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Die alte Dame ist ruhig gestellt

Schmiersystem bringt Schwebebahn zum Flüstern
Die alte Dame ist ruhig gestellt

Die Wuppertaler Schwebebahn transportiert seit 1901 Fahrgäste in einer Höhe von maximal 12 m quer durch das Stadtgebiet. Dabei kommt sie den Wohnhäusern zuweilen recht nahe und soll deswegen mit einem Schmiersystem von SKF leiser werden.

Derzeit befindet sich die Schwebebahn in einer regelrechten Verjüngungskur. „In den letzten zwanzig Jahren haben wir das Gerüst umfassend renoviert, jetzt wird Zug um Zug die komplette Fahrzeugserie erneuert“, so Thomas Kaulfuss, Betriebsleiter Technik Schwebebahn. Zum Einsatz kommen moderne Waggons und ein neues Zugsicherungssystem mit Funkkontrolle, wie es beim französischen TGV benutzt wird. Im Pflichtenheft steht aber auch eine effiziente Spurkranzschmieranlage. „Wir fahren in einem sehr engen, städtischen Bereich“, betont Kaulfuss. „Wir brauchen deswegen eine ökologische Lösung, mit der sich die Lärmbelästigung für die Anwohner minimieren lässt.“

Der Eisenbahnexperte musste nicht lange nach einem geeigneten Partner suchen, denn in einem älteren Waggon arbeitet bereits seit sieben Jahren eine Spurkranzschmieranlage des Technologieanbieters SKF. Sie ersetzte damals zunächst probeweise ein altes System, das mit Druckluft funktionierte. Dabei wurde ein Quecksilberschalter, der unpräzise dosierte, gegen ein Steuergerät mit Sensor ausgetauscht. „Aus unserer Sicht war das ein regelrechter Quantensprung“, schwärmt Rolf Barnat, Meister in der Schwebebahn-Fahrzeugwerkstatt. „Das System reagiert auf Geschwindigkeit und Kurvenfahrten.“ Und bei den neuen Fahrzeugen lässt sich das Modul sogar so programmieren, dass der Spurkranz an jeder beliebigen Stelle der Strecke geschmiert werden kann.
Mit dieser Vorgeschichte war klar, dass die Lösung von SKF in aktualisierter Version auch in den neuen Wagen zum Einsatz kommt. Inzwischen sind bereits zwei Fahrzeuge damit ausgerüstet und mehrere Testfahrten für Feineinstellungen erfolgreich absolviert. Seit Beginn des Jahres schweben die neuen Waggons im Dauerbetrieb durch Wuppertal.
Bei dem neuen Spurkranzschmiersystem mit der Bezeichnung Easyrail Airless wird das Schmiermittel von einer Behälterpumpe über eine Ringleitung der elektromagnetischen Dosierpumpe zugeführt. Die Pumpe bringt das Schmiermittel in einer definierten Menge und ohne Druckluft auf die Spurkränze. Diese so genannte Pumpen-Düsen-Einheit ist zudem mit einem Heizsystem ausgestattet und funktioniert deswegen auch bei großer Kälte noch zuverlässig.
„In Wuppertal setzen wir elektromagnetische Pumpen vom Typ PER mit zwei Düsen und eine Behälterpumpe vom Typ KFG mit zwei Kilogramm Fassungsvermögen ein“, schildert Tobias Weber, Account Manager Railway bei der SKF Lubrication Business Unit. Die Pumpe bringt das Fett in Dosen von 40 mm³ pro Düse und Hub in weniger als 0,5 s auf den Spurkranz. Weber steht nach wie vor in Kontakt zu den Wuppertaler Stadtwerken und begleitet die letzten Feinjustierungen. Das Steuergerät der neuen Lösung ist außerdem mit einem Kurvensensor ausgestattet, der eine sparsame und umweltfreundliche Anwendung des Schmiermittels unterstützt.
Das Schmiersystem ist bei der Wuppertaler Schwebebahn platzsparend am ersten Drehgestell untergebracht. Der Verzicht auf Druckluft macht einen Kompressor überflüssig. Das spart Platz, drückt die Kosten und reduziert den Aufwand bei der Verkabelung. „Die Empfindlichkeit der Anlage ist elektronisch gesteuert“, so Tobias Weber. „Der Anwender kann den Kurvensensor individuell einstellen und genau festlegen, wann geschmiert werden soll.“ Die Praxis-Tests an den neuen Wagen, die von dem Düsseldorfer Unternehmen Vossloh-Kiepe gebaut wurden, sind positiv verlaufen.
Im Vergleich zur Druckluft-Version sorgt das neue System für deutlich weniger Lärm in den Kurvenfahrten. Gute Schmierergebnisse hatte aber auch die Anlage geliefert, die in dem Bestandsfahrzeug eingesetzt ist. Somit hatte der Hersteller SKF von Beginn an gute Karten. „Die Experten waren schon einmal bei uns und wir haben gesehen, dass deren Variante funktioniert. Das hat die Suche nach der richtigen Lösung für die neuen Waggons erleichtert“, beschreibt Kaulfuss die Entscheidungsfindung. Vorteile sieht der Betriebsleiter auch in der technischen Auslegung der Anlage. Da die Druckluftversorgung wegfällt und damit ein Kompressor nicht gebraucht wird, gibt es insgesamt weniger Komponenten am Fahrzeug. Das spart Gewicht. Darüber hinaus ist die Montage einfacher, weil weniger Kabel und Rohre verlegt werden müssen. Eine wichtige Frage sei die Einstellung der Dosierung gewesen. Das Steuergerät mit Sensor löse diese Aufgabe problemlos. Es reagiere präzise auf Tempo und Kurvenfahrten. „Da wir die Lösung direkt über das Betriebssystem ansteuern, können wir flexibel reagieren, wenn sich die äußeren Bedingungen ändern“, so Kaulfuss. (ub)

Einmal im Leben durch Wuppertal schweben
Der Bau der eisenbahntechnischen Sonderlösung ist den knappen Platzverhältnissen in Wuppertal geschuldet. Der Stadtkern war schon Ende des 19. Jahrhunderts eng bebaut. Raum für ein öffentliches Verkehrsmittel gab es nur über der Wupper. Die Technikbegeisterung in der damaligen Zeit und die Aufbruchstimmung im Stahlbau führten schließlich zur Umsetzung des ehrgeizigen Projekts. Heute ist das Streckennetz 13,3 km lang. 10 km davon liegen direkt über dem Fluss. In der Rushhour sind 22 Waggons unterwegs. Alle vier Minuten kommt ein Fahrzeug. Das Traggerüst besteht aus 468 schräg-gestellten Stützen, zwischen denen die spurführenden Brücken eingebaut sind.
Die Einschienen-Hängebahn fährt auf einem durchlaufenden Stahlgleis in eine Richtung und wendet an den Streckenenden in einer Schleife. Die Waggons hängen an ihren Drehgestellen darunter. Radien ab 120 m durchfährt die Schwebebahn mit maximal 60 km/h und ist damit schneller als jede Straßenbahn. Die Antriebseinheiten rollen auf der Schiene und bestehen aus paarweise hintereinander angeordneten Rädern. Im Gegensatz zu herkömmlichen Schienenfahrzeugen haben die Räder der Schwebebahn zwei Spurkränze. Zur Lärmreduzierung sind die Räder mit speziellen Schallabsorbern ausgestattet.
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