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Messtaster: Die Verzahnung im Griff

Messtaster
Die Verzahnung im Griff

Schuler Pressen stellt Verzahnungen mit Profilfräsern her. Ein scannender Messtaster sorgt dafür, dass die Qualität der Verzahnung und der Prozess in sich geschlossen überprüft werden kann.

Theo Drechsel
4marcom + PR in Unterschleißheim

Zuverlässigkeit und Qualität haben im Pressenbau bei Schuler einen sehr hohen Stellenwert. Die Großpressen, die das Unternehmen auf Göppingen fertigt, sind für die Kunden eine langfristige Anschaffung; oft laufen sie jahrzehntelang und sind praktisch rund um die Uhr im Einsatz. Ein Schlüsselteil einer Servopresse sind die bis zu vier Antriebswellen pro Maschine, welche die Kraft übertragen. Zahnräder und Antriebswelle bilden ein großes Untersetzungsgetriebe, das über einen Exzenter die Auf- und Abbewegung der Presse erzeugt. Eine einzelne Antriebswelle der Presse wiegt 690 kg, die Welle ist über 1700 mm lang, die Doppelschrägverzahnung mit schmaler Mittelnut hat einen Durchmesser von 440 mm.

Aufwendiger Prozess für schwere Bauteile

Bisher wurde die Verzahnung mit Verzahnungsmaschinen von Maag-Zahnräder & -Maschinen hergestellt. Diese zeichneten sich vor allem durch eine hohe Reproduzierbarkeit aus, auch wenn die Herstellung einer Antriebswelle damit sehr lange dauerte. Alleine das Stoßen der Verzahnung benötigte 16 bis 19 h. Hinzu kommen weitere Bearbeitungsschritte auf Dreh-, Fräs-, und Schleifmaschinen, bis aus den vorgedreht angelieferten Schmiederohlingen ein geometrisch fertiges Antriebsritzel entstanden ist, das anschließend noch warmbehandelt wird. Das Handling der fast 700 kg schweren Teile zwischen den verschiedenen Bearbeitungsmaschinen ist umständlich und aufwendig und verlängert die Fertigungszeit.

Da die Maag-Maschinen seit 1989 nicht mehr gebaut werden, musste Schuler Pressen neue Wege gehen. Heute wird die Verzahnung der Antriebswelle auf einem Dreh-Fräs-Bearbeitungszentrum mit einem speziell angefertigten Profilfräser hergestellt und darauf auch gemessen. „Wir konnten die Formabweichungen der Zahnflanken früher gar nicht direkt messen“, erläutert Thomas Vujica aus der Fertigungsplanung und NC-Programmierung.

„Bei den Verzahnungsmaschinen war das auch nicht notwendig, weil diese so gebaut sind, dass sich immer eine Evolvente ergibt. Erst mit dem Umstieg auf die Fertigung der Verzahnung im Dreh-/Fräszentrum wurde das Messen zum Thema“, ergänzt Alexander Horn, Leiter Instandhaltung. Man behalf sich, indem man alle Antriebswellen zu einem externen Anbieter transportierte. Doch das dauerte je nach Auftragslage und Wartezeit zwei bis drei Wochen. Somit war der Zeitvorteil der Fräsbearbeitung wieder dahin.

Messtaster kann auch per analogem Scan ein Maß erfassen

Auf der AMB 2014 sah Vujica dann bei Blum-Novotest den digital-analogen Messtaster TC64-Digilog im Einsatz, wie er eine Fläche beziehungsweise eine Linie auf dieser Fläche scannte. Der Messtaster kann nicht nur digital/schaltend messen, sondern auch per analogem Scan ein Maß erfassen. Dadurch ist es möglich, den Taster über eine Oberfläche zu führen und kontinuierlich Messdaten zu erfassen. Vujica erkannte schnell, dass diese Messmethode die Lösung für das Messproblem sein würde.

Im Rahmen eines Testaufbaus zeigte sich sehr schnell, dass die vorhandenen Schwankungen der C-Achse Einfluss auf die scannende Messung der Zahnflanken hatten. „Wir haben dann eine Methode entwickelt, bei der wir bei stillstehendem Werkstück eine Gerade, die Erzeugende beziehungsweise Berührlinie, scannend messen. Damit hatten wir eine reproduzierbare und schnelle Messmethode gefunden“, erinnert sich Vujica.

Die komplette Vermessung eines Zahnrads umfasst 144 Messungen schräg entlang der gesamten Zahnflanke – 36 Zähne mit je zwei Flanken und das in beiden Hälften der Doppelschrägverzahnung – und dauert lediglich 13 min durch die Scangeschwindigkeit von 1,8 m/min. Dabei erzeugt der Digilog-Messtaster 570 000 einzelne Messwerte. Beim Messen kommen nur Linearachsen zum Einsatz, damit etwaige Fehler der Rotationsachse, die bei der Herstellung verwendet wurden, nicht miterfasst werden.

