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Zwergenarbeit

Kleinantriebe: Positionieren im Mikrometerbereich
Zwergenarbeit

Wenn der Einbauraum knapp wird, liefert der Piezo-Effekt oft eine Lösung. Nur 2,5 mm hoch ist der Prototyp eines Piezo-Resonanz-Antriebs, der bei fast quadratischer Grundform eine Kantenlänge von 12 mm besitzt. Doch auch Gleichstrommotoren mit 6 mm Durchmesser haben eine Chance, etwa in Elektroden-Manipulatorsystemen.

Modelleisenbahnen der Spur H0 im Maßstab 1:87 lassen sich noch gut auf die Schienen setzen. Doch Ausstattungsdetails wie etwa der Stromabnehmer einer E-Lok sind schon filigraner – vor allem, wenn man diesen „aus der Ferne“ bedienen will. Gelungen ist dies den Ingenieuren der Dortmunder Elliptec Resonant Actuator AG. Modellbahnhersteller Märklin realisierte mit ihrem piezoelektrischen Motor das Heben und Senken des Stromabnehmers – als fließende Bewegung. Der Antrieb des Typs X15G setzt das Piezoelement ein, um den schlüsselförmigen Resonator vibrieren zu lassen. Dessen Spitze führt deshalb eine ellipsenförmige Bewegung aus, die sich in eine konstante Bewegung umsetzen lässt. „Wir kombinieren auf diese Weise die Vorteile des Piezoantriebs – seine extrem schnelle Reaktionszeit und seine hohe Kraft –, vermeiden aber den Nachteil des kurzen Stellwegs“, erläutert Christian Stromberg, bei Elliptec zuständig für den technischen Support. So sei man nicht an einen Stellweg gebunden und könne sowohl vorwärts wie rückwärts antreiben. Der Modellbahn-Stromabnehmer lässt sich also nicht nur fließend ausfahren, sondern auch wieder einziehen.

