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Energieeffizienz wird endlich auch politisch forciert

ZVEI: Antriebstechnik im Umbruch
Energieeffizienz wird endlich auch politisch forciert

Rund zwei Drittel des industriellen Stromverbrauchs entfallen auf elektromotorisch angetriebene Maschinen. Mit energieeffizienten Antrieben und elektronischer Drehzahlregelung ergibt sich daraus ein immenses Einsparpotenzial. Dies wird jetzt auch politisch forciert.

„Nach dem Einbruch im Jahr 2009 sorgt insbesondere der unerwartete Nachfrageboom im Standardgeschäft mit Industriemotoren und Frequenzumrichtern dafür, dass das Niveau des Spitzenjahrs 2008 in diesem Jahr voraussichtlich nur um knapp zwei Prozent verfehlt wird“, so Günter Baumüller, stellvertretender Vorsitzender des ZVEI-Fachbereiches Elektrische Antriebe auf der SPS/IPC/Drives, die Ende November in Nürnberg stattfand. Interessant ist die Veränderung der Produktionsanteile in Deutschland. Hier gab es in den letzten fünf Jahren erhebliche Verschiebungen. Drehstrommotoren liegen heute mit 34,6 % klar auf Platz 1, in 2005 lagen sie mit 27 % noch weit hinter den Kleinmotoren. Heute liegt der Anteil der Kleinmotoren nur noch bei 21 %, 2005 lag er bei 37 %. Die Frequenzumrichter liegen mit 24 % auf Platz 2. „Was zeigt uns das? Im Krisenjahr 2002 gab man der Produktion von Standard-Industriemotoren in Deutschland kaum noch eine Chance. Die rückläufige Nachfrage ließen die Auslastung sinken und die Produktionskosten steigen. Die Hersteller reagierten mit Kostensenkungsprogrammen und Teilverlagerungen. Dann kam zum Glück der sechsjährige Aufschwung. Industriemotoren, insbesondere Energiesparmotoren mit elektronischer Drehzahlregelung, wurden immer stärker nachgefragt“, freut sich Baumüller.

Für das kommende Jahr sind die Aussichten weiterhin positiv. „Auf der Basis 2011 erwarten wir für die Produktion ein Plus von mindestens fünf Prozent“, prognostiziert Baumüller. „In den nächsten Jahren könnte durch die anstehenden Normungsarbeiten der EU-Kommission eine neue Zeitrechnung beginnen. Energieeffizienz wird zum dominierenden Auslegungskriterium“.
In Deutschland fertigen laut ZVEI rund 130 Firmen mit rund 45 000 Beschäftigten Komponenten und Systeme der elektrischen Antriebstechnik, sie bedienen damit rund ein Drittel des weltweiten Bedarfes an Elektromotoren. Rund zwei Drittel des industriellen Stromverbrauchs entfallen auf elektromotorisch angetriebene Maschinen. Mit energieeffizienten Antrieben und elektronischer Drehzahlregelung ergibt sich daraus für Industrie, Gewerbe und öffentliche Einrichtungen ein jährliches Einsparpotenzial von rund 38 Milliarden Kilowattstunden pro Jahr oder 23 Millionen Tonnen Kohlendioxyd.
Auch Prof. Jörg Franke, Leiter des Lehrstuhls für Fertigungsautomatisierung und Produktionssystematik (FAPS) der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, sieht das größte Potenzial für Energieeinsparungen bei elektrischen Antrieben. „Mit geregelten Antrieben in Lüftern, Pumpen oder Förderanlagen lässt sich der Energieverbrauch signifikant reduzieren. Innovative Motorenkonzepte mit Permanentmagneten oder Kupferrotoren sind energieeffizienter und sparen so deutlich Strom. Auch die Substitution hydraulischer, pneumatischer oder Verbrennungsmotor-basierter Antrieben durch elektrische verbessert die Energieausbeute erheblich“, so Franke.
Die fortschreitende Automatisierung von Produktions- und Logistikprozessen schließlich sorgt für einen wachsenden Bedarf an dynamischen und hochgenauen elektrischen Antrieben in Werkzeug- oder Druckmaschinen, Automatisierungssystemen sowie in der Prozessautomatisierung (Pumpen, Umwälz- und Ventilstellantriebe). Auch zur Materialhandhabung in Förderanlagen wie Gabelstapler oder Kräne sind effiziente elektrische Antriebe eine wichtige Basistechnologie. Eng verknüpft mit einer Optimierung der Antriebsfunktionen ist die Optimierung der Produktionsprozesse, denn neue Motorkonzepte erfordern auch angepasste Fertigungsverfahren. „Ziele sind weiterhin reduzierte Herstellkosten und Materialeinsatz wie seltene Erden sowie gleichzeitig steigende Produktqualität. Dazu ist die Recyclingfähigkeit der Antriebskomponenten zu verbessern, gesundheitsschädliche Stoffe sind zu eliminieren sowie für umweltgefährdende Fertigungsprozesse sind Alternativen zu entwickeln“, fordert der Leiter des Lehrstuhls für Fertigungsautomatisierung. Dazu zählt er flexibel automatisierte Verfahren für das Wickeln der Elektromagnete, deren Verschaltung und Montage sowie optimierte Prüfverfahren.
„Nach unseren Prognosen werden im Jahr 2050 etwa 170 Millionen Automobile produziert, verglichen zu den heutigen 70 Millionen. Ein Großteil davon wird in 2050 nach meiner Überzeugung elektrisch fahren. Interdisziplinäre Kooperation und strategische Partnerschaften sind daher unerlässlich, und wir können mit einer installierten Basis von 40 Millionen Antrieben auf entsprechende Erfahrungen blicken“, so Ralf-Michael Franke, CEO der Siemens Drive Technologies in der Keynote zur Konferenz. Zeljko Jaitic vom Elektromotorenwerk München stellte eine modulare Topologie für große Direktantriebe vor. „Durch Verwendung standardisierter Motormodule, beispielsweise linearer Module, lassen sich segmentierte synchrone Direktantriebe mit hervorragenden Eigenschaften realisieren“. Benjamin Eichinger von der Large Drives Division zeigte, wie mit Simulationsmethoden (FEM) das elektromagnetisch erzeugte Geräusch von Motoren anhand von Modellen reduziert werden kann.
Laut Csaba Deák von Baumüller/Nürnberg hat der permanent erregte Synchronmotor zur Zeit das höchste Entwicklungspotenzial aufgrund neuer und stärkerer magnetischer Materialien sowie innovativerer Design-Möglichkeiten. Das Unternehmen entwickelte auf Basis von Neodymium-Eisen-Boron-Magneten (NdFeB) einen 140-kW-Antrieb mit integriertem Umrichter. Doch die seltenen Erden wie Neodymium sind nicht nur schwierig zu fördern, sondern China hat mit 97 % Volumen derzeit ein Monopol darauf. „In Anbetracht dieser Verhältnisse ist das Recycling solcher Magnete nicht nur wirtschaftlich sinnvoll, sondern auch erforderlich für eine sichere Versorgung“, meint Prof. Jörg Franke. Denn neben Antrieben erfordern auch Windgeneratoren solche Magnete.
Dipl.-Ing. Achim Scharf Fachjournalist in München
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