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Auf ganzer Linie überlegen…

Vergleich zeigt die Potenziale elektromagnetischer Handlingsysteme
Auf ganzer Linie überlegen…

Gerade bei Handlingsystemen zahlt es sich in bare Münze aus, die Elektromechanik ins Kalkül zu ziehen. So hat der Systemvergleich des Hier!-Teilprojekts „Druckluftarme Produktion“ an der Universität Kassel gezeigt, wie groß die Einsparpotenziale gegenüber der Pneumatik-Variante sind.

Druckluft wird in vielen Bereichen der Industrie angewandt: als Arbeitsluft in Linearzylindern, als Prozessluft etwa beim Trocknen von Kunststoffgranulat, als Luft zum Erzeugen eines Vakuums mit Hilfe von Ejektoren, als Prüf- oder als Aktivluft. Den Vorteilen wie Geschwindigkeit, Kraft, Präzision und vielseitige Anwendbarkeit steht unter anderem der hohe elektrische Energiebedarf für die Erzeugung gegenüber. Oft werden nur energetische Wirkungsgrade von 6 bis 10 % erreicht. Druckluft bereitzustellen führt in Deutschland laut dem EnEffAH-Projektkonsortium zu einem Strombedarf von circa 16 TWh oder fast 3 % des gesamten deutschen Strombedarfs. Dies verursacht Treibhausgasemissionen von mehr als 9 Mio. t CO2-Äquivalenten.

Im Rahmen der Bestrebungen auf nationaler und europäischer Ebene, die Energieeffizienz zu erhöhen und Treibhausgasemissionen zu verringern, bietet die Druckluftnutzung dafür enorme Potenziale. Realisiert werden können sie, indem die Bereitstellung optimiert und der Druckluftbedarf durch die Substitution von Druckluftanwendungen verringert wird.
Im Fokus steht oft die Substitution pneumatischer durch elektromechanische Linearantriebe in Handlingsystemen, da diese meist leicht zu realisierende Potenziale bieten. Zudem ist gerade die Elektromechanik eine echte Alternative, und es gibt eine Vielzahl von Herstellern energieeffizienter Komponenten für diese Industrieanwendung.
Eine spezielle Form ist der elektromagnetische Direktantrieb. Hierbei wird die Linearbewegung berührungslos durch Magnetkräfte erzeugt. Während beim Einsatz von Druckluft von der elektrischen Energie zur tatsächlich nutzbaren, mechanischen Energie eine lange Prozesskette durchlaufen wird, wandelt der Direktantrieb die eingesetzte elektrische Energie mit deutlich geringeren Verlusten in mechanische Energie um. Dadurch lassen sich sowohl energetische und damit ökologische als auch ökonomische Effizienzverbesserungen realisieren.
Im Rahmen des „Hier!“-Teilprojektes „Druckluftarme Produktion“ am Fachgebiet Umweltgerechte Produkte und Prozesse der Universität Kassel soll durch Gegenüberstellung der unterschiedlichen Alternativen in experimentellen Aufbauten gezeigt werden, wie groß die Einsparpotenziale der elektromechanischen/elektromagnetischen Alternativen tatsächlich sind. Die Vergleiche dienen dazu, den Einsatz der energieintensiven Pneumatik zu überdenken und die Unternehmen weiter für das Thema Energieeffizienz zu sensibilisieren. Denn trotz zumeist bekannter Potenziale von Alternativen wird noch häufig die Pneumatik aufgrund der geringeren Investitionskosten eingesetzt. Eine Betrachtung der Lebenszykluskosten oder TCO (Total Cost of Ownership) findet meist nicht statt.
Ein energetischer Vergleich der unterschiedlichen Handlingsysteme soll die Potenziale hinsichtlich der Kosten, den Energiebedarf und den CO2-Ausstoß verdeutlichen. Dafür wird in einen experimentellen Aufbau ein pneumatisches Handling mit einem elektromagnetischen anhand einer definierten Bewegungsaufgabe verglichen. Entscheidend bei der Auswahl der Handlingsysteme für die jeweilige Bewegungsaufgabe ist immer das Spannungsfeld zwischen Geschwindigkeit und dem maximalen Gewicht. Rahmenbedingungen der definierten Bewegungsaufgabe waren ein Hub in horizontaler Richtung von 650 mm und in vertikaler Richtung von 200 mm. Zudem wurde eine Maximalbeladung von knapp über 7 kg ausgewählt.
Für den Versuchsaufbau wurden pneumatische Standardkomponenten verwendet, für das elektrische Handling kamen Linearmotoren der Firma LinMot zum Einsatz. Aufgebaut wurde das pneumatische System in zwei Alternativen. Pneumatik-Anwendungen haben in der Realität neben der schlechten Energieausbeute noch damit zu kämpfen, dass häufig im Realbetrieb die Systeme oder Komponenten nicht optimal ausgelegt sind. Meist sorgt ein „Sicherheitszuschlag“ beim Auslegen für zusätzlichen Luftverbrauch.
Wie die einfache Beziehung Kraft gleich Druck multipliziert mit der Wirkfläche zeigt, beeinflusst bei pneumatischen Komponenten nicht nur die Größe (Wirkfläche) des Zylinders, sondern auch der eingestellte Druck den Luftverbrauch, so dass sich selbst bei Auswahl zu großer Zylinder das System über den Druck optimal einregeln ließe. Allerdings wird das in der Realität erfahrungsgemäß oft nicht gemacht. Daher wurden in diesem Vergleich ein optimal ausgelegtes pneumatisches und ein reales pneumatisches System mit dem elektrischen System verglichen.
Variiert wurde sowohl die Zyklusdauer als auch die Beladung der Systeme. Die unterschiedlichen Massen wirken sich je nach System und auch je nach Bewegungsrichtung unterschiedlich aus. Während die Beladung beim pneumatischen System, gleich in welche Richtung, keine Auswirkung hat, ist der Einfluss bei der elektrischen Variante zum Teil doch erheblich. Gerade bei Bewegungen in vertikaler Richtung wird erheblich mehr Energie benötigt. Insgesamt weist bei dieser Variante die Verdreifachung des Gewichts fast eine Verdopplung des Energiebedarfs auf. Den Einfluss der Beladung auf den Energiebedarf des elektrischen Handlingsystems zeigt das Schaubild.
Unter den Annahmen von 6000 Betriebsstunden, einem Strompreis von 0,14 Euro/kWh und einer Kompressorkennzahl von 0,13 kWh/m3 i.N. ergeben sich Einsparungen des elektrischen Antriebs je nach Beladung und Zyklus bezogen auf den Energieeinsatz des elektrischen Handlings bei 7,2 kg zwischen 89 und 94 % je nach System (optimiert, real). Im zweiten Bild sind die Ergebnisse des Vergleichs grafisch dargestellt.
Christoph Pohl, Christoph Schevalje, M0ritz Stämmler, Jens Hesselbach Institut für Produktionstechnik und Logistik, Umweltgerechte Produkte und Prozesse der Universität Kassel
Dieser Beitrag entstand im Rahmen des Teilprojekts „Druckluftarme Produktion“ des Leitprojektes „Hessen Innovationen für Energie- und Ressourceneffizienz“ , kurz „Hier!“. Dieses wird vom Hessischen Ministerium für Umwelt, Energie, Landwirtschaft und Verbraucherschutz unter anderem mit Mitteln des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung gefördert. Unser Dank gilt auch dem Volkswagenwerk Baunatal, dem NaturPur Institut für Klima- und Umweltschutz gGmbH sowie der Limón GmbH.
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