Dem „großen“ Bruder haben die Dortmunder als Prototyp nun den Minimotor M10A zur Seite gestellt – nur halb so groß wie der X15G. Mit 12,9 mm Länge, 12 mm Breite und nur 2,5 mm Höhe, will Elliptec den Anforderungen der Anwender nach immer kleineren Antriebslösungen genügen. „Die sehr flache Bauform erlaubt es den Konstrukteuren, den Antrieb noch einfacher zu integrieren“, fährt Stromberg fort, „und zwar sowohl für lineare, rotatorische oder xy-Bewegungen.“ Geschwindigkeiten von über 500 mm/s sollen sich so mit einer maximalen Kraft von 50 mN kombinieren lassen, wobei hier die Abstimmung auf die jeweilige Anwendung – etwa über die Wahl einer geeigneten Feder – eine große Rolle spielt.
Anwendungsmöglichkeiten für die Miniatur-Piezo-Antriebe finden sich vor allem in der Medizintechnik und der chemischen Analytik, etwa in Systemen für die Hochleistungsflüssigkeitschromatographie (HPLC) der Wissenschaftliche Gerätebau Dr. Ing. Herbert Knauer GmbH. Um noch kürzere Analysezeiten zu ermöglichen – und damit mehr Proben in weniger Zeit zu bearbeiten –, setzen die Berliner den bereits in Serie hergestellten X15G-Antrieb ein. „Hier ist vor allem die Positioniergenauigkeit unseres Motors im einstelligen Mikrometerbereich von Vorteil“, erläutert Elliptec-Mitarbeiter Christian Stromberg. Der Piezo-Antrieb löse hierbei Spindel-Schrittmotoren ab und führe zu deutlich niedrigeren Kosten.
„Wer größere Kräfte – vor allem auch Haltekräfte – benötigt, kann zudem mehrere Motoren mit der sequenziellen Motoransteuerung kombinieren“, so Stromberg weiter. Dabei werden mehrere Motoren parallel eingesetzt, aber nicht gleichzeitig angesteuert – sondern einzeln nacheinander. „Während ein Motor antreibt, stehen die restlichen Motoren still. Dadurch spannt sich der Motor in seiner Aufhängung vor und erzeugt zudem eine Bewegung, die durch die Haltekraft der restlichen Motoren kleiner ist als beim nicht-sequenziellen Einsatz.“ Die Schrittweite bestimme maßgeblich die Gesamtzahl der Motoren. „Entwicklungspotenzial für die piezoelektrischen Antriebe sehen wir darüber hinaus vor allem im Umfeld des Motors“, ergänzt Stromberg, „insbesondere bei Antriebsmaterialien und Elektronik.“
Dass sich speziell bei Miniaturanwendungen der Piezo-Effekt – zusammen mit pfiffiger Fertigungstechnik – sehr vielseitig nutzen lässt, zeigt auch das Beispiel der Membranpumpe Microrun der Starnberger Paritec GmbH. Das Piezoelement bringt hier direkt eine Membran zum Schwingen – und verändert so das Volumen der Pumpenkammer. „Um Flüssigkeiten zu fördern, schwingt die Membran mit bis zu 120 Hertz; bei Gasen benötigt man dagegen bis zu 500 Schwingungen pro Sekunde, um eine hohe Förderleistung zu erreichen“, berichtet Christine Glienke, zuständig für Marketing und Vertrieb bei Paritec. „Vor allem aber können wir die Größe der Pumpenkammer sehr einfach den Erfordernissen anpassen.“ Diese hohe Flexibilität werde durch ein speziell entwickeltes Laserschweiß- und Biegeverfahren ermöglicht. „Dieses stellt zudem sicher, dass das Totvolumen in der Pumpenkammer minimal bleibt.“ Somit werde die Pumpe sehr blasentolerant und könne auch Gase fördern.
Zusammen mit den Wissenschaftlern des Münchner Fraunhofer-Instituts für Zuverlässigkeit und Mikrointegration (IZM) entwickelt, eignet sich die Paritec-Membranpumpe besonders wegen ihres Materialmixes wiederum für den Einsatz in der Labor- und Medizintechnik. „Edelstahl verbindet Biokompatibilität mit Chemikalienbeständigkeit, und Siliziumventile sorgen für Präzision und lange Lebensdauer“, so Glienke weiter. Vor allem Medikamentierungs-, Beatmungs-, Diagnostik- und Infusionssysteme könnten von der nur 34 mm x 34 mm x 10 mm großen Pumpe profitieren; die geringe Leistungsaufnahme von unter 1 W erleichtere den Batteriebetrieb.
Doch auch „normale“ Motoren können mithalten, wenn es um kleine und kleinste Antriebe geht. So gelang es den Antriebsexperten der Schönaicher Dr. Fritz Faulhaber GmbH & Co. KG, Modellbahnhersteller Fleischmann einen Motor für naturgetreues Fahrverhalten zu liefern – und zwar für einen Spur-N-Nachbau der Dampflok-Baureihe 70. Gegenüber Spur H0 bedeutet das, dass der Maßstab nun nur noch bei 1:160 liegt. Das heißt, es findet sich kaum Platz für den Antrieb. Die Lok ist gerade einmal 57,8 mm lang – einschließlich der Puffer. Da schon geringste Unwuchten im Rotor die Laufruhe der nur 36 g leichten Lok stören, realisierten die Schönaicher eine hochpräzise Schwungmasse auf der Motorwelle. So ließ sich der begrenzte Platz im Lokgehäuse optimal nutzen und die Schwungmasse so groß wie möglich auslegen. Deutlich wird daran ein weiteres Mal, dass Kleinstantriebe häufig kundenspezifisch anzupassen sind, um ein optimales Ergebnis zu erzielen. Dafür erlaubt der Antrieb der kleinen Lok sowohl das detailgetreue Rangieren als auch realistische Überlandfahrten mit vielen Waggons.
Dass der Modellbahnbau nicht die Grenze des Machbaren erreicht, zeigt auch bei Faulhaber eine Anwendung aus der Medizintechnik. Die Gießener Thomas Recording GmbH untersucht mit mehrkanaligen Mikroelektroden-Manipulatorsystemen die biologische Datenverarbeitung im Nervengeflecht. Aufgrund dessen Größe ist klar, dass solch ein Manipulatorsystem eine kompakte Bauform erfordert, denn die haarfeinen quarzglasisolierten Platin-Wolfram-Ableitelektroden mit nur 80 µm Durchmesser müssen zellgenau und reproduzierbar im Gewebe positioniert werden – und zwar unabhängig voneinander, bei Positionierwegen von 1 bis 15 000 µm, bei einer Verfahrgeschwindigkeit von bis zu 200 µm/s.
Um punktgenau und wiederholgenau zu positionieren, muss der Silikonschlauch des Elektrodenantriebs ständig unter definierter Vorspannung gehalten werden. Dafür sorgen bei den drei- und fünfkanaligen Geräten elektronisch kommutierte Gleichstrommotoren (EC-Motoren), mit einem Durchmesser von nur 6 mm und passendem Getriebevorsatz. In dem aus drei Spulen gebildeten Stator dreht sich ein kugelgelagerter Anker mit Permanentmagnet. Auf diese Weise unterliegen nur die Kugellager einem Verschleiß, so dass ein störungsfreier Betrieb über Tausende Betriebsstunden gewährleistet ist. (Weitere Details dazu finden sich in Ausgabe 49/50 des Industrieanzeigers auf Seite 24.)
Michael Corban Fachjournalist in Nufringen
Piezo-Effekt bietet noch zahlreiche Variationen
Für die Biologie geht es noch kleiner
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