„Mit der Messung in der Maschine hatten wir den entscheidenden Schritt zur Qualitätssicherung erreicht, der den Verzahnungsprozess auf dem Bearbeitungszentrum absichert“, sagt Horn. „Wir brauchten einen in sich geschlossenen Prozess, der überprüfbar und wiederholbar ist, und den haben wir mit dieser Messmethodik erhalten. Wir messen jede Verzahnung und schicken derzeit noch jede zehnte Welle zum Vermessen, um einen unabhängigen Qualitätsnachweis zu erhalten. Wir werden das aber demnächst auf jede 20. Welle herabsetzen können.“

Selbstentwickelte Software für die schnelle Qualitätsüberprüfung

Vujica hat eine PC-Software entwickelt, die heute eine schnelle Überprüfung ermöglicht. Die Software nimmt über das Netzwerk die Messdaten des Messtasters entgegen und erstellt aus diesen einen Report mit Diagrammen, die mit einem Netzdiagramm sehr genau zeigen, ob und welche Abweichungen zum Idealfall gemessen wurden und damit sofort einen Rückschluss auf die Qualität zulassen. „Dabei kann der Maschinenbediener online die Werte während der Messung am PC verfolgen und somit Ausreißer, die auf eine Verunreinigung schließen lassen, von tatsächlichen Qualitätsproblemen unterscheiden“, so Vujica.

Der Report ist über die Seriennummer der jeweiligen Welle genau zuzuordnen, damit ist auch die Forderung nach einer kompletten Dokumentation des Prozesses erfüllt. Horn: „Durch die automatisierte Messung verhindern wir die Fehler, die beim händischen Vermessen unvermeidlich sind. Es war nicht einfach, unsere Qualitätssicherung und unsere Konstrukteure am Standort davon zu überzeugen, dass wir mit dem Bearbeitungszentrum dieselbe Qualität wie mit der Stoßmaschine erreichen, aber wir haben es geschafft. Das zeigt, dass der neue Prozess wirklich wasserdicht ist.“

Ein wichtiger Teil des neuen Fertigungsprozesses ist der spezielle Profilfräser, der eine Zahnflanke in einer Bahn komplett fräst. Bisherige Vollprofilfräser, deren Drehachse durch den Mittelpunkt des Zahnrads verläuft, haben relativ ungünstige Arbeitsbedingungen, der Durchmesser und damit die Schnittgeschwindigkeit unterscheiden sich über die Länge des Fräsers sehr stark. Wodurch die Idee entstand, die Drehachse der Fräsbearbeitung in Richtung Zahn zu kippen und damit die Durchmesserunterschiede gering zu halten. Zudem wurde eine Fräserkontur errechnet, die das Evolventenprofil mit Hilfe von Kreissegmenten sehr genau abbildet. Dies vereinfacht die Anfertigung der speziellen Fräser und senkt damit die Werkzeugkosten.

Bearbeitungszeit um 50 % gesenkt

Der neue Fertigungsprozess spart sehr viel Zeit: Früher wurde ein Antriebsritzel auf vier verschiedenen Maschinen bearbeitet. Heute werden bis auf das Schleifen der Lagerlaufflächen alle Arbeitsschritte auf dem Dreh-/Fräszentrum durchgeführt und die Bearbeitungszeit dadurch um 50 % gesenkt. Das bedeutet nicht nur weniger Rüstvorgänge, sondern auch kürzere, denn das Ritzel wird als Rohling in der Bearbeitungsmaschine gespannt, mit dem Messtaster eingemessen und dann weitgehend fertig bearbeitet. Es fällt gerade der sehr präzise auszuführende Rüstvorgang zwischen Verzahnungs- und Dreh-/Fräszentrum weg, zudem der komplexe Einrichtvorgang auf der Verzahnungsmaschine. Das Rüsten auf der Verzahnungsmaschine dauerte 2,5 bis 3 h, auf dem Bearbeitungszentrum sind es 30 min.

Dank des Digilog-Tasters ist der Fertigungsprozess heute in Bezug auf die Qualitätssicherung abgesichert, die Lieferzeiten sind deutlich kürzer und die Produktion kann sicher sein, die gefertigte Verzahnungsqualität zu erfüllen. „Wir können eine Antriebswelle, wenn es erforderlich ist, in einem Tag fertigen und ausliefern. Früher war das undenkbar, alleine die Vermessung dauerte zwei bis drei Wochen“, so Horn.

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