-Modell bietet die RWTH führenden Unternehmen deshalb an, „systemisch und dauerhaft mit uns zusammenzuarbeiten, indem sie sich bei uns immatrikulieren“, formuliert Schuh ein Leistungsangebot, das bald zum normalen Teil der Universitätskultur der RWTH gehört. Die Offerte soll mindestens 150 kooperationswillige Unternehmen auf den Campus locken. Bekannte Marktführer der mittelständischen Industrie wie auch internationale Konzerne verpflichten sich per Rahmenvertrag, Forschungsleistungen in einer bestimmten Größenordnung abzunehmen.
Damit tritt die zweite große Veränderung auf den Plan: Verlässlichkeit, Vertrauen und Kontinuität sind bei Arbeiten an Spitzentechnologien mehr denn je erforderlich. Eine wechselseitige wie inhaltliche Vertrautheit zwischen Hochschule und Praxis lässt sich laut Schuh „unter einem gemeinsamen Dach viel besser kultivieren als in einer Reihe von Einzelprojekten“. Veränderung Nummer drei wirft die Frage auf, wie eine Gesellschaft noch innovativer werden kann. Zu wissen, wer etwas weiß, gilt als schnellster Weg zum Ziel. „Das reicht morgen aber nicht“, mahnt Schuh, „da wir wissen müssen, wo Wissen entsteht“. Doch welches Wissen ist für ein Unternehmen, das mit einer neuen Technologie liebäugelt, überhaupt relevant? Mangels eines fachlichen Experten in den eigenen Reihen wird sich die Firma dem brandneuen Thema nur zögerlich nähern. Erschwerend kommt hinzu, dass der Betrieb seinen Radarschirm für solche Vorhaben nicht beliebig weit aufspannen kann.
Abhilfe schaffen so genannte Hotspots. Der Begriff entstammt dem Internet-Vokabular und bezeichnet drahtlose Zugangspunkte ins weltweite Netz. Auch die Hotspots der realen Welt ordnen das Zufällige und schaffen so ein Umfeld, in dem sich Kreativität und Innovation entfalten können. Vor allem in Clustern mit einem stark akademischen Kern fließen die Ideen und die Menschen hin und her. Das ist es, was zum Beispiel im Silicon Valley geschieht.
Ein solcher Hotspot will auch der RWTH Aachen Campus sein. „Wir müssen das Zufällige noch besser organisieren, die Industrie an uns heranlassen und unser Leistungsangebot für den Austausch deutlich ausweiten“, betont Campus-Initiator Schuh. Die freundschaftliche Umarmung mit der Praxis hat für den Hochschullehrer noch einen anderen Grund: die Rückkehr an die Quelle, zurück zu dem, was die „universitas“ einst war – ein Ort der Begegnung. Ohne intensive Vernetzung mit der Industrie könne die Science Community nicht schnell genug erkennen, was morgen relevant werde. Die neue Form des Austauschs wird auch daran sichtbar, dass sich die Mitarbeiter der angesiedelten Unternehmen an der RWTH immatrikulieren können. Neben der Forschung und Entwicklung können sie sich auch an der Lehre aktiv beteiligen, mit eigenen Fragestellungen und Ressourcen. Dem nordrhein-westfälischen Wissenschaftsministers Prof. Andreas Pinkwart ist heute schon klar: „Nach der Exzellenz der Forschung könnte nun auch die Exzellenz der Lehre in den Focus rücken, damit die Zukunft der Universität durch hervorragenden Nachwuchs gesichert werden kann.“ Im Umkehrschluss gilt dies auch für die angesiedelten Unternehmen.
Wie schlüssig das Konzept ist, zeigt auch, dass kein Nachfragemangel die Planung durchkreuzt. So ist der nicht gerade kleine Campus Melaten schon vor Baubeginn in diesem Dezember fast vergeben. Ihre Heimat finden die ersten sechs systemischen Cluster auf diesem Areal, das bis Ende 2012 bebaut sein wird. Ab 2012 rücken die Baumaschinen und Kräne am Westbahnhof an. Wenn bis in etwa sieben Jahren der Campus nach Plan bevölkert sein wird, hat sich die RWTH Aachen personal- und flächenmäßig verdoppelt. Dann hat die Hochschule auch größenmäßig Champions-League-Format. „Um international eine gewichtigere Rolle spielen zu können, brauchen wir größere Strukturen“, begründet Günther Schuh die Ausbaupläne. Vereinfacht gesagt: Fehlt es an Raum, kann sich auch Forschung nicht weiterentwickeln. Für die RWTH Aachen gilt diese Restriktion bald nicht mehr.

Marktchancen
An den neuen interdisziplinären Forschungszentren der RWTH Aachen beteiligen sich Unternehmen finanziell und personell. Bei entsprechendem Engagement kann auch sehr breit auf Themen einzelner Clusters Einfluss genommen werden. Die Forschungspartner aus der Industrie können auf Erfindungen zugreifen und sich Patente sichern. Die Mission des Campus ist klar: Nach dem Vorbild der Stanford University und dem Silicon Valley soll die Innovationskraft der Industrie und der Hochschule gestärkt werden.
Unsere Webinar-Empfehlung
Industrieanzeiger
Titelbild Industrieanzeiger 4
Ausgabe
4.2024
LESEN
ABO
Newsletter

Jetzt unseren Newsletter abonnieren

Tipps der Redaktion

Unsere Technik-Empfehlungen für Sie

Webinare & Webcasts

Technisches Wissen aus erster Hand

Whitepaper

Aktuelle Whitepaper aus der Industrie

Unsere Partner

Starke Zeitschrift – starke Partner


Